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Tagebuch Doc12
2010-11-07 09:00
Der weinende Clown - 107
Nach diesem Gespräch war Bruno zunächst ärgerlich und dachte über den Hinweis nach, den Gott ihm gegeben hatte. „Zwei Seelen, die eine sind“, sinnierte er halblaut – was sollte das nun wieder bedeuten? „Manchmal drückt er sich schon etwas unklar aus“, schimpfte er leise, doch schließlich schwand sein Ärger und wandelte sich in eine freudige Erwartung auf den nächsten Tag.

An der Wohnungstür klingelte es. Verwundert ging er öffnen. Sarah stand draußen, in der Hand ein große Tüte. „Hallo mein Schatz, ich habe versucht, dich in der Klinik anzurufen, aber man sagte mir, du wärst schon entlassen – dem etwas hochmütigen Ton in der Stimme der Krankenschwester nach zu urteilen, unehrenhaft“, meinte sie über das ganze Gesicht grinsend und plapperte fröhlich weiter: „Ich war mir daher fast sicher, dich zu Hause anzutreffen und habe gleich mal frische Brötchen fürs Frühstück mitgebracht.“ Sie gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die Wange. Ohne eine Antwort abzuwarten, ging sie an ihm vorbei in Richtung Küche. Immer noch überrascht schloss Bruno die Wohnungstür. Auf der einen Seite freute er sich über ihren Besuch, andererseits war es ihm peinlich – seine Wohnung sah wieder einmal aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen.
„Entschuldige – ich hatte noch nicht die Zeit, aufzuräumen. Hätte ich gewusst, dass du kommst, dann ...“, entschuldigte er sich kleinlaut.
„Sei um Gottes Willen nicht albern! Was glaubst du denn, welche Unordnung Karsten oft hinterlässt – ich kenne das schon. Typisch Mann! Aber keine Angst, ich räume dir nicht auf.“ Sie lachte und meinte dann: „Lass uns frühstücken.“

Jetzt erst merkte er, dass sein Magen rumorte und er verspürte einen Bärenhunger – die Verpflegung in der Klinik war nicht sonderlich nach seinem Geschmack gewesen und so hatte er kaum etwas gegessen. Als sie schließlich am Frühstückstisch saßen, meinte Sarah etwas vorwurfsvoll: „Unvernünftig bist du schon. Du hättest ruhig noch einen oder zwei Tage bleiben können. Ich glaube, dass ...“
„Nimm das Messer aus meinem Rücken“, unterbrach er sie schräg grinsend und fuhr fort: „Ich weiß ganz genau, dass es nichts Ernsthaftes ist, glaub mir. Ich war ganz einfach kurzzeitig überlastet, das ist alles.“
„Bist du dir da sicher?“
„Ganz sicher.“
Während er schweigend auf seinem Marmeladenbrötchen herumkaute, gingen ihm verschiedene Gedanken durch den Kopf. Gerne hätte er sie über den wahren Grund seines Klinikaufenthaltes aufgeklärt, doch er wusste genau, dass sie das alles nicht verstehen würde, schon allein deshalb, weil sie die Zusammenhänge nicht kannte. Wie sollte sie auch? Seine Gedankenwelt war für sie kaum zugänglich, dafür war ihre Beziehung noch zu jung. Dazu kam, dass er nicht über seine direkte Telefonverbindung zu Gott sprechen durfte – was ihm nicht immer leicht fiel – ganz abgesehen davon, dass sie ihn dann höchstwahrscheinlich für verrückt erklärt und ihn schnurstracks wieder in die Klinik hätte einliefern lassen, vermutlich direkt in die neurologische Abteilung. Innerlich belustigt stellte er sich ihre Reaktion vor, wenn er ihr erzählen würde, dass er einen direkten Draht nach oben hatte und der kurze Klinikaufenthalt lediglich dazu inszeniert worden war, um ihn mit seinem Romanhelden zusammenzubringen – und das auch noch vom lieben Gott persönlich. Sie hätte ihm das nie und nimmer abgekauft oder aber vermutlich gedacht, es wäre eine seiner humoristischen Anwandlungen.

„Du bist so schweigsam. Worüber denkst du nach?“, riss Sarah ihn aus seinen Gedanken.
„Wie? Ach so, entschuldige. Nichts Besonderes. Nicht wichtig.“
„Geht es dir gut?“, fragte sie. Besorgt sah sie ihn an.
„Klar doch.“
„Ich möchte aber wissen, was du denkst.“
„Eben habe ich darüber nachgedacht, wie ich meinen neuen Roman weiterführe“, log er.
„Ihr Schriftsteller schwebt immer in höheren Regionen“, meinte sie und lachte.
„Halb so schlimm – und wenn, dann kommt es nur ganz selten vor.“ Kopfschüttelnd lächelte er sie an.
„Und wie führst du deinen Roman weiter?“
„Weiß nicht. Vielleicht überhaupt nicht.“
„Wäre aber schade.“
„Wieso schade? Das kannst du doch gar nicht beurteilen – du hast ihn doch noch nicht gelesen.“
„Stimmt – ich weiß nur das Wenige, das du mir erzählt hast. Aber ich finde die Idee nicht schlecht und habe den leisen Verdacht, dass du an dieser Geschichte innerlich mehr beteiligt bist als du nach außen hin zugibst. Die weiblichen Antennen, verstehst du?“
„Die berühmten weiblichen Antennen, ja ...“ wiederholte er lächelnd und sah sie von der Seite an, dann fügte er etwas nachdenklich hinzu: „Du könntest Recht haben, mein Schatz – aber mein Problem habe ich dir schon mal geschildert: Ich schreibe da etwas, was ich selbst nicht so recht begreifen kann, sehe genau genommen keinen Sinn dahinter und dieser Roman ist obendrein noch nicht einmal humoristisch, obwohl er anscheinend die Lebensgeschichte eines Clowns beschreibt. Dennoch habe ich oft das intensive Gefühl, als sei ich mit diesem Clown auf eine seltsame Weise verwandt. Trotz all meiner Überlegungen komme ich aber nicht hinter die Bedeutung des Ganzen, verstehst du? Es ist wie ein Puzzlespiel – und allmählich macht mich das fast wahnsinnig ...“
„Dann sollest du unbedingt etwas dagegen tun.“
„Wie meinst du das?“
„Du solltest den Roman zu Ende bringen. Diese Geschichte kommt vielleicht aus den Tiefen deiner Seele, aus deinem Unterbewusstsein – und es möchte dir womöglich etwas Wichtiges sagen. Vielleicht wird dir erst dann der Sinn klar, wenn du ihn fertig hast.“

Bruno schüttelte erstaunt den Kopf über ihre Äußerung. Das hatte er doch schon mal gehört? War es nicht Gott selbst, der ihm fast das Gleiche angedeutet hatte? Er fragte sich, ob sie hier ihre eigene Meinung wiedergab oder war oder eine Eingebung von oben ...?

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2010-11-07 09:00