Vendetta
Als ich heute morgen von einem seltsamen Geräusch geweckt wurde , vermutete ich als erstes es sei meine Katze , die von außen an meiner Tür kratzte. Als ich aufstieg und die Türe öffnete um sie hereinzulassen , stellte ich fest ,dass es nicht die Katze gewesen war. Die Tapete unseres gesamten Flures , inklusive Treppenhaus war von den Wänden gerissen worden und lag bröckchenweise auf dem Fussboden. Auch der Fussboden bestand nur noch aus den alten Holzbrettern. Der Laminat war ebenfalls entfernt.
So in etwa sehen Spontanaktionen von Mutter aus , wenn sie will , dass endlich mal Nägeln mit Köpfen gemacht werden. Man schläft in seiner gewohnten Umgebung ein und wacht in einer Baustelle auf. Selbstverständlich haben meine Eltern noch keine Ahnung , was für eine Tapete jetzt unseren Flur zieren soll. Man kann ja trotzdem mal die alte von den Wänden reissen.

Im laufe des Nachmittags meldete sich Katharina , eine Schulfreundin bei mir , ob ich nicht Lust hätte heute mit ins Kino zu gehen. Inspiriert wurde die Verabredung von Mel , einer früheren guten Freundin , welche gerade damit beschäftigt war ihre Trennung von ihrem Freund zu verschmerzen. Ein simples Ablenkungsmanöver eigentlich.
So tuckerten Phil und ich am späten Abend also zu Katharina , von dort aus gings ins Kino. Keiner kannte eigentlich den Film in den es gehen sollte. Phil hatte tyrannisch bestimmt , dass wir uns "V wie Vendetta" ansehen sollten , konnte aber nicht sagen um was es da ginge.
Die ganze Handlung hier zu rekapitulieren wäre jetzt etwas viel. Nur so viel: dieser Film ist wirklich sehenswert.
Im Groben ging es unter anderem auch darum , wie stark es einen Menschen machen kann , wenn er ganz erfüllt ist von einer Idee. Zumindest habe ich das für mich interpretiert ^^.
Übrigens: Irgendwo im Laufe der Handlung wird der Zuschauer aufgeklärt ,dass "Vendetta" soviel wie " Rache " bedeutet.

Ich selbst möchte mich oft rächen. An meinem Ex. Immer dann , wenn mein Blutdruck in die Höhe schnellt und ich nervös werde und Herzklopfen kriege , wenn mich eine Panikattacke heimsucht. Immer dann ,wenn ich in eine Situation gerate ,die mich an ihn erinnert. Wenn ich ihn mir nur vorstelle.
Als Schluss war , hatte ich Angst ihn zu sehen , weil ich ihn noch immer fürchtete. Heute möchte ich ihm manchmal eine reinhauen. Manchmal wünschte ich , ich würde ihm begegnen und könnte mich rächen. Ich wüsste genau , was ich sagen würde.
Ich würde ihm sagen wie wertlos er ist , wie dumm er ist und wie alleine er immer sein wird. Wie lächerlich und peinlich er ist. Und wie verblendet. Wie wenig er doch weiß , wie das Leben in unserer Welt funktioniert. Wie wenig er überhaupt weiß.

An Mel habe ich heute eine andere Form von Rache erlebt. Wie ich gehört habe , hat sie mit ihrem Freund Schluss gemacht , als er ihr sagte er wisse nicht mehr , ob er sie liebe. Jetzt schlägt sie zurück , indem sie sich kopfüber ins Leben stürzt. Als ich mit ihr noch fester befreundet gewesen war , hatte ich sie immer als recht , nun ja , "tugendhaft" erlebt. Sie war fleißig , bescheiden , sie schien einfach das richtige Maß in allem halten zu können...
Und heute.....
Eigentlich vertraut Mel sich immer Katharina an. Alles ,was ich weiß habe ich heute aus ihren Gesprächen mit Katharina gehört. Und dazu musste ich nicht lauschen. Sie hat sich laut und ganz ungeniert unterhalten. Es soll ja auch jeder mitbekommen ,denke ich. Der erste Hammer war ,dass sie sturzbetrunken heimgefahren ist. Das ist ja nicht gerade etwas ,was selten vorkommt. Für Mels Begriffe hat mich das jedoch mehr oder weniger umgehauen. Hinzu kommt ,dass sie den Führerschein noch nicht gerade lange besitzt. Des weiteren hat sie sich mit den Barbie - püppchen zusammengetan , aus der 11ten. Aus mir spricht hier nicht der Neid. Dieses Mal ist das Klischee wirklich zutreffend. Diese Mädchen haben sie nach diesem Massenbesäufnis morgens angerufen um sich zu erkundigen , ob sie mit diesem oder jenem Typen rumgemacht hätten. Am Abend selbst , erzählte Mel , habe sie mit einer von denen rumgeknutscht.
Die Mädchen hätten sie den ganzen Abend Getränke holen geschickt und hätten ihr dann immer etwas angeboten und so kam dann eben das eine zum anderen....
So in etwa verlief der ganze Abend. Und da meint man doch man eilt jemandem zu Hilfe ,der seelischen Beistand benötigt.....doch weit gefehlt.
Phil und ich wussten gar nicht wo wir hinsehen und -hören sollten.Wir wollten das eigentlich gar nicht alles wissen. Nun ja.

Das ist halt ihre "Vendetta".
Das Ärgerlichste an diesem Abend war definitiv , das , dass ich nicht wie der Rest der Stufe zum Beispiel in der Disco war. Da Enrico gerade nicht online ist , gehe ich davon aus ,dass er dort ist. Die Möglichkeit ,dass er schon schlafen könnte , schließe ich aus. Aber nun gut. Ein äußerst denkwürdiger und skurriler Abend. Und die Moral von der Geschicht:

Niemand ist so hilflos wie er zu sein scheint.