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Thursday, 28. March 2024
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Tagebuch der_major
 1946-03-30 hh:mm
Sonnabend, 30. März (weiter)...
Sonnabend, 30. März (weiter)
Kleiner Junger Micha! Dein Kapitel ist halt zu Ende gewesen. Nicht damals am Jahresanfang. Im Notizkalender steht 1.1. Micha 2x, zu Andree. 2.1. Micha, 6.1. Sonntag Micha, Auseinandersetzung. Und in der Woche zum 12.1. quer am Rand irgendwann noch einmal Micha, noch einmal Ablehnung, Schluss! Aber so wie bisher jeder Schluss zu dem Erlebniskreis gehörte und passte, so wurde auch dieses Intermezzo in Moll ein wenig weich, ein wenig realistisch aufgelöst. Am Sonnabend den 9.II. kam Mischa, und zwar mit einem netten Kameraden. Ja, sie seien in Wittstock auf dem Flugplatz gewesen und führen wieder zurück. Dort gäbe es Kartoffeln, ich solle doch fahren und holen. Hin würde ich mit ihnen fahren und es im Zuge sehr bequem haben. Aber zurück freilich? Nun, ich dankte für die Freundlichkeit, lehnte aber ab, die Fahrt zurück bei höchstens ½ Zentner zu wagen – zu gewagt. Besonders, da beschlagnahmt wurde. M. erzählte stolz wie die Polizei einer Berlinerin (mit 4 Kindern) 1 ½ ltr wegnahm. Da haben er und sein Kamerad aber der Polizei einen Schreck eingejagt und die Frau bekam sie wieder. Hat er sich noch hinterher darüber gefreut, der Mischa. Und war dann traurig, als er ging, so unzärtlich für seine Begriffe war wohl der Abschied. Guter Junge, ich konnte dir nicht helfen; es hat mich jene Zeit sehr geschmerzt, wenn Du so hilflos und ohne Verständnis vor mir standest. Nun, nach diesem Besuch seid ihr aus Wittstock wohl nach Russie gekommen, hier zogen Truppen ab und neue zogen ein. – An jenem Tage dachte ich schon weniger an Deinen Kummer, ich beschäftigte mich mit einem mir gänzlich neuen Typ. Halt, das ist nicht wahr, er erinnerte so sehr er männlich war und rief, der gute Karl Sell(e), an „Nepomuk seelig“, den ersten „Fremden“, die erste Bekanntschaft mit „Ausgehen“. Bis zu dem 5.II. beschränkte sich jegliches Erlebnis – haben auf Bahnfahrt mir Gelegenheitsunterhaltung, wobei ich 2 kleine Russkis ein paar Mal traf / 24.I. Franzosen abends die mir Schokolade gaben, die Kleinen am 1.II zuletzt. Am 27.I. zum Jugendfest mit Tanz, wo mir Herr Stein der Bruder Tischler sehr den Hof machte, dass es Bärbel Groß ordentlich aufregte. Am 2.II. Mit Katja und Frau Fischer, Tante Anna und Käthe in Heimatbühneveranstaltung. War etwas verkorkst. Kein Herr.
