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Tagebuch c.
2010-12-23 17:19
Voll und leer und alles auf einmal und doch nie genug
Ich weiß nicht, wann ich mich zuletzt so emotional durch den Fleischwolf gedreht gefühlt habe wie in den letzten Tagen, Wochen, Monaten. Ich bin meine eigene kleine, große Achterbahn.

Da ist so viel, viel zu viel. Meine Zukunft, meine Eltern, das sind die Themen, die mich im Moment tagtäglich beschäftigen. Sie prägen mein „Everyday Life“. Und genau deswegen fängt mein Herz des Öfteren an wirklich ganz unerträglich zu schmerzen. Ich denke in den letzten Wochen oft an meinen Sommer, an den Musiker. Es ist das, was er damals so leichtfertig versprach, ohne so wirklich zu wissen, worauf er sich damit eigentlich einlässt. Für mich da zu sein. Sich vor mich zu stellen. Mir da heraus zu helfen. Die Unterstützung zu sein, die ich jetzt so gerne hätte, die Hand, die ich gerne ergreifen würde.

Letzte Woche Dienstag hat es mich ganz schlimm erwischt. Ich habe seit September nicht mehr geweint. Letzten Dienstag brach es aus mir heraus. Einfach so. Ohne besonderen Grund, ohne besonderen Anlass. Aber ich habe geweint, geweint, geweint. Stundenlang und alles tat so weh. Sehnsucht. Unerfüllbare Sehnsucht. Leere. Ich konnte mich gar nicht mehr beruhigen und weinte mich irgendwann in den Schlaf. Wahrscheinlich ist es so, dass sich alles, was man verdrängt, vergräbt, früher oder später doch einmal Bahnen bricht. Irgendwann holt es einen ein.

Ja, irgendwann holt es einen ein. Der Witz an der Geschichte: Am letzten Mittwochabend sah ich den Musiker zum ersten Mal online auf der Singleseite, mit der ich mir seit einem Monat die Zeit vertreibe. Einen Tag nach meinem kleinen Zusammenbruch. Ich hatte mich extra vergewissert, ob ich ihn dort finde, fand ihn nicht und entschied darum, auf der Seite zu bleiben. Und dann das…Sein Bild unter den Bildern der Online-User.

Ein Messer ins Herz gerammt und umgedreht…So fühlte es sich an. Es hat mich geschockt. Und es ist so seltsam. Sich zu ignorieren, so zu tun, als kenne man sich nicht. Ich werde sein Profil nicht besuchen, ihn nicht anschreiben. Er hat mein Profil, soweit ich es beurteilen kann, auch nicht besucht. Wie ein stillschweigendes Abkommen zwischen uns. So bleibt das auch. So soll es bleiben. Es ist besser so. Manches macht einfach keinen Sinn, ist von Vorneherein durch zu viele Komplikationen zum Scheitern verurteilt. Damit muss man sich wohl manchmal einfach abfinden.

Im Moment suche ich einfach nur Spaß. Noch immer. Auch seit dem Sommer. Die Seite, die ich mir jetzt ausgesucht habe, scheint dafür genau richtig zu sein. Etwa 90% der Anschriften fragen nach Sex. Zwei, drei davon genügen meinen Ansprüchen. Allerdings scheint es schwierig zu sein, einen Termin zu finden. Keinen von diesen Typen will ich in meiner Wohnung haben. Anonymität ist mir wichtig. Ich will nicht, dass sie allzu viel über mich wissen, will nicht, dass sie wissen, wo und wie ich lebe. Und wahrscheinlich ist es betrachtet aus der Vernunftperspektive auch ganz gut, nicht jedem Fremden aus dem Internet seine Adresse zu überlassen.

Gestern hat es dann zum ersten Mal geklappt. Sehr spontan. Dieser er schrieb mich vor drei Wochen mal an. Dann war lange Funkstille. Gestern meldete er sich wieder. Er war zwischenzeitlich im Urlaub gewesen. Bevor ich gestern Abend zu ihm fuhr, hatten wir uns wahrscheinlich keine halbe Stunde lang ausgetauscht. Aber der Leichtsinn hat sich gelohnt. Es war ein wirklich spannender Abend mit einigen interessanten, neuen Erfahrungen. So war ich gestern beispielsweise zum ersten Mal in meinem Leben in einer Wohnung des Studentenwohnheims. Auch mal nett. Ob ich den Mann von gestern wiedersehe, weiß ich noch nicht. Der Sex war gut, aber bei weitem nicht so befreiend, wie ich es mir erhofft habe. Ausbaufähig mit Sicherheit. Aber als er anfing davon zu reden, beim nächsten Mal zusammen zu kochen oder eine DVD zu gucken und als er von der Möglichkeit sprach, dass ich beim nächsten Mal doch über Nacht bei ihm bleiben sollte, verging mir die Lust auf ein Wiedersehen eigentlich schon. Ich will ihn nicht näher kennen lernen, möchte keine wie auch immer geartete Bindung zu ihm aufbauen. Ich will nicht wissen, wovon er träumt, wovor er sich fürchtet. Es ist gut, solange sie mir alle egal sind, solange sie austauschbar sind. Ich will einfach nur gefickt werden, gegen den Schmerz, die Traurigkeit, die Einsamkeit, die Sehnsucht, die Leere.

Dieser Effekt hielt sich gestern nicht allzu lange. Schon im Zug packte mich bereits wieder so eine Art After-Fuck-Blues. Meine ganzen Spielereien der letzten Zeit erinnern mich immer wieder schmerzlich an den Musiker. Ich bin eigentlich nicht wirklich ein gehemmter und sexuell verklemmter Mensch. Ich bin es nur, wenn mir jemand wirklich wichtig ist, wenn es wichtig für mich ist, was derjenige über mich denkt. Mich beschleicht immer noch ein dumpfer Horror, wenn ich an die Abende denke, an denen der Musiker das Gespräch in Richtung Sex lenken wollte. Auf einmal war ich völlig panisch. Jedes Mal. Starr vor Schreck. Ich habe gezittert, hatte Angst, war völlig leer, konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Jedes Mal aufs Neue. Da wurde sogar schon die Frage nach dem richtigen Vokabular zum allergrößten Problem für mich. Ich weiß nicht, ob ich in Zusammenhang mit ihm das Wörtchen „ficken“ auch nur hätte denken können. Ich habe mich da so wahnsinnig unter Druck gesetzt, es war mir so ungemein wichtig, dass ich auch in der Hinsicht genau seinem Geschmack entspreche. Und ich konnte es nicht. Im Gegenteil. Dadurch, dass ich jedes Mal ein Drama, einen Staatsakt daraus gemacht habe, habe ich es am Ende wahrscheinlich nur immer schlimmer gemacht.

Wahrscheinlich liegt das daran, dass es Sex und Liebe in meinem Leben bisher nur einmal ansatzweise gab. Wobei ich nicht mal, rückblickend betrachtet, von Liebe sprechen würde. Ich war verliebt, ja, aber geliebt habe ich ihn nicht, den Inder. Sex und Liebe, diese Kombination ruft ganz andere Bilder in meinem Kopf hervor. Ich denke an das, was einem in der Mainstream-Romantic-Comedy zu diesem Thema präsentiert wird. Weichgezeichnete Bilder, Kerzenschein, schummriges Licht, schemenhafte Körper, hier und da sieht man vielleicht mal ein Bein, einen Busen, einen Po. So in etwa sehen meine Erinnerungen an damals aus. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass meine Hände den Inder auch nur ein einziges Mal unterhalb der Gürtellinie berührten. Ich möchte fast beschwören, dass es sich umgekehrt genauso verhielt. Die zwei Monate damals waren schon eine sehr seltsame Erfahrung und in jeder Hinsicht geprägt von Unsicherheiten, Ängsten, Zweifeln.

Es macht mich unglaublich traurig. Ich bin traurig, wenn ich an die rund 70 höchst unanständigen Simsen denke, die ich einem der potentiellen Kandidaten in den letzten zwei Wochen geschrieben habe. Ich bin traurig, wenn ich an den gestrigen Abend denke. Denn wenn ich ganz ehrlich zu mir selber bin, muss ich wohl einsehen, dass das nicht mal ansatzweise möglich gewesen wäre mit jemandem wie dem Musiker. Auch das Ding drückt in regelmäßigen Abständen immer mal wieder sein Bedauern darüber aus, dass ich ihn nicht als Abenteuer in Erwägung ziehe. Aber auch mit ihm ist es dasselbe. Ich mag ihn, ich kenne ihn, es ist mir nicht egal, was er von mir hält. Ich könnte da niemals so ungehemmt, so zügellos sein, könnte mich nie so hingeben wie ich es mit einem völlig Fremden kann. Es wäre ein einziger Krampf. Der Mann von gestern war höchst angetan von mir. „Du siehst so süß aus, so brav, so anständig, so unschuldig. Und dann stelle ich fest, dass ich mir hier ein wildes Tier ins Bett geholt habe, eine kleine Schlampe, ein richtiges Luder.“ Ich mag es, wenn man mich so sieht. Ich mag es, mich so zu geben und so zu überraschen. Solche Sätze sind immer noch die schönsten Komplimente für mich. Aber ich werde sie wohl immer nur von Fremden zu hören bekommen, von Männern, die mir völlig egal sind, die austauschbar sind, die für mich nicht viel mehr sind als ein Schwanz, der mich fickt.

Eigentlich will ich das so gar nicht. Denn Erfüllung und Glück oder so was in der Art bringt es mir auch nicht. Immer nur für einen kurzen Moment. Der Afterglow hält sich nicht allzu lange.

Es gibt da jemanden, der hat mein Herz berührt. Ich erwähnte ihn einmal, vor Monaten. Ich spreche von dem, der vorschlug, mit mir zusammen nach meinem Abschluss Lateinamerika zu bereisen. Er ist in meinen Gedanken. Oft. Ich erwische mich jedes Mal bei einem Lächeln, wenn ich ihn online sehe. Ja, er hat mein Herz berührt, einmal, zweimal, oft. Ich bin gerührt, wann immer er mir etwas wirklich Persönliches von sich anvertraut. Erst jetzt wieder. Ich fühle mich besonders, weil er mir so etwas anvertraut. Und trotzdem denke ich oft darüber nach, den Kontakt zu ihm einfach abzubrechen. Denn im Grunde ist es schon jetzt viel zu kompliziert, auch ohne dass wir uns getroffen haben. Jede zweite Nachricht von ihm öffne ich mich ängstlichem Herzklopfen. Jedes zweite Mal erwarte ich eine Ablehnung. Vielleicht sollte man selber lieber rechtzeitig den Absprung wagen, ehe man abserviert wird. Ich kenne mich. Ich glaube nicht, dass das funktionieren könnte mit ihm und mir. Dafür bin ich zu kompliziert. Auf Dauer würden wir uns nur unglücklich machen. Auf jeden Fall wäre ich am Ende wahrscheinlich zutiefst unglücklich, weil ich nur ein weiteres Mal hätte feststellen müssen, dass mir mein kompliziertes und verdrehtes Wesen jede Chance auf echtes Glück verbaut.

Fast lieber vertreibe ich mir die Zeit mit Spielereien, albernen, unbedeutenden Spielereien. So halb und halb habe ich mich in eine Art Mailerziehung verstrickt. Mit jenem „Geldsklaven“, den mir die schweizerische Jungdomina vor Monaten einmal anpries. Es ist mir völlig schnurz, ob der Kerl mir jemals den angekündigten Geldbetrag zukommen lässt. Es ist mir sogar lieber, wenn ich ihn niemals bekomme. Darum geht es mir nicht. Es ist eine Spielerei. Ein Zeitvertreib. Ich vergebe mir nichts. Im allerschlimmsten Fall habe ich mich selbst lächerlich gemacht mit den Drohungen, welche Qualen er von meinen, im echten Leben nicht vorhandenen, dunkelrot lackierten Acrylkrallen zu erwarten hat. Es amüsiert mich, mich hart, dominant, unerbittlich zu geben. Es sorgt für Kurzweil. Für eine Zeit lang.

Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich in den letzten Wochen und Monaten viel erlebt, viel probiert. So viele, viele Gefühle, Emotionen. Sie reichen für zehn Jahre, zehn Leben, zehn Menschen. Aber nichts davon erfüllt mich. Ich fühle mich leer, rastlos, einsam. Ruhelos auf der einen Seite, erschöpft auf der anderen. Ich suche etwas, was ich nicht finden kann. Ja, ich fühle mich emotional durch den Fleischwolf gedreht. Alles in mir ist ein einziges großes Chaos, was sich nicht wirklich ordnen lässt. Zukunftsängste, Familienprobleme, offene Wunden, neue Perspektiven. Was auch immer. Alles auf einmal. Eine Achterbahnfahrt. Schnell, laut und doch nie genug. Immer zu wenig. Es lastet mich nicht aus. Es ist seltsam, im Grunde bin ich völlig überfordert mit allem und gleichzeitig ist es nicht genug. Die Grundgefühle bleiben. Einsamkeit. Traurigkeit. Leere. Sehnsucht. Leere. Besonders die Leere.

Ich sollte mir für das kommende Jahr vielleicht vornehmen, mich regelmäßig mit irgendwelchen fremden Männern zu treffen. Auch wenn es gestern nicht allzu lange anhielt, so haben sich doch wenigstens die drei Stunden, die ich mit dem Typen von gestern verbrachte, ansatzweise gelohnt. Wenigstens für einen kurzen Augenblick war alles weg, wenigstens für die kurzen Augenblicke, in denen sich seine Hände um meinen Hals schlossen, fühlte ich mich befreit, frei, lebendig. Es war wie loszulassen und zu fliegen. Für einen kurzen Moment. Vielleicht sollte ich mich endlich doch mal in der SZ anmelden, um dort nach einem passenden Top für mich zu suchen. Vielleicht brauche ich wirklich genau das. Oder alternativ dazu eine vernünftige Therapie….

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