Einschulung
Jetzt ist es schon wieder über eine Woche her. Mein kleiner Neffe M. wurde eingeschult. Ich kann mich an meiner noch recht gut erinnern. Getragen habe ich eine braune kurze Hose, Sandalen und weiße Kniestrümpfe. Dazu eine übergroße Schultüte. Dieses Outfit wurde auch von irgend jemand fotografisch festgehalten. Der Tag war recht heiß, die Sonne brannte nur so hernieder. Mein Cousin wurde mit mir zeitgleich eingeschult. Meine Erinnerung geht noch bis dahin, wo die Lehrerin damals die Eltern aufforderte, die Klasse kurz zu verlassen und draußen zu warten. Ich sah noch, wie die Tür von der Lehrerin geschlossen wurde, beobachtete ihren Weg durch die Mitte der Stuhlreihen nach vorne zur Tafel, wo sie dort angekommen ihre Hände aneinander legte, lächelte und ein freundliches „So“ oder „Hallo“ ausstieß.

Knapp 33 Jahre später stehe ich wiederum auf einem Schulhof. Doch diesmal war ich der Fotograf. In meiner Familie bin ich sozusagen der „Haus- und Hof-Fotograf“, da ich in meiner knappen Freizeit der Schwarz-Weiß-Fotografie verschrieben habe. Ich mußte diesmal aber versprechen, auch Farbfotos zu machen. Nach dem obligatorischen Besuch in der Kirche (wovon ich überhaupt nichts halte) standen wir nun alle auf dem Schulhof herum und schauten zu, was die Zweitklässler den Neuen diversen Ständchen brachten. Danach wurden die Schülerinnen und Schüler in die jeweiligen Klassen gebeten. Wenn ich fotografiere, kenne ich ja nichts. Eingekeilt zwischen den Zwergen begab ich mich ebenfalls zu den Klassenräumen. Wie ich mit einem Blick über die Schulter feststellen konnte, war ich der einzige Erwachsene, der das tat. Sei es drum, ich finde, sowas muß festgehalten werden. Im Nu war ich in der Klasse, mein Neffe suchte sich ein Platz aus und schaute interessiert durch die Gegend. Der Lehrerin an der Tür schenkte ich mein freundlichstes Lächeln und meinte: „Ups, da komme ich doch 33 Jahre zu spät.“ Sprachs und ging ins Zimmer. Dort fotografierte ich, was das Zeug hielt. Mein Neffe war recht cool. Interessiert schaute er hier und da und sprach mit einigen Kindern. Plötzlich hörte ich eine Stimme über mir (ich war in der Hocke): „So, nun mußt du aber raus.“ Ich schaute auf, sah das freundliche Lächeln der Lehrerin und fühlte mich ertappt. Alle Kinder schauten mich an. „Na klar“, räusperte ich, stand auf und ging zur Tür. Dort drehte ich mich nochmal um, streckte den Daumen in die Höhe und wünschte allen noch viel Spaß.

Der Rest ist schnell erzählt. Irgendwann kamen die Kinder wieder raus, stellten sich zum Gruppenfoto zusammen und gingen dann mit ihren Eltern nebst Verwandten wieder nach Hause.

Mein Bruder schaute mich auf dem Weg zurück an, lächelte und meinte: „Weißt du, was gut ist? Nächstes Jahr ist der Zweite dran, zwei Jahre später die Zwillinge. Dann habe ich es hinter mir, und fängst du erst an.“

Komisch, den Gedanken finde ich gar nicht mehr so erschreckend...