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Tagebuch cbrost
2005-08-02 15:48
Queen Mary 2.3
Ich habe ja vorhin aus einem lustigen Text zitiert. Der steht nun auch online und ich möchte ihn hier dokumentieren. Gesendet gestern bei NDR Info in der Rubrik "Auf ein Wort". Freundliche Genehmigung vorrausgesetzt. Wenn nicht, lösch ich ihn.

Irre. Ein Schiff. Ich fass es nicht! Der helle Wahnsinn. Und es schwimmt auch noch! Kaum zu glauben - es schwimmt!

Man könnte wirklich meinen, die Norddeutschen hätten noch nie ein Schiff gesehen, so wie sie jetzt beim Kurzbesuch der Queen Mary Tuu verrückt spielen. Als ob sonst immer nur Kanus, Einbäume und Flöße in den Hamburger Hafen einliefen. Und jetzt kommt plötzlich ein wahrhaftiges Schiff vorbei, nachdem die armen Hanseaten seit dem ersten Hafengeburtstag 816 Jahre darauf gewartet haben.
Was sollen denn die Leute denken, also die Passagiere? Da fahren sie hierher, um sich mal Hamburg anzugucken, das sich immerhin Tor zur Welt schimpft, und da steht der ganze Norden glubschäugig und staunend am Kai, um sie zu begrüßen - die kriegen doch Angst! Oder denken, die Menschen hier leben am Ende der Welt. Beim nächsten Mal bringen sie Glasperlen mit, um wie mit Eingeborenen Tauschhandel zu betreiben.

Okay, okay, es ist vielleicht das größte Passagierschiff der Welt - aber, Entschuldigung: Schön ist es ja nicht. So ne Art Neue-Heimat-Ästhetik, wie ein Hochhaus aufm Wasser. Da muss man nicht heulen, außer vor Kummer. Das wäre mal ein interessantes naturwissenschaftliches Forschungsprojekt: Zu untersuchen, welche chemischen Prozesse da wohl ablaufen in den Gehirnen der Menschen, dass sie anfangen zu weinen beim Anblick dieses Pottes. Ja! Da stehen tränenüberströmte Leute am Elbufer! Andere dichten geradezu, wenn sie bei der Einfahrt berichten, dass die Schlepper um das Schiff herumfahren wie die Motten ums Licht! Ach was, wie die Planeten um die Sonne. Da kann man der ollen Schaluppe, diesem Mittelpunkt des Universums, schon mal nen ganzen Tag widmen, von vier Uhr nachts bis Mitternacht Queen Mary Two-Day. JA, bitte beachten Sie die Aussprache: Queen Mary Tuu. Nicht zwei, sondern tuu. Vielleicht musste sie ja darum zu nachtschlafender Zeit TUUUten wie verrückt? Ab halb vier werden die Menschen entlang der Elbe erbarmungslos aus dem Schlaf gerissen, damit auch ja jeder mitkriegt, dass der Pott da ist.

Hat man ja vorher nix von gemerkt - bis auf die paar Berichte in Zeitungen, Radio, Fernsehen, bis auf die winzigen Plakate und vor allem Menschenmassen sogar aus Süddeutschland und aller Welt, die seit Tagen hierher gekarrt werden - um sich ein Schiff anzuschauen! Ein Schiff! Ich fass es nicht! Aber das hatten wir schon.

Sie tutet aber nicht nur, wenn sie ankommt, nein, mit Sicherheit auch, wenn sie um Mitternacht wieder abdampft - damit die Leute, die ihren Schlaf von heute früh nachholen wollen, auch darum gebracht werden. Aber wahrscheinlich können sie eh nicht schlummern, weil sie noch viel zu aggressiv und testosterongeladen sind, denn stundenlang standen sie im Stau, weil alles umgeleitet wird und gesperrt wird und trotzdem alle, alle unbedingt zum Liegeplatz des Dampfers wollen, um einmal, einmal einen Blick zu erhaschen.

Die Hanseaten sind wahrscheinlich so glücklich über die Ankunft der Königin Maria, weil sie sich heimlich, still und leise immer nach einem Regenten oder eben einer Regentin gesehnt haben. Jetzt können die Freien Hansestädter endlich mal ihr Knie beugen vor der Majestät. Oder sie leben ihren unterdrückten Katholizismus aus und jubeln ein "Gegrüßet seist du, Maria" nach dem anderen vor sich hin. Wozu sonst die Begrüßungsarie? Bald singt Heidi Kabel dann nicht mehr: In Hamburg sagt man Tschüs. Sondern Ave Maria.
Himmel hilf.

Lena Bodewein

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