Vielleicht sollte ich mir ein neues Lebensmotto zulegen. Es passt so herrlich zu dem, was ich in den letztens Wochen erlebt habe: Am Ende kommt es doch immer anders als man denkt.

Ja, der Eintrag von gestern und besonders das, was ich nicht aussprach, ausschrieb, ging mir immer noch durch den Kopf heute Nachmittag. Aber es war mehr etwas anderes.

Seit Tagen, ja schon Wochen mittlerweile, töne ich ja immer wieder, dass ich Ablenkung brauche und Input und neue Menschen kennen lernen will. Theorie und Praxis und mit der Praxis war es ja doch eher etwas mau.

Aber heute….war ich verabredet. Daher die Nervosität und das Zappeln. Die Tränen, die sich Bahn brechen wollten, rührten daher, dass ich mich wieder daran erinnerte, warum ich diese Verabredung getroffen habe, warum ich mich eigentlich ablenken muss…

Der Abend heute klang so viel versprechend. Aber vielleicht hatte ich es schon vorher im Gefühl. Ich wollte nirgends Großankündigungen machen, denn man weiß ja nie, was ist und ob nicht jemand doch noch in letzter Minute absagt oder gar nicht auftaucht oder so.

Jedenfalls…war ich heute mit einer lesbischen Transsexuellen/Transfrau verabredet.

Puff. Klang total spannend, so richtig nach Yay-Input. Klang nach einem interessanten Abend mit einem interessanten Menschen voller interessanter Gespräche.

Ich meine, mir ging es wirklich nur darum, einen neuen Menschen kennen zu lernen, der sich interessant anhörte. Mein Herz ist momentan noch irgendwo zwischen Off-Modus und okkupiert, wohl tendenziell mehr von letzterem als ersterem, und ich rechnete, zu mindestens bei dieser Verabredung, nicht damit, von dem Menschen so aus den Latschen gehauen zu werden, dass ich Sternchen sehend  und Liedchen trällernd den Heimweg antreten würde.

So kam es ja dann auch.

Dass sie nicht mein Typ sein würde, war klar. Sie erinnerte mich an jemanden, den ich mal kennen lernte und jemanden, den dieser jemand kannte. S mit seiner kleinen Pingu-Pingu-Pinguin-Teufelsprinzessin…Äußerlich erinnerte sie mich sehr an S….S in den Gothik-Püppchen-Klamotten von Pingu-Pingu-Pinguin-Teufelsprinzessin. Eine bizarre Mischung.

Aber wo kämen wir hin, wenn wir unser Urteil über unsere Mitmenschen von Äußerlichkeiten abhängig machen würden?

Ich war einfach gespannt auf den Menschen. Und erwartete Input der funkensprühenden Sorte, intellektuell inspirierende Gespräche, die Eröffnung neuer, spannender Sichtweisen.

Am Ende des Abends habe ich eines auf jeden Fall gelernt. Äußerlichkeiten spielen tatsächlich nur eine sehr untergeordnete Rolle. Selbst wenn sie mein Typ gewesen wäre, hätte ich doch ein Problem mit ihrer Mundhygiene gehabt. Gut, das ist wieder ein anderes Thema und hat nicht wirklich so direkt mit schnöden Äußerlichkeiten, sondern tatsächlich mit Hygiene zu tun. Und erkennbarer Zahnbelag auf den Zähnen ist einfach ein No-Go. Das geht wirklich gar nicht.

Aber davon mal abgesehen habe ich doch wieder einmal gemerkt, dass es auf den Menschen ankommt. Es muss menschlich passen, man muss einfach auf einer Ebene sein. Ist das der Fall, dann sind Äußerlichkeiten oder Geschlecht wirklich unwichtig.

Und…sie und ich, wir waren einfach nicht auf einer Ebene. Es mag Einzelfälle geben, in denen das funktionieren kann und ich will bei Gott auch nicht arrogant klingen, aber Elektroinstallateurin und Studentin…Das sind einfach zu unterschiedliche Welten.

Es gab also heute keinen Yay-Input für mich. Keinen Input der funkensprühenden Sorte. Keine intellektuell inspirierenden Gespräche. Keine neu eröffneten Sichtweisen.

Wir haben uns wohl doch alle beide miteinander gelangweilt. Zu unterschiedlich die Leben, zu unterschiedlich die Interessen.

Ich bin eben einfach nicht der Typ Mädchen, der von sich behaupten kann: „Freibierparties sind Gift für mich, bin ich auf einer, gibt es kein Halten mehr, unter drei Litern Bier geht da gar nichts und aufrecht stehend nach Hause zu  gehen ist sowieso was für Memmen.“

Und ich bin auch ganz froh darüber, dass ich kein Freibier-Mädchen bin.

Ich hatte Tiefe erwartet vom heutigen Abend. Aber die war wohl für heute schon anderweitig verplant und hatte keine Zeit vorbei zu kommen.

Aber…die tiefgründige Abschlusserkenntnis meines Abends lautet: Es kommt nur auf den Menschen an und auf sonst mal wirklich gar nüschts. Wir sind doch mehr als nur unser Geschlecht. Und es war wohl auch tatsächlich naiv von mir zu glauben, dass unter dem Label „lesbische Transfrau“ auch zwangsläufig eine feingeistige Persönlichkeit verborgen sein muss.

Die Welt ist eben nun mal nicht schwarz oder weiß und was gebrochen und vielschichtig klingt, muss noch lange nicht vielschichtig sein. Hinter manch abgründig anmutender Oberfläche findet man manchmal eben doch nur recht flache Wasser.

Aber ich will mich ja gar nicht weiter beschweren. Ich habe heute Abend einen neuen Menschen kennen gelernt. Input gab der Abend tatsächlich genug her. Nur eben keinen funkensprühenden Yay-Input. Und genügend Ablenkung hat mir der Abend ja dann am Ende doch auch verschafft. Also was will man mehr? Da kann man doch wirklich nicht klagen!

Kurz am Rande zum Thema von gestern: Als ich nach Hause kam, hatte ich eine Nachricht auf dem AB. 20:07 Uhr. Meine Ma. „Hallo, ich hab deinen Anruf heute vermisst.“ Ja. Normalerweise hätten wir heute tatsächlich telefoniert. Pünktlich um 19:25 Uhr. Nach dem Wetter der Heute-Nachrichten. Ich habe extra nicht schon früher angerufen. Ich habe extra nicht vorher Bescheid gesagt, dass ich heute nicht da bin. Ja, ja…So ist das. Dabei haben wir uns ja am Sonntag erst gesehen, also vor zwei Tagen. Kein Kommentar. Kein weiterer Kommentar nötig. Denke ich.