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Tagebuch c.
2010-07-16 11:53
Ring. Ding. Pling.

Ein guter Tag gestern. Die Pläne erfolgreich umgesetzt. Frei nach Izzies Kommentar: Gemacht statt gedacht. Oder so.

Ring: Ein mehr als dreistündiges Telefonat mit dem netten Herrn aus meiner Nachbarstadt.

Ding: Ein Date mit dem Ding.

Pling: Das Gefühl, das mich bei der Heimkehr mit Einschalten des PCs überkam.

Gestern habe ich also vormittags erst einmal mit dem Herrn aus meiner Nachbarstadt telefoniert. Seit Anfang der Woche versuchten wir es erfolglos. Einer hatte immer keine Zeit. Und da er heute in einen fünfwöchigen Urlaub aufbricht, war gestern so ziemlich die letzte Gelegenheit. Nett war es. Wir haben uns wirklich ganz gut verstanden, er hat einige interessante Dinge erlebt.

Heute bricht er in eine Art Abenteuerurlaub auf. Erst geht es mit dem Rad in eine Kleinstadt in Westfalen. Von dort geht es mit dem Rad im Zug nach Danzig. Mit dem Rad kurvt er dann zwei Wochen durch die Balkanländer in Richtung Moskau, wo er für drei Wochen an einem Projekt einer Hilfsorganisation mitarbeiten wird. Irgendwelche Häuser sollen dort in irgendeinem Dorf gebaut werden. Am Ende geht’s dann nach fünf Wochen mit dem Flieger wieder zurück nach Deutschland. Und der Gag daran ist: Gestern war sein Visum für Russland immer noch nicht eingetroffen.

Ich bin mal gespannt, was er dann in fünf Wochen zu erzählen hat. Weil wir uns am Telefon wirklich ganz gut verstanden haben, werden wir wohl in Kontakt bleiben und uns eventuell in fünf, sechs Wochen dann auch mal treffen, wenn er wieder da ist. Da er in meiner Nachbarstadt wohnt, bietet sich das ja auch irgendwie an. Richtige Emailadressen getauscht. Handynummern getauscht. Die Festnetznummern hatten wir ja schon. Joah. Wie gesagt: Nett war es.

Anfang der Woche fragte auch das Ding im Latexanzug, ob wir uns nicht mal treffen mögen. Und frei nach dem Motto „Wir-stricken-uns-unsere-eigene-Expositionsübung“ habe ich dann mal gleich spontan zugestimmt.

 Leute aus dem Internet habe ich zuletzt vor…quasi nie nicht freiwillig getroffen. Da war der EINE, dessen Namen ich nicht nennen werde. Aber streng genommen haben wir uns ja gar nicht im Internet kennen gelernt. Wahnsinn. Neun Jahre ist das jetzt her. Dass das mal alles so kommt, hätte ja auch keiner gedacht…

Ein anderer, eine Chatbekanntschaft aus einem „richtigen“ Chat, stand mal irgendwann bei meinem damaligen Nebenjob plötzlich vor mir. Puff. Ohne Bescheid zu sagen. Letztendlich war das dann auch ok. Aber ansonsten habe ich es doch in den letzten Jahren sehr rigoros abgelehnt, Leute aus dem Internet zu treffen. Internet und echtes Leben gehörten in meinen Augen strikt getrennt. Wie man so sagt. Wie man es so heraus posaunt. Tatsächlich wären aber auch eine Menge, Menge Ängste mit so einem Treffen verknüpft gewesen und ich zog es vor, diese Ängste zu ignorieren statt mich ihnen zu stellen.

Da fast mit vollkommener Sicherheit feststeht, dass es in zwei Wochen ein wirklich, wirklich wichtiges Treffen geben soll, dachte ich mir, es kann vielleicht nicht schaden, wenn ich den Schritt vom Internet ins echte Leben vorher einmal ein bisschen übe. Die Anfrage des Dings kam also genau zum richtigen Zeitpunkt.

An der Stelle sei eingeschoben: Mein Gefühlsleben spielt in Bezug auf den Musiker gerade völlig verrückt. Später dazu mehr. Hier sei nur erwähnt, dass zwischen Angst und Verzweiflung und unglaublichen Höhenflügen alles dabei ist. Die Frage ist, wie man mit den Ängsten umgeht. Ich suche gerne nach Sicherheitsnetzen. Der Herr aus der Nachbarstadt und das Ding sind zu solchen geworden. Trostpflaster. Was weiß ich. Nice to know, that there are still other options. Sich andere Optionen offen zu halten mag nicht die eleganteste, nicht die fairste Art und Weise sein, mit den Ängsten umzugehen, aber es ist die Art und Weise, die mir hilft.

Das Date mit dem Ding war also auf der einen Seite meine ganz eigene kleine Expositionsübung. Wie gesagt. Einfach mal den Schritt aus dem Internet heraus wagen. Auf der anderen Seite war es wichtig für mich zu wissen, ob das Ding denn auch noch nach dem Treffen an mir interessiert sein würde, ob ich den Menschen dahinter meiner Haben-Liste hinzufügen kann.

