Bahnhass
Seit ich eine Fernbeziehung führe, entwickele auch ich einen gewissen Hass auf die Bahn. Es ist ja so, dass ich eh lieber mit dem Auto fahre, weil es schneller, günstiger (man muss nur richtig rechnen), leiser (keine blökenden Schwaben im ICD nach Aschaffenburg) und besser riechend ist. Außerdem wird der Fraß, den man bei Tank & Rast vorgesetzt bekommen, von Mitropa deutlich unterboten.

An dieser Stelle noch mal meine alte Theorie, dass unter Mitropa-Mitarbeitern der Prozentsatz der Kinderschänder höher ist als unter der Gesamtbevölkerung. Jedenfalls riechen die so. Außerdem sehen ungewaschene Uniformen scheiße aus. Aber das nur am Rande.

Gestern trug sich nun folgendes zu: Einstieg in den ICE Richtung Hannover am Hamburger Hauptbahnhof um 18.20. Leichte Irritation, weil der Fahrer beim Einlaufen telefonierte (schöner Satz, „Der Fahrer telefonierte beim Einlaufen ...“ aber sinnvoll). Planmäßige Abfahrt um 18.24. Durchsage um 18.30: „Leider verzögert sich die Abfahrt um einige Minuten, weil wir über Verden umgeleitet werden und der Fahrer noch neue Instruktionen braucht“. Durchsage 18.40: „Leider verzögert sich die Abfahrt um einige weitere Minuten, weil wir wohl doch nicht umgeleitet werden, der Fahrer aber noch einige Instruktionen braucht“. An dieser Stelle frage ich mich, ob er angesichts der Instruktionen für den Umweg den ursprünglich geplanten schon wieder vergessen hat ...

Durchsage 18.50: „Die Abfahrt verschiebt sich um einige weitere Minuten. Es liegt ein Personenschaden im Bahnhof von Lübeck vor. Das bedeutet, dass sich jemand vors Gleis geworfen hat. Daher werden wir – und auch viele andere Züge – über Verden umgeleitet“. Ich finde es ja nett, dass die dazusagen, warum der Zug umgeleitet wird. Aber wie wirft man sich VOR ein Gleis?

19.00 Uhr: Ich habe mein erstes Hefeweizen getrunken, wir stehen immer noch im Hamburger Hauptbahnhof. Ankunft in Hannover wäre planmäßig um 19.36 Uhr. Außer mir im Bistro: Die Kellnerin, die weder deutsch noch wechseln kann. Drei dicke Franzosen, die auch kein deutsch können und irgendwo einen Nachtzug nach Paris erreichen müssen. Ein junger Mann, der ununterbrochen in ein Notebook tippt (ohne Vorlage, schreibt er einen Roman?) und dabei ununterbrochen telefoniert. Er teilt mindestens dreißig Menschen mit, dass er später kommt – allerdings habe man sein Hotel bereits umgebucht. Die Tatsache, dass, während er mit einem der dreißig Leute telefoniert, andere anrufen und ihm auf die Mailbox sprechen, überfordert ihn.

19.10 Uhr: Wir fahren los. 19.50 Uhr: Ich habe das zweite Hefeweizen getrunken und der Kellnerin, die ja eh nicht wechseln konnte, auch noch eine FAZ abgekauft. Wir halten, draußen ist es stockdunkel. Durchsage: „Bedauerlicherweise wird unsere Weiterfahrt nun von einem Böschungsbrand blockiert“. Ich erwarte eine Flut oder das Ende der Gleise als nächstes überraschendes Hindernis.

20 Uhr: Wir fahren wieder. Der Schaffner möchte meine Karte sehen, ich eruiere angesichts 55 Minuten Verspätung die Möglichkeit, den einen oder anderen Euro meiner Fahrtkosten wiederzubekommen. Er lacht und sagt: „Sie bekommen ab 60 Minuten zehn Prozent, also in diesem Fall 1,72 Euro. Dann müssen Sie aber erstmal ein Formular holen und ausfüllen“. Ich: „Also meinen Sie, das Geld kann ich in der Zeit auch verdienen?“ – Er: „Ja“. Laut www.probahn.de verhält es sich zwar anders als der Herr sagte, aber er war nett.

Die Fahrt endet in Hannover mit der Ansage, das man nicht wisse, ob irgendjemand einen Anschlusszug erreicht – auch die auf Nachtzüge gebuchten Passagiere nicht. Dann noch der freundliche Hinweis: „Wir haben soeben erfahren, dass Sie am Bahnsteig von unserem mobilen Serviceteam in Empfang genommen werden“. Was sollen die machen? Die Zeit zurückdrehen? War aber eh keiner zu sehen.

Abschließend finde ich, dass man wegen Selbstmördern keine Zugstrecken sperren, sondern einfach noch mal drüberfahren sollte.