Sing my praises!
Heute war mein Personalgespräch. Nicht das Bewerbungsgespräch, das war letzte Woche Mittwoch. Parallel dazu finden gerade unsere Personalgespräche statt. Gespräche der Art 'Personalentwicklung' rund um die Fragen 'Was läuft gut?', 'Was kann besser werden?' und 'Wo soll die Reise hingehen?'.

Gut ist es gelaufen. Wir sollten vorher drei bis fünf Kollegen um ein Feedback bitten. Die Ergebnisse des Kollegen-Feedbacks decken sich mit der Einschätzung meiner neuen Chefin.

Ich darf mich also freuen, seit Januar eine durchweg positive Entwicklung gemacht zu haben und nach einer kleinen Warmlaufphase jetzt als engagiertes und zuverlässiges Teammitglied geschätzt zu werden.

Sehr viel schöne Sachen wurden genannt. Und es ist einfach schön, wenn man merkt, dass der Einsatz und das Engagement bemerkt und geschätzt werden.

Natürlich war die aktuelle Bewerbung in dem Gespräch außen vor. Das Ergebnis werde ich wohl doch erst am Freitag erfahren. Mein ehemaliger Herr Chef, der der Hierarchie nach mittlerweile zum Herrn Chef-Chef aufgestiegen ist, weilt bis einschließlich Mittwoch in Sevilla. Beruflich.

Da man noch ein paar Dinge mit London klären musste, ist die Entscheidung wohl am Freitag spruchreif.

Ich bin gespannt.

(London, Sevilla, ja, ja, wichtig, wichtig, ich weiß... ^^)

Mein liebster Herr Mentor, der mein Konkurrent in der Bewerbung ist, hat sich, glaube ich, heute keine Empfehlung für die Bewerbung ausgestellt.

Auch ihn hatte ich um Feedback gebeten. Abgabeschluss war am vergangenen Freitag. Er hat sein Feedback für mich dann irgendwann am Wochenende geschickt, meine aktuelle Chefin hat es erst heute Morgen gelesen und konnte es nicht mehr anständig berücksichtigen.

Wie kann man sich nur so einen Schnitzer leisten, wenn der Bewerbungsprozess noch nicht abgelaufen, die Entscheidung noch nicht getroffen ist?

Ich verstehe es nicht.

Andererseits: Mir kann es nur recht sein.

Zwar mache ich mir keine großen Hoffnungen auf die Stelle. Ich bin zwar gut und habe, im Vergleich, sicher in den letzten acht Monaten die beste Entwicklung, das meiste Engagement und die größte Leistungssteigerung gezeigt, aber ich bin eben nur eine von vier Bewerbern und von allen am kürzesten im Betrieb. Ginge es nur nach Leistung, hätte ich sicher schon gute Chancen, aber wenn man nach Betriebszugehörigkeit geht, wäre es den anderen gegenüber schon ein wenig unfair, wenn ich die Stelle bekäme.

Von daher, das Wissen, mit dem ich heute aus meinem Personalgespräch ging, nämlich, dass mein Einsatz gesehen und anerkannt wird, reicht mir fast auch erst einmal. Bei einem nächsten Mal wird man sich sicher auch an mich erinnern.

Aber wenn mein Herr Mentor die Stelle bekommen sollte, würde mir das schon für ein paar Tage jegliche Motivation rauben. Er kann nicht mit Menschen umgehen, ihm fehlt es an Empathie, er ist zu in sich gekehrt. Aber das ist a nichts so Schlimmes. Was mich wirklich stört, ist seine stinkende Faulheit.

Er pickt sich die Rosinen aus dem Kuchen und vermeidet jede Mehrarbeit, wo es nur geht. Wir haben eine gewisse Freiheit bezüglich unseres Aufgabenbereichs, können uns vieles von unseren Aufgaben selbst aussuchen. Er hat sich gezielt die Dinge ausgesucht, die seinen privaten Interessen am meisten entgegenkommen und die am wenigstens Arbeit machen. Bei Unklarheiten lebt er nach der Devise: 'Frag nicht nach, dann musst du auch nicht mehr machen." Und unsere Kernzeit, die um 10.00 Uhr beginnt, ist für ihn auch nur ein ungefährer Richtwert. Seit der ehemalige Chef nicht mehr bei uns im Raum sitzt, ist er öfter erst weit nach zehn eingetrudelt. Auffällig weit nach zehn. Und weil die Arbeit ja so anstrengend ist, muss er zwischendrin ab und an ein kleines Schläfchen halten. Auf die Toilette geht er grundsätzlich nur mit seinem Kindle und ist manchmal locker zwanzig Minuten weg. Und ich möchte daran glauben, dass er nur so lange dort ist, weil sein Buch so spannend ist, alles andere verursacht mir Bilder in meinem Kopf, die ich nicht dort haben will. Auf den einschlägigen Nachrichtenhomepages verbringt er auch einen nennenswerten Teil seiner Arbeitszeit und ab und an, mal mehr, mal weniger häufig, wird auch nach Wohnungsanzeigen gesucht. (Seit ich ihn im Januar kennengelernt habe, ist er schon auf der Suche nach einer anderen Wohnung in einer besseren Lage. In den acht Monaten hat er vielleicht drei Wohnungen tatsächlich besichtigt. Auch das spricht für seinen Ehrgeiz.)

Ich mag ihn ganz gerne und er hat auch seine gute Seiten. Aber seine Faulheit ist echt unglaublich. Und dazu diese Selbstüberschätzung. Als bekannt wurde, dass der ehemalige Herr Chef befördert wird, war klar, dass die Stelle der stellvertretenden Chefin frei wird - über diese Stelle reden wir, die stellvertretende Teamleitung - und da meinte er glatt zu mir: 'Wer außer mir soll sich denn eigentlich auf die Stelle bewerben?' Ernsthaft???

Mir ist klar, ich habe mich ein wenig auf ihn eingeschossen, aber mit ihm als Gewinner könnte ich wirklich nur schwer leben. Ihn zu befördern wäre wirklich unfair uns anderen gegenüber.

Ich würde mich freuen, wenn meine Favoritin unter meinen Konkurrenten gewinnt. Sie mag ich gerne und ihr würde ich die Stelle wirklich von ganzen Herzen gönnen. Nicht nur weil ich sie mag, sondern auch, weil sie tatsächlich Einsatz zeigt.

Kandidatin Nummer 3 mag ich zwar persönlich nicht und ich bin mir sicher, das beruht auf Gegenseitigkeit, aber sie hat wenigstens die richtige Arbeitseinstellung. Auch mit ihr könnte ich leben.

Aber er? Nein, das ging mal so gar nicht klar.

Nun gut, spätestens am Freitag bin ich schlauer. Es bleibt spannend. Und mein Privatleben? Nun, es ist wie es ist und wie es bleibt: kompliziert. Das aufzuschlüsseln lohnt auch nicht wirklich.