Am 5.II. fuhr ich nach Potsdamm um mich mal über die Ausbildungschancen für Oberschule zu versichern. In der Bahn war es lausig kalt. In Wannsee war zu warten auf den Zug nach P. Im Wartehäuschen drängelte alles, blieb aber möglichst bei der Tür stehen, um gegebenenfalls gleich zum Zuge stürzen zu können. Ein Herr Kam und blieb dicht bei mir stehen. Über die mannigfaltige Gewandtheit deftiger Reden lächelten wir beide. Im Übrigen guckte ich höchst selten hin, aber immerhin einige Male. Er war interessant. Die Brille störte eigentlich gar nicht. Der Mund war etwa groß, vielleicht eine Idee brutal!? Wenn man genau achtete. Das Haar war wohl dunkel, vielleicht etwas grau, nun, jung war er keineswegs. Als der Zug bald kommen sollte, ging er hinaus. Schließlich auch ich, die ich ihn nicht an der Tür stehen sah. Na, so was. Also ging ich um das Häuschen herum nach der anderen Seite. Er nicht da. Doch da hatte er sich recht gut neben dem Häuschen aufgebaut. Und stieg natürlich hinter mir trotz allen Gedrängels in den Zug. Dass noch eine kleine Dame mit großem Hut dazwischen kam, ließ sich für einen Kavalier nicht ändern. Er half ihr das Gepäck ins Netz, aber sie stand nun da und rührte sich und wankte nicht, obwohl er ihr recht leger die Hand richtungweisend in die Taille legte. Ich amüsierte mich königlich, ob der Bemühungen. Er amüsierte sich köstlich, as mir der Hut immer wieder unter die Nase fuhr. So war ein Einverständnis bald hergestellt. Da der ganze Wagen von Gesprächen über und Bahnlinien schwirrte, kam endlich auch ein Gespräch zustande. Erst war es wohl die Zugluft, die ihm half, dann der Weg zum Präsidium, nach dem ich fragte. Da er auch dorthin fuhr, stiegen wir gemeinsam aus, wobei er ein wenig zu „einverständnisvoll“ war, da er meinte, er müsse mich festhalten, damit ich nicht fortrenne. Ich monierte es ein wenig, dass er netter gesagt hätte: dass ich nicht falle, denn die Stufen waren recht unbequem. Er gab etwas an. Als Ingenieur war er in USA, in Russland und Frankreich gewesen. Jetzt malte er „Kunst“, d.h. so etwas kritisch möchte ich mich doch ausdrücken, da er zugab, von Karten auch zu malen. Dabei vermisse ich den zündenden Funken des zur Kunst Berufenen, sehe nur Technik. Außerdem hatte er eine Nahrungsmittelverteilungsstelle geleitet bis vor kurzem, kaufte jetzt für sein Geschäft mal in Sachsen, usw. bzw. ließ kaufen. War LD-Parteiler. Und ich fand, er machte doch den Eindruck eines, der sich durch seine Gewitztheit und Talente mit Erfolg um reelle Arbeit herumschiffte, ohne sich geradezu zu drücken. Er schien mit geistvoll und ein Weltmann zu sein. Wir gingen in ein Café, da wir ja bis zum Rückzug warten mussten (um 5 Uhr), wir bummelten durch die Gegend, wobei er in einem Kramgeschäft Gemälde, Leuchter, usw., Zigaretten erstand, was mir ebenso wie die markenlosen Schnitten in der Konditorei imponierte, allerdings bewusst und gut seziert imponierte. Dass er von Heiraten in eleganten Wendungen sprach, war mir aber dank Nepomuk dem I. keine Garantie für Echtheit der plötzlichen Gefühle. Im Ganzen war es ein leicht beschwingt vertändelter Nachmittag und Karl gefiel mir, ohne meiner Kritik an ihm Abbruch zu tun. In einer Woche im Café Wien am Kurfürstendamm. Um 3 Uhr. Natürlich und trotz der 2 ½ Std. Weg kam ich zu spät. Er stand draußen und fror. Ich trotz des weißen Kopftuchs auch, denn der Wind pfiff gemein. Was tun, spricht Zeus? Er hatte keine Karten für was. Jetzt war das Kino überall ausverkauft. In den „Engel mit dem Saitenspiel“ wollte ich nicht – noch einmal. Schon um ihm das Programm nicht so einfach zu machen. Wäre er derjenige, welcher gewesen, wie egal wäre mir das Programm des Kinos und des Nachmittages. So liefen wir etwas verloren herum, nachdem wir im Café Wien einen lauwarmen und alkoholfreien Punsch „genossen“. In einem Tageskino gab es minder interessante Filmberichtstreifen. Es war dennoch recht interessant, und nach Beendigung des Stundenprogramms gingen wir. Er wäre gerne in ein anderes Kino gegangen, was bald anfing mit nettem Film. Aber ich hatte keine Lust dazu, nachdem es vorher schon so „interessant“ geworden war. Das wäre ja doch noch eine Zustimmung. Also ich wollte tanzen gehen. Nun, er wisse hier herum nichts Ordentliches. Aber wir gingen halt ins Café Wien. Ich habe mich wieder amüsiert über das Tanzen. Wie auf der knopfgroßen Tanzfläche das gesamte „Kaffeehausinventar“ Platz fand ist mir unbegreiflich. Dabei war das Gedränge der Körper weder elegant, noch ästhetisch. Also setzten wir uns kopfschüttelnd, er wohl etwas befriedigt, dass ich doch nicht solch Vergnügen am Tanzen hatte. Abends begleitete er mich bis Stettiner Bhf. Da ich den 8-Uhrzug um wenige Minuten verpasste, er aber um 9 bei seiner Schwester in Habensee sein musste ohne Schlüssel oder Haustürglocke, da war es nicht so sehr harmonisch – Es erinnerte ein wenig wieder an den vielzitierten „Nepomuk“. Und solch Herumgezergele kühlte jegliche Bewunderung in erheblichem Maße bei mir. Wenn schon Schieber, dann einen großartigen! – Er musste nach Frankfurt/O., wovon er schon vorher sprach, verreisen. Auf 14 Tage. Nun, mit 2xigem schwarzen Grenzübertritt 14 Tage zu rechnen. Und dann soll ich auf Briefe von ihm auch noch antworten, da hakte ich ein. Auch das öftere Gerede vom späteren Heiraten wischte ich ihm bereits vorher unter die Nase. Ob er sich durchschaut fühlte? – Jedenfalls war das der passende Schluss für ihn. Viel Gerede und verbindlich – unverbindliche Sätze zum Abschied. Tschüß!
Anders und äußerlich doch ähnlich war die Geschichte mit Stephan (dem ich meine Sympathie bewahrt habe). Am 2.3.46 fuhr ich nach Friedenau um Marken taxieren zu lassen. Auf dem Heimweg, ich hatte den Kunstbau von Hut auf – plänkelten ein paar Franzosen mit mir. Da einer mit nach Friendenau fuhr, verabredeten wir einen Kinobesuch für Dienstag. Weil es sich grad so ergab! So was soll man nie tun. Auf dem Heimweg fuhr ich über Halensee. Dort stiegen 2 Franzosen mit ein, einer setzte sich mir gegenüber, schräg allerdings als Platz wurde. Mir fiel auf, mir gefiel sein Profil. Ich kann es schlecht beschreiben. Vielleicht ist durchgeistigt zu sehr mit abgeklärt verbunden, um es so zu nennen. Aber geistvoll und unternehmungslustig, etwas künstlerisch, also gebrauchen wir das schlimme Wort „individuell und intellektuell“, jedenfalls absoluter Überdurchschnitt, im Typ wieder so ein schmaler scharfer, ohne hart oder gar kantig zu sein, natürlich auch kein westlicher Filmheld. Ich hielt ihn für Nordfranzosen, weil er an kultivierte Engländer bzw. meine Vorstellung davon erinnerte, bzw. an deutsche Seefahrer-Marine-Typen, und