Little Miss Asshole? Ja. Vielleicht. Das ist vielleicht tatsächlich etwas arschig gewesen. Ich weiß es nicht.

Wie dem auch sei, in meinem Sinn war das Date mit dem Ding ein Erfolg. Den Menschen hinter der Latexmaske kennen zu lernen, war tatsächlich äußerst interessant. Er ist lieb. Er ist nett. Er ist leider genauso weichgespült wie er roch. Er ist als Sub wohl schon tatsächlich auf der richtigen Seite.

Erinnert ihr euch an die Erkenntnisse aus meiner ersten Wochenbilanz?

FRAU sucht mann

In diesem Sinn ist das Ding einfach nicht das, was ich suche. Zu weich, zu sehr auf Gefallen bedacht, zu meinungslos, zu angepasst. Stärke, Entschlossenheit, Dominanz, das alles strahlt er nicht aus.

Das ist auch völlig ok. Als Mensch fand ich ihn sehr nett, sehr sympathisch. Wir haben uns wirklich gut verstanden. Aber mehr als einen mehr oder weniger lockeren freundschaftlichen Kontakt kann ich mir mit ihm nicht vorstellen. Das war mir nach recht kurzer Zeit schon klar. Dass er dagegen durchaus an mehr interessiert wäre, war nach fast ebenso kurzer Zeit klar.

Am I happy now that I have this option? Nicht so wirklich. Als wir uns verabschiedet haben, hätte ich sagen sollen: „Vielen Dank für den interessanten Abend. Ich würde gerne mit dir Kontakt halten, aber nur auf rein freundschaftlicher Basis.“ Stattdessen sagte ich: „Vielen Dank für den interessanten Abend. Ich würde gerne mit dir Kontakt halten, muss aber erst einmal für mich sortieren, worauf das von meiner Seite aus hinauslaufen soll und kann.“

Gemessen an meinen Zielen war der Abend ein voller Erfolg. Zum ersten Mal seit langer Zeit habe ich den Schritt vom Internet ins echte Leben vollzogen und am Ende des Abends konnte ich wohl mit Fug und Recht davon ausgehen, dass mein Gegenüber den Kontakt durchaus intensivieren und vertiefen wollen würde.

Vielleicht war das Date ein Fehler. Denn im Grunde war von Anfang an klar, dass das Ding keine wirkliche Chance haben würde. Auch wenn ich es noch ungern ausspreche, flattert mein Herz bereits ganz woanders. Es ist mein Gewissen, das gerade ein wenig an mir nagt. Es war nicht besonders fair, sich auf ein Treffen einzulassen, nur um zu schauen, ob es im Falle einer Katastrophe auch Notfalllösungen gibt. Natürlich kann niemand erwarten, dass man sich mit jemandem aus dem Internet trifft und es sofort funkt. In diesem Sinn nimmt das Ding mir mit Sicherheit auch nichts übel. Aber ich weiß nun mal, was meine eigentlichen Beweggründe für das Date waren.  Und wegen ihnen war es eigentlich nicht besonders nett, nicht besonders fair, mich mit ihm zu treffen.

Fairness ist eine Sache. Ängste sind eine ganz andere.

Gestern Abend saßen wir noch für einige Zeit auf den Treppen vor dem Bahnhof. Eine laue Sommernacht. Eine leichte Brise. Die wirklich große Kirche im Hintergrund. Lauter verrückte Leute um uns herum. Mitten auf dem großen Platz vor dem Bahnhof saß ein einsamer Rollstuhlfahrer und spielte auf einer alten Blechtrompete. Das war einfach umwerfend. Überwältigend. Melancholie. Weltschmerz. Lebensfreude. Das alles in einem intensiven Moment zusammen. „Saudade“. So nennen es die Portugiesen. In diesem Moment, diesen Minuten flogen meine Gedanken hin zum Musiker. Mit ihm an meiner Seite wäre dieser Moment wohl zu einem der wenigen wirklich perfekten Momente im Leben geworden.

Die Welt ist gerade unheimlich schön. Ganz plötzlich. Es ist lange her, seit ich zuletzt bereit war, einem anderen Menschen so sehr zu vertrauen, mich einem anderen Menschen so sehr zu öffnen. Ich sehne den Tag unseres Treffens herbei, ich kann es kaum erwarten, dem wunderbar wirren Gefühlschaos eine Realität zu geben, es Wirklichkeit werden zu lassen.

Aber: Es ist lange her, seit ich zuletzt bereit war, einem anderen Menschen so sehr zu vertrauen, mich einem anderen Menschen so sehr zu öffnen. Das macht unweigerlich auch Angst. Der Kopf, der Kopf, der blöde Kopf funkt dazwischen. Es gibt sie zu oft, die Momente des Zweifelns, die Momente, in denen ich weglaufen möchte.

Diejenigen, die früher bei mir schon mitlasen, werden sich möglicherweise erinnern. (Bei der Gelegenheit übrigens ein verspätetes  „Willkommen zurück unter meinen Lesern“ an Kitty…) Ich habe einmal in meinem Leben etwas, