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Tagebuch Die_Geisha
2006-03-16 21:44
Mein erster Abschied
Heute war ein sehr nachdenklicher Tag. Einer von diesen Tagen , an denen man das Gefühl hat , die Zeit vergehe so viel langsamer als sonst und von Stunde zu Stunde wird man schläfriger und man will sich nicht recht zwingen etwas nützliches zu tun. Heute Vormittag habe ich eine Englisch-Klausur geschrieben. Ich hatte schon vorher keine große Lust dazu , doch Englisch geht mir meistens recht leicht von der Hand. So auch heute.
Als ich dann zu Hause war wurde ich von meiner Mutter zum Einkaufen geschickt. Auf meinem Weg musste ich wie immer am Friedhof vorbei. Wir wohnen dort in der Nähe.
Heute war der Himmel sehr wolkenverhangen und unwillkürlich erinnerte ich mich an den November. Der November ist für mich immer der traurigste Monat im Jahr. Nicht wegen schlechter Erinnerungen , sondern weil er immer so trüb ist , als ob er traurig wäre und einen ganzen Monat lang weint der Himmel.
Als ich mir diesen Hintergrund mit dem Friedhof heute betrachtete wurde ich an die Zeit erinnert als wir gerade umgezogen waren. In das neue Haus. Damals hatte ich Angst vor der Nähe des Friedhofes.

Das alte Haus , indem ich die ersten acht Jahre meines Lebens verbracht habe stand in der Nähe eines Feldes mit vielen Nussbäumen. Meine Uroma wohnte damals bei uns im Haus. Sie bewohnte das untere Stockwerk und wir vier (meine Eltern , mein Bruder und ich) wohnten oben. Wir hatten nur drei Zimmer , das Badezimmer teilten wir uns mit meiner Uroma. Ich und mein Bruder teilten uns das einzige Schlafzimmer ,während meine Eltern im Wohnzimmer schliefen. Trotz der Enge kann ich mich an keine glücklichere Zeit in meinem Leben erinnern.
Damals fühlte ich mich wie eine Prinzessin. Mama hatte immer Freude daran unser kleines Zimmer hübsch zu machen. Über mein Bett hing sie Vorhänge mit Schleifen ,dass ich mich wie in einem Himmebett fühlte und meine Uroma nähte mir Kleidchen und Nachthemden mit Spitzen in Rosa und Gelb.
Mein Vater hatte in unserem Garten kleine Gemüsebeete und jeden Sommer halfen mein Bruder und ich ihm das Gemüse zu züchten. Ich habe meinem Vater damals genau angemerkt ,dass es eine Leidenschaft für ihn war.
Immer im Herbst nahm uns unsere Uroma mit aufs Feld um Nüsse zu sammeln. Es war Tradition. Wenn unsere Beutel voll waren gingen wir immer an den kleinen Bach und warfen Kieselsteine hinein. Ich habe niemals weiter geworfen wie meine Uroma.
Mein junges Leben war bestimmt von zärtlichen Traditionen , behütet und wundervoll. Doch es war abzusehen ,dass wir in dem kleinen Häuschen nicht bleiben konnten.
Als ich acht Jahre alt war zogen wir also um. In meinen Gedanken sehe ich noch immer unser altes Haus im Autofenster immer kleiner werden. Es stand etwas schief in der Straße , sodass es wirkte als wolle es uns nachschauen. Da habe ich zum ersten Mal ganz tiefen Schmerz gespürt.
Das neue Haus war ungewohnt groß. Das eigene Zimmer war mir unheimlich und ich fühlte mich alleine ohne meinen Bruder neben mir.

Heute steht unser altes Haus nicht mehr. Nachdem meine Uroma gestorben war hat es mein Großonkel abreißen lassen. Irgendjemand hat ein neues dort hingebaut. Ich habe es noch nicht einmal ansehen können. Das ist jetzt drei Jahre her. Solange ich das neue , fremde Haus nicht sehe , existiert meine Kindheit noch fort. Das Haus , die Nussbäume , die Gemüsebeete , meine Uroma...alles alles ist noch da. Ich muss nur die Augen schließen um mich wieder dort stehen zu sehen. An dem kleinen Fluss mit einem Kieselstein in meiner Hand. Er wird nie das Wasser berühren.

Kommentare


unbekannt
17:42 17.03.2006
hey...
ob ich an schicksal glaube?
vielleicht. wie definierst du schicksal?
ich mag... das wort irgendwie nicht. darin liegt ein ton von beängstigender willkür... von etwas undefinierbarem.
ich will in die zukunft vertrauen... dass alles gut wird, weißt du was ich meine? so gerne, aber es ist oft so schwer das misstrauen zu überwinden.

zu oben:
eine wunderschöne erinnerung. :)


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2006-03-16 21:44