war recht erstaunt, als er mit seinem Kameraden Französisch sprach. Als sich zwei Bengels die Mohrrübe einhauen oder dergleichen wollten, musste er lachen. Seine Nachbarin lachte mit. Also gut, ich nicht. Zwar hatte er sich beim Einnehmen des Platzes überflüssigerweise bei mir entschuldigt. Aber nun, meinte er mich oder die Nachbarin. Sie war geschminkt, aber recht gut, älter als ich; aber er war entschieden auch älter, also – ich begann, mich zu bekümmern. Auffordern wollte ich natürlich nicht. Also interessierte ich mich nun lediglich für das Waggoninnere. Die Fensterseite war Luft! Gesund brummen! Die Franzosen stiegen aus, ich stieg aus. Treppe zum O’burger Bahnsteig. Ich verließ den Tunnel, da kamen sie gerade entgegen. Es regnete und also hätte ich umdrehen und auch wieder in den Regenschutz flüchten sollen. Aber so hinter denen her? Ihwo, ging nicht. Also fror ich auf dem Bahnsteig ein wenig. Es regnete doch ganz schön. Ich holte den Knirps hervor. Gutes Ding, das. Aber mit ihm als Motivierung in der Hand zog ich doch eine Flucht in die Unterwelt vor. Da war der Menschenhaufen recht angewachsen. Wo? Ach, da hinten standen die zwei. „Bernau“ hinterher kommt Oranienburg. Die zwei gingen vor. Nun, ich warte. Jetzt ist der Bernanier draußen, also geruhe ich zu erscheinen, da patrouillieren die beiden mir entgegen. Sofort natürlich an meinen Stammplatz, vordere zweiter. Als der Zug einfährt, stehen die zwei hinter mir. Ich steige in den überfüllten Zug, erwische eine Wand an der Tür als Rückendeckung. Neben mir behindert eine Dame mit Netz die Einsteigenden. Da kommt der Franzose. Sterne hat er nicht, offenbar Unteroffizier, eigentlich komisch. „So trifft man sich wieder“ lächelt er. Ich nicke zustimmend lächelnd, ohne mich weiter um ihn zu bekümmern. Seine Hand hält die Messingstange der Holzwand. In den folgenden Stationen werde ich geradezu an ihn gedrängt. Er tritt höflich zurück, so dass ich halb in seinem Arm bin, ohne diesen zu berühren. Es war eine merkwürdige Atmosphäre um diesen schweigenden Auftakt. Als ein paar Franzosen hereinkommen, lebhaft und sich rücksichtslos an einen anlehnend im Gespräch mit den Kameraden, nimmt er den Arm fort, gibt den Weg weiter in den Wagengang frei, der in dieser Station sich etwas geleert hatte. Ich danke, und er fasst den Griff sich zu mir wendend mit der anderen Hand. Neben mir sitzen 4 Franzosen vom Morgen. Ich sehe es mir mit einem Blick aus den Augenwinkeln, eine Begrüßung könnte mir so fehlen. Das Gespräch beginnt mit der Feststellung, dass Berlin ein Dorf sei. Man träfe im Halensee jemanden und dann stiege dieser auch im Norden in den Zug, usw. oder ähnlich. Nicht sinngemäß geistreich, aber Sprache und Stimme sind anziehend wie der ganze Mensch. Als im Hermsdorf die 4 aussteigen, setzen wir uns. Auf dem toten Gleis war etwas Gelegenheit zu kleiner Philosophie. Dann bittet er höflich, gleichsam diese Tatsache um Verzeihung zu unterbreitend, um ein Wiedersehen. Nun, am Sonnabend ginge es. Etwas zögernd willige ich ein. – Am Dienstag – hingehen muss ich, Verabredung ist Verabredung – komme ich ca. 20 Min. zu spät, laufe einmal um den Bahnhofsvorplatz, sollte der dahinten der Franzose sein? Nichts als in den Bahnhof, Karte gelöst, hoffentlich kommt ein Zug bald. Auf dem Weg zu Ilse’s Tante in Frohenau (der Aushilfsplan, falls er nicht da ist) ärgere ich mich doch. Eigentlich könnte der Luftikus den Zug abgewartet haben. Aber da das Kino um 5h anfängt, muss er stattdessen dorthin eilen. „Na gut!