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Tagebuch c.
2012-05-11 13:58
Schatz, willst du die Nasendusche mit mir teilen?

Ich kannte mal jemanden, der war frisch verliebt. Er war gerade mit seiner Freundin zusammen gezogen. Er erzählte mir von der schweren Grippe, die sie beide erwischt hatte. Und er erzählte mir von der Nasendusche, die sie abwechselt während ihrer Krankheit benutzten. Ist das Liebe? Sind die Übergabe des Wohnungsschlüssels, das Zusammenziehen, ein Heiratsantrag heute überholt? Ist es das Teilen einer Nasendusche, das heutzutage wahre Romantik bedeutet? Oder ist das tatsächlich einfach nur furchtbar widerlich. Ich entschied mich damals jedenfalls dafür, die Geschichte von der gemeinsam benutzten Nasendusche einfach nur eklig und unhygienisch zu finden.

 

Als ich meine eigene Nasendusche vor einigen Tagen hervorkramen musste, da fiel mir die Geschichte wieder ein. Ich bin krank. So richtig krank. So richtig beschissen erkältet. Virusinfekt. Am Arsch. Ich ärgere mich. Ich schäme ich. Ich habe ein furchtbar schlechtes Gewissen. Ich habe das Gefühl, ich habe versagt.

 

Fakt ist: Ich war zuletzt zum Jahreswechsel 09/10 so richtig erkältet. Damals so heftig, dass ich einige Tage lang gar keine Stimme mehr hatte.

 

Fakt ist: Einen ungünstigeren Zeitpunkt als jetzt hätte es für eine erneute Erkältung nicht geben können.

 

Klar, ich kann mich glücklich schätzen, fast 2 1/2 Jahre von der Rüsselseuche verschont geblieben zu sein. Andere haben in jeder Saison mehrfach damit zu kämpfen. Ich Glückspilz, ich.

 

Erkältungen im Sommer sind für den Arsch. Hier ist es warm, hier ist es schwül, hier ist es fies. Dank des blöden Wetters fühle ich mich bestimmt doppelt so schlecht wie bei Wintererkältungen. Es nervt mich. Es ist wirklich einfach nur lästig und fies und gemein und absolut unpassend.

 

Denn eigentlich hätte ich an zwölf von vierzehn Maitagen jeweils acht Stunden an einem Messestand verbringen sollen. So war das geplant. Eigentlich. Und eigentlich fing alles auch gut an. Es gefiel mir, ich fühlte mich wohl und ich machte mich tatsächlich nicht schlecht. Im Gegenteil. Man erzählte mir immer wieder, wie ausnehmend positiv sich alle über mich äußerten. Es war super. Es war eine Chance. Es bestand tatsächlich auch die Chance auf eine längere Zusammenarbeit über den Mai hinaus.

 

Und jetzt? Das klassische Muster. Am Wochenende begannen die Halsschmerzen. Am Montag lief ich wie auf Wolken, wie in Watte gepackt durch die Gegend, war irgendwie nie so  richtig da, die Welt wirkte so weit weg. Dumpf. Wie durch einen Schleier. Am Dienstag lief die Nase den ganzen Tag lang. Heute fehle ich schon den dritten Tag. Drei Tage kam es. Drei Tage blieb es. Heute fühle ich mich schon ein bisschen besser. Ich habe das Gefühl, heute könnte tatsächlich der erste der drei Tage sein, an denen es wieder geht.

 

An sich ist das eine gute Nachricht. An sich sollte ich mich freuen.

 

Es ist nur: Da haben Leute auf mich gesetzt. Sie haben sich für mich eingesetzt, sie haben sich auf mich verlassen und ich habe sie enttäuscht. Eben haben wir telefoniert. Heute fehle ich wirklich, man ist nur ganz dünn besetzt und der Chef muss jetzt eben ran, weil ich nicht kann. Natürlich ist mir rational klar, dass keinem damit gedient gewesen wäre, wenn ich krank am Stand stehen würde. Ich hätte vermutlich das ganze übrige Personal angesteckt, womit auch keinem gedient gewesen wäre. Rational ist mir das absolut klar. Und doch....es fühlt sich anders an. Man hat gehofft, mit mir eine Entlastung zu bekommen und entlohnt habe ich es ihnen mit zusätzlichem Aufwand. Ich fürchte, am Ende nur einen Eindruck zu hinterlassen: Körperlich überhaupt gar nicht belastbar.

 

Ich habe mich wirklich auf diese zwei Wochen gefreut. Ich habe ich intensiv darauf vorbereitet. In jeder Hinsicht habe ich investiert. Ich habe meinen Kleiderschrank aufgestockt. Denn die Vorgabe war: Business-Kleidung und so was besaß ich vorher nicht. Zwar fühle ich mich furchtbar unwohl darin, aber hey, was tut man nicht alles. Ich war vorher, dank sechswöchiger Vorbereitung, so fit und so trainiert wie lange nicht mehr. Ich war auf alle Eventualitäten vorbereitet. Nur nicht auf einen Virus.

