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Tagebuch CharlieB
2007-05-10 19:25
Sehnsucht...
Auch wenn ich nicht in die Zukunft schauen kann, habe ich manchmal mehr als nur das Gefühl, dass ich heute in einer „Vorzeit“ lebe. Ich bin verheiratet, habe ein Häuschen mit Garten... all das ist nicht selbstverständlich. Schon gar nicht für mich. Hätte mir das jemand damals erzählt, als ich so um die 15 Jahre war, denn hätte ich mit aller größter Wahrscheinlichkeit für verrückt erklärt. Zu Unvorstellbar war dieser Gedanke! Und trotzdem bewegte ich mich, getrieben von einem unerklärlichen Wunsch, in diese Richtung.

Dasselbe empfinde ich jetzt. Diesmal allerdings heißt der Wunsch diesmal: Familie. Oder war er das von vornherein, und mein Bestreben, dorthin zu gelangen, ging eben über die o. g. Voraussetzungen? Natürlich, ist ja trivial.

Was treibt mich dazu? Muß ich das denn? Muß ich mein Leben so radikal ändern? Nichts zwingt mich dazu. Oder vielleicht doch? Ich ertappe mich immer öfters dabei, wie ich junge Familien hinterher schaue. Sobald ich die Möglichkeit habe (meine Neffen oder die Kinder von Freunden), zieht es mich in die Welt der Kinder. Ich vergesse alles um mich herum, sehe nicht die amüsierten Blicke meiner erwachsenen Mitmenschen, die mich lächelnd beobachten, wie ich mit den Kindern herum tolle, oder ihnen Geschichten vorlese, ihnen Fragen über die Welt beantworte.

Oft bin ich alleine Zuhause. Zuhause? Ein leeres Haus, bar jedes Geräusches. Draußen spielt der Wind mit den Ästen der Bäume. Als Kind habe ich dieses Spiel stundenlang fasziniert zugeschaut. Beobachtete die Wolken, die sich ein Wettrennen im Himmel ausfochten. Flüchtete mich in den Heldengeschichten meiner Jugendhelden, träumte von fernen Ländern, versuchte mir die Unendlichkeit des Universums vorzustellen.

Doch all das spielte sich in einem Rahmen ab. Das erkenne ich erst jetzt, in dieser Zeit. Ich war umgeben von einer Welt der familiären Geborgenheit, ohne es damals bewußt zu sein. Bei all meiner Erinnerungen von damals, hallen immer Geräusche mit. Geräusche von Leben, von lieben Mitmenschen, meiner Familie, die nur eine Tür weiter waren. Meine Eltern, die sich unten im Wohnzimmer aufhielten, meine Brüder, die in ihren Zimmern nebenan waren. Diese Erinnerungen sind es vielleicht, die unbewußt mich prägten. Natürlich auch meine Sehnsüchte und Wünsche von damals.

Jetzt stehe ich in einem ruhigen Haus, nur das Pfeifen des Windes ist zu hören, wie er polternd Einlaß begehrt. Ich drehe mich um. Nein, da ist kein leises Tapsen von kleinen nackten Füßen zu hören, kein Kindergelächter zu hören.
Es wird dunkel draußen, ich starre aus dem Fenster. Nichts hat sich verändert. Die Wolken jagen weiterhin übers Firmament, der Wind hat es immer noch nicht geschafft, die Äste der Bäume auf dem Boden zu drücken.

Manchmal wünschte ich, ich könnte zurück... zurück ins hell erleuchtete Haus meiner Kindheit. Meine Wangen noch rot vom kalten Wind und außer Atem vom Fahrradfahren, meine Mutter, die zu mir aus der Küche sagt, ich soll die Hände waschen, gleich gebe es Abendbrot. Ich höre, wie mein Vater mit meinem Bruder im Wohnzimmer redet, während ich die schwere Tüte mit ausgeliehenen Büchern in mein Zimmer schleppe um dort in meine Ruheinsel zu kommen...

Meine Frau schließt die Tür auf, die Ruhe flüchtet. Vertraute Geräusche, ihre Stimme. Ich nehme sie im Arm, drücke sie. Wir beide sind allein...

...noch...

Kommentare

16:56 16.05.2007
@ Nita & LOF: Ich glaube auch, dass man versucht, seine eigene (positive) Kindheit weiter zu geben. Und dass man dadurch seine eigene Kindheit quasi zum zweiten Mal durchlebt? Muß ich mal schauen...
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07:36 16.05.2007
Nita... Na Charlie, dann hattest du sicher eine schöne Kindheit, ich bin jedenfalls froh, dass ich schon "groß" bin und werde versuchen, meinem Kind die Kindheit zu bieten, nach der du Sehnsucht hast.
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unbekannt
17:52 13.05.2007
Sei froh, dass du verheiratet bist, sonst würd ich dich klauen! So wunderschön geschrieben...du bist ein Entführer in andere Welten, allein mit der Macht deiner Worte...*schwärm*...und ich denke, dass die Menschen schon das nachleben möchten, was ihnen in ihrer Kindheit an positiven erlebnissen mitgegeben wurde...denn vielleicht kommt dadurch auch ein Stück der eigenen Kindheit zurück...

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16:41 12.05.2007
Danke Claudius. Es ist wirklich merkwürdig, was in letzter Zeit so an Gefühle in mir sind...
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unbekannt
10:06 11.05.2007
Schöner Text ....... für/von einem Zustand familiärer Idylle, der uns Normalmenschen so erstrebenswert erscheint ...... und es auch ist, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann!
Dir und einer wachsenden Familie
GLG


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2007-05-10 19:25