“ denke ich mit Kinderschreck. Ach ja, alle Dummheiten nützen doch recht wenig. So ist es, wenn ich etwas will, jemanden vergessen – jemanden nicht lieben, an jemanden nur distanziert und freundlich denken – Der andere? Er ist eine Persönlichkeit. Und er zieht mich an, ganz merkwürdig, alles an mir, nur nicht das [russisch]. Das hängte immer noch irgendwo, im Iran! Auf den Sonnabend freue ich mich. Er kommt später als ich, denn ich musste ja den früheren Zug nehmen. Hier will ich die 20 Min. nicht riskieren. Als ich mich in den Tagesspiegel vertiefe, nachdem ich den Herren neben mir in dem ungenießbaren Kraut eingereiht hatte, was er erst nachher einsah, da stand er vor mir. Nett, höflich wie in meinen Gedanken; sehr besorgt, dass er zu spät sei. Wir gehen durch den Schnee! Nach einiger Zeit frage ich wohin? Da erklärt er mir, dass Kaffees nichts seien hier, usw., kurz, in sein Quartier. Ich sage nichts, bin gespannt. Wir politisieren über alles Mögliche, auch bei Konfitür’, Tee und Butter mit Toast. Nachher will er zwar doch zärtlich werden, aber da ich nicht ganz darauf eingehe, lässt er es. Abends muss er fort, wie auch am nächsten Tag. Dennoch verabreden wir uns zu diesem. Er wird, der Sonntag, der 10. März 1946, sehr nett. Einiges stört mich doch, macht mich nachdenklich. Und in den 14 Tagen, bis zum nächsten Treffen überlege ich hin und her. Soll ich abschreiben? Soll ich mündlich absagen, oder will ich kommen? Ich freue mich auf Sonntag! Die „Stanzen“ entstehen aus der Auseinandersetzung. Und am 20.3. kommt ein Telegramm „Nächsten Sonntag unmöglich, muss diese Tage verreisen, bedauere, Brief folgt – Stephan.“ (Briefe folgte bisher nicht, und ich habe ihn kaum wirklich erwartet. Hier sehe ich ein, dass es besser so ist, ehe ich mich innerlich fest an ihn gebunden hätte. Und wenn überhaupt, so wäre ihm das wohl gelungen. Allerdings, je mehr ich überhaupt an einen Mann denke, umso sehnsüchtiger wünschte ich mir den einen an seine Stelle. Bin ich dumm – und doch noch immer darum etwas glücklich. Nie werde ich die Sommerzeit vergessen! Als ich das Telegramm erhielt, war Bärbel Groß gerade da. „Ein Franzose? Mensch hast Du ein Schwein!“ „Nun, mal sehen!“ Das wären die Herren der Schöpfung, bei mir ja Thema eins zwei drei und dann kommt eine Weile gar nichts. Im Übrigen war ich wegen der großen Not um Heizung und Kartoffeln am 31.12. beim Kommandanten, am 2.I. beim Bürgermeister und Sozialamt. Tobski gestattete Essen holen, sonst nichts (10 Kartoffeln noch). Also am 4. noch mal zum Kommandanten persönlich durch einen hilfsbereiten, aber auch sonst bereichten Rußki, dem ich evtl. meine Adresse und Dann schließlich einen [russisch] gab. Der Dolmetscher war schauerlich und schwankte. Als mir so ein richtiger Kloß in der Kehle lag, raffte ich meinen Mit und die Wut zusammen und legte auf Russisch los. Da nahm sich der Starsche-Leutnant meiner liebevoll an. Oben Audienz. Morgen noch einmal um 12 Uhr. Da war der Bürgermeister, zu dem mich Frl. Augath nicht vorließ, gerade vorher [?] kam raus, auf mich zu und erklärte, dass er die Sache selbstverständlich regeln würde. Also