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Tagebuch Doc12
2010-10-31 02:45
Der weinende Clown - 101
Sein Zimmernachbar war zwischenzeitlich aufgewacht und hatte aufmerksam zugehört.
„Wo fehlt’s bei dir?“, fragte er ohne Umschweife. Was Bruno sofort auffiel, war der leicht südländische Akzent seines Nebenmannes.
„Mein rechter Arm macht Probleme.“
„Das geht ja noch.“
„Und weshalb bist du hier?“ Das vertraute „du“ kam wie selbstverständlich über Brunos Lippen.
„Die Pumpe. Herzinfarkt.“
„Mist.“
„Na ja, ist ja noch mal gutgegangen“, meinte der Mann neben ihm leise und nickte. Dann fuhr er nachdenklich fort: „Ich war über zwei Minuten lang klinisch tot und mir wäre es viel lieber gewesen, ich wäre es geblieben. Hier hält mich nicht mehr viel.“

Bruno sah ihn erstaunt an und wusste nicht, was er erwidern sollte. Schließlich fragte er vorsichtig: „Warum das denn?“
„Das ist eine lange Geschichte“, antwortete sein Bettnachbar. „Mein Leben ist nicht ganz so verlaufen, wie ich es mir gewünscht hätte.“
„Die wenigsten Leben verlaufen wunschgerecht. Jeder hat doch mit Fußangeln und Schwierigkeiten zu kämpfen. Wir alle werden mehr oder minder vor Probleme gestellt, oder etwa nicht? Und deren Bewältigung ist ja anscheinend Sinn der Sache.“
„Da hast du sicherlich Recht, doch wenn die Probleme auf Dauer überwiegen, macht die Geschichte keinen Spaß mehr, verstehst du?“
„Das kann ich sehr gut nachempfinden“, entgegnete Bruno und nickte bestätigend. „Aber das Leben ist manchmal nicht einfach, ich weiß.“
„Meines war sicher nicht einfach. Ich habe nie etwas geschenkt bekommen und musste mir alles erarbeiten – jede Kleinigkeit erkämpfen. Irgendwann wird man es Leid.“
„Vielleicht hast du aber auch viele Chancen nicht erkannt – oder wenn doch, sie dann nicht ergriffen, könnte es so sein?“
„Man macht immer das, wovon man glaubt, es sei das Richtige. Ob es dann tatsächlich so ist, sieht man erst hinterher. Hinterher ist man immer schlauer.“
„Stimmt. Hinterher ist man immer schlauer“, wiederholte Bruno und ihm kam es fast vor, als würde er seinen Bettnachbarn schon ewig kennen. Um vom Thema abzukommen, fragte er: „Was machst du eigentlich beruflich?“
„Ich bin Zirkusclown“, antwortete der Mann und fuhr fort: „Kann es sein, dass ich dich schon mal irgendwo gesehen habe? Du kommst mir seltsam bekannt vor.“
Bruno war überrascht. „Geht mir ähnlich. Doch ich glaube nicht, dass wir uns schon begegnet sind. Ich wüsste nicht, wo.“
„Ich kann mich auch täuschen. Im Zirkus sieht man viele Leute, weißt du.“
„Ach übrigens: Ich heiße Bruno. Und du?“
„Donatello. Donatello Castiglioni.“

Kommentare


unbekannt
13:59 02.11.2010
Überraschung.

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2010-10-31 02:45