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Tagebuch Doc12
2010-11-03 07:50
Der weinende Clown - 103
An der Tür klopfte es kurz, dann betrat Sarah das Zimmer. Bruno war froh, sie zu sehen, auch deshalb, weil dadurch die Fragerei Donatellos unterbrochen wurde. Sie ging auf ihn zu, strich ihm über den Kopf, küsste ihn und legte ihm einen Packung Kekse auf den Nachttisch Dann setzte sie sich zu ihm an den Bettrand.
„Danke, dass du gekommen bist“, sagte Bruno leise.
„Ist doch klar.“ Sie lächelte ihn an, küsste ihn ein zweites Mal auf die Wange und fragte: „Was fehlt denn meinem Hasen? Bist du schon untersucht worden? Hast du schon eine Diagnose?“
„Eine Sehnenscheidenentzündung im rechten Arm, die Schultermuskulatur ist verspannt, zusätzlich ist ein Nerv eingeklemmt und das Ellbogengelenk angegriffen – sagt der Doktor. Jedenfalls nichts, was mich umbringen würde. Ich weiß nicht, wie lange ich hier bleiben muss. Das wird sich noch herausstellen.“ Er grinste und sah sie von der Seite an.
„Du solltest dich eine Weile schonen.“
„Das kann ich zu Hause auch, meinst du nicht? – und belastet die Krankenkasse weit weniger.“
„Hast du etwas zu lesen, falls es dir langweilig wird? Ich hole dir die aktuelle Tageszeitung, hm?“
„Ach lass es. Da steht eh nur Unsinn drin – oder Berichte über Verbrechen und Gewalttaten. Jugendliche schlagen alte Leute, Mütter bringen ihre Kinder um, Väter vergehen sich an ihnen und Britney Spears oder Amy Winehouse haben abwechselnd wieder mal einen ihrer psychotischen Anfälle. Ich kann’s ja schon nicht mehr hören.“
„Momentan geht es um Steuerhinterziehungen in Millionenhöhe“, meinte Sarah sarkastisch.
„Wer?“
„Der Postchef. Zum ... Zum – mir fällt der Name momentan nicht ein. Er soll etwa zehn Millionen Euro nach Liechtenstein geschleust haben – am Fiskus vorbei. Und das sei erst die Spitze des Eisbergs, sagen die im Fernsehen. Da sind anscheinend noch viele Reiche und Großkopferte mit von der Partie.“

Bruno schüttelte den Kopf und verdrehte dabei die Augen. „Und wenn du als kleiner Bürger deine Steuern nicht pünktlich bezahlst, dann hast du nach spätestens vier Wochen den Vollstrecker vom Finanzamt vor der Tür. Dazu brummen sie dir noch einen saftigen Versäumniszuschlag auf – so ist das halt mal. Das Leben ist beschissen, aber die Grafik ist geil.“
„Es ist eine Schweinerei, sage ich dir! Das Geld fehlt der Wirtschaft und den Menschen.“ Sarahs Gesicht spiegelte ihren Ärger wider.

„Klar ist das eine Sauerei. Und nicht nur das: Es ist ein Verbrechen dem Volk gegenüber. Damit schadet sich die Wirtschaft selbst – und zwar enorm. Es ist nicht nur ein finanzieller Schaden, sondern ein Vertrauensbruch der deutschen Marktwirtschaft gegenüber dem Bürger, also auch ein ideeller Verlust. Andererseits hat jede Medaille zwei Seiten, so auch diese. Denn wenn der Staat seinen Bürgern so unverschämt tief in die Tasche greift, wie es aktuell der Fall ist, wehren sich die Menschen – egal, ob Manager oder Arbeiter – jeder auf seine Art und so, wie er kann. Wen verwundert es dann, dass Steuerflucht zum Volkssport wird? Die Schwarzarbeit rapide zunimmt? Der Staat ist zwischenzeitlich abgaben- und steuersüchtig geworden, quetscht die Bürger aus, so gut er kann, mischt sich in alles ein und wird immer unverschämter – und macht seine Bürger somit zu Deppen des Systems – das Ganze nennt sich dann ,Demokratie und soziale Marktwirtschaft’. Und ohne die Zeitung gelesen zu haben, kann ich dir schon jetzt sagen, wie das weitergeht: Die Politiker schimpfen auf die bösen Buben und auf Liechtenstein, setzen die Steuerfahndung in Trab, dann gibt es ein paar Bauernopfer, der Rest kriegt kalte Füße und zeigt sich selbst an oder macht einen Deal mit der Justiz – das Geld ist ja da, kein Problem – und danach ist alles wieder so, wie es war. Die Steuerhinterzieher treten von ihren Posten zurück, bekommen dazu noch eine horrende Abfindung und wahrscheinlich wird die Sache auch internationale Kreise ziehen, denn es gibt noch mehr Steueroasen, nicht nur Liechtenstein. Und nach einiger Zeit spricht niemand mehr davon. Die Herren Manager haben doch die Politiker in der Hand – wie Marionetten. Ist doch überall so, egal wo immer man hinsieht: Wenn sich dann so nebenbei mal wieder ein paar Bankmanager mit dubiosen Immobiliengeschäftenverspekuliert haben sollten: Macht auch nichts – die Defizite lassen sich mit Steuergeldern doch locker ausgleichen ... Nein, nein – was wir brauchen, ist endlich eine vernünftige Steuerreform – vom Einkommen unabhängig und konsumbezogen. Aber das bringen die Herren und Damen Politiker ja nicht zustande, denn dann wäre der Selbstbedienungsladen nämlich plötzlich
geschlossen. Wenn sie ein ehrliches Interesse daran hätten, dieses völlig veraltete, marode und viel zu komplizierte Steuersystem zu sanieren, wäre es längst passiert.
Ich kann mich erinnern, dass es mal eine Bundeskanzlerin gab, die beim Regierungsantritt sagte, sie wolle Deutschland dienen. Die Frage ist nur: Wann fängt sie endlich damit an? In der dritten oder vierten Legislaturperiode? Dabei habe ich einmal gelesen, sie sei angeblich zu einer der mächtigsten Frauen gekürt worden – wo die allerdings mächtig sein soll, ist mir völlig schleierhaft – figürlich vielleicht, aber ansonsten steht sie verloren da wie ein kleines Mädel, dem man die Puppe weggenommen hat. Ihr anfänglicher Elan ist ihr doch längst schon abhanden gekommen. Ich glaube, von ihr hat sich das deutsche Volk weit mehr erwartet als ein paar außenpolitische Flirts. Sie tut lediglich das, was sie am besten kann: nichts. Sie wartet meist, bis die anderen die Entscheidungen für sie gefällt haben und sagt dann: Prima, das hätte ich auch so gemacht.“

Kommentare

07:47 05.11.2010
Gut, dann
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unbekannt
14:59 04.11.2010
So oder ähnlich würde ich es deuten.

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08:15 04.11.2010
Was bedeutet der Smiley eigentlich? Muss der sich übergeben?
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unbekannt
06:14 04.11.2010


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2010-11-03 07:50