bekam ich den Schein wieder und ging mit. 2 tr Kohlen, ½ tr Kartoffeln. Es langte gerade nun bis zum nächsten [russisch] zu überbrücken. Bis heute haben wir ca. 10 Tage lang gar keine Kartoffeln gehabt, aber bald ist es wieder so weit. Mit Holz ist es ähnlich. Von heute auf morgen wird geholfen, aber wenn es nur immer so geht. Dennoch schwillt Mutti im Gesicht (1. Zeichen des Verhungerns) und Papi hat nur noch Haut und Knochen an den Beinen und kann nicht ohne Hilfe zum Klo. Als Gertrud mich einlud, es käme ihr Freund mit einem anderen, sehr netten, fand er, ich könne ihn mir mal ansehen. Heute finde ich, man soll nie mit Steinen werfen und bin froh, dass ich es – ehrlich – auch nicht bislang getan habe. Aber die Einladung war zu vorgestern. Doch da, sowie gestern, hatten sie dann doch Dienst. Nun bin ich ja neugierig, ob sie mir heute Bescheid geben, wie sie es wollen. Wahrhaftig, ich würde gern einmal wieder etwas Remmi-Demmi haben. Aber den Burschen, so viel gelobt er auch ist, muss ich mir gut ansehen. Man soll nie etwas tun, weil es sich gerade so ergibt! Das habe ich nicht nur (siehe oben) einmal gemerkt! Ein winziges Remmi-Demmi habe ich ja in der Schule, die mir mit der Zeit Freude macht. Das Kollegium ist ausgesprochen nett. Besonders natürlich Dr. Kr., Herrn Leudert, Baron v. B. und auch Frau Dr. Schnappauf. Oft ziehen sie mich auf, weil ich nach Berlin fahre, Herr L. findet es „zu niedlich“, wenn er eine schwache Stelle bei mir entdeckt, das Protokollführen nämlich, und Herr Baron fragt, ob ich mir schon überlegt hätte, wann wir zwei heiraten wollten. Bei jeder Gelegenheit meint er, ich brauche doch jemanden, sei es, um des Bleistiftes oder des Radiergummis oder der Ferientaten willen. Vielleicht plänkele ich ein wenig zurück. Bei „Väterchen“ ist das gestattet. Und Vergnügen macht es des Öfteren allen. So fühle ich mich ein wenig als Nesthäkchen, und nicht in der Atmosphäre der gestrengen Respektierlichkeit.
Den Verpflichtungsschein habe ich abgegeben. Mit dem Studium ist es noch unklar. Das Stipendiumsformular kann ich allenfalls für das nächste Semester schicken. Auch ist es vielleicht doch möglich, dass Papi in Kürze als OdF anerkannt wird. Als nur Tonski von meinen Bestimmungen sprach, war er sehr freundlich und duzte mich konsequent. Das war komisch, aber doch erbaulich. Das Essen haben wir noch täglich für eine Person. Davon haben wir gute Abendsuppe zu dritt.
Hierher gehören Anton Antonowiz mit seinen kleineren weiße-Hlandschuh-Leutnant / bei Reineckers wohnhaft.
Ferner der Geldklauer, der arme Enttäuschte, mit der blauen Szene mit Wolf.
Dann der Anfang, Tanzstunde zu nehmen.
Die politische Aktivität und gleichzeitig die Freundschaft mit Polster-Erich, der ja in der Beziehung der geeigneteste Schwungbringer ist, da er Idealismus zu haben scheint. Dass mein Gedicht ein Wort – Genosse – auf der Arbeitsbezirkstagung von Ruf rezitiert wurde. Dass ich als Nr. 39 (von 40 bei 32 Sitzen) auf der Stadtverordnetenwahlenliste stehe (auch eine Genossin, die ebenso gut vorn stehen könnte).
Und dass mich solche Sehnsucht noch immer befällt wie eine Krankheit.
Auch die Kartoffeltour nach der „Ruhr“ nach Zectske mit Gigi ist erzä

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der_major Offline

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