 

Das ist so ärgerlich. So lange Zeit nicht krank und dann zur unpassensten Zeit, die man sich nur vorstellen konnte.

 

Mein Arzt hat mich offiziell bis einschließlich Sonntag krankgeschrieben. Und wahrscheinlich ist das gut und richtig so. Ich bin ansteckend und ich kann auch jeden Ruhetag gebrauchen. Es ist nur....einfach blöd. Morgen springt wahrscheinlich wieder Chef mit Sohn von Chef ein. Sohn von Chef hat gerade Abi gemacht und ist daher auch kein offizieller Mitarbeiter. Alles nur, weil ich die Leute im Stich lasse, weil ich ausfalle, weil mein Körper mal wieder lustige Scherzchen mit mir treibt und einfach nicht so will, wie ich es gerne hätte.

 

Piep. Piep. Spätestens hier fängt sie an lauthals zu zwitschern, meine Meise. Ja, wir sind eine Einheit, mein Körper und ich, eigentlich, aber so habe ich es noch nie empfunden. Nicht, dass ich mich daran erinnern könnte. Ich hasse es so sehr, diese Situationen, in denen mich die Körperlichkeit so anschreit, so überrumpelt und ich mich einfach nur noch eklig und unpassend fühle. Am Dienstag durfte ich an einem Meeting teilnehmen. Und da saß ich da, die Nase lief und ein Taschentuch nach dem anderen wurde durchgerotzt und ich fühlte mich so unwohl, so unwohl mit lauter fremden Menschen, die ich zu meinem eigenen Glück eigentlich hätte beeindrucken sollen und stattdessen habe ich mich einfach nur vor mir und meiner Tasche mit den versifften Taschentüchern geekelt und habe mich so abstoßend gefühlt. Chef wollte mich nachmittags einem brasilianischen Firmenchef vorstellen. Hat es auch getan. Auch da habe ich versagt. Kopf leer. Ich hätte mich wunderbar mit Superguruoberbrasilianer auf Französisch unterhalten können, aber mir ist, außer "Ja" und "Nein", nicht eine einzige portugiesische Vokabel eingefallen. Dabei habe ich mein Französisch zuletzt vor zehn Jahren so richtig benutzt, noch vor den Abizeiten. Noch so ein Fail.

 

Irgendwann werde ich wieder gesund sein. Irgendwann werde ich den Leuten wieder gegenübertreten müssen. Vermutlich wird es am Sonntag oder am Montag soweit sein. Ich habe jetzt schon Bauchschmerzen, wenn ich daran denke. Eine Fehlinvestition, so fühle ich mich, so empfinde ich mich. Man wird nett zu mir sein und die Zusammenarbeit in Anstand zu Ende bringen, aber danach war es das dann auch. So wird es laufen.

 

So wird es laufen, weil ich diejenige mit der Meise bin, die, die sich verrückt macht. Wie immer werde ich mir im Weg stehen und werde es mir am Ende selbst versaut haben. So wird es sein. Weil ich in all den Jahren immer noch nicht das geringste Bisschen Selbstwertgefühl entwickelt habe. Weil ich mich immer noch überflüssig fühle und niemandem zur Last fallen möchte, weil ich meine Gesellschaft als Strafe für andere empfinde, weil, weil, weil. Ich könnte Namen nennen, altbekannte Namen, die ich in meinem Privatleben mit dieser Kacke sehr erfolgreich vertrieben habe. Ich mache es in anderen Bereichen genauso.

 

Dabei habe ich mir wirklich Mühe gegeben, ich habe mir den Arsch aufgerissen, um zu gefallen. Im Vorfeld und auch in den ersten Tagen. Und es hat ja auch geklappt. Man war ja auch zufrieden mit mir. Und ich war sicher, ich würde zwar meine Füße nach den zwölf Tagen in die Tonne schmeißen können, aber das war es mir wert. Kaputte Füße als notweniges Übel, mit Schlimmerem hatte ich nicht gerechnet, auf Schlimmeres war ich nicht vorbereitet.

 

Und dann, dann kommt so ein blödes Virus daher und macht alles kaputt. So was kann passieren und ich bin sicher, niemand nimmt mir das wirklich übel, dass ich krank geworden bin. Aber....so ganz normal ist es ja nicht, was dadurch nebenbei mal wieder in meinem Kopf ausgelöst wird. Und das ist das eigentliche Problem. Das wird mir den Hals brechen. Wieder einmal. Ganz toll gemacht. Meinen Glückwunsch!

 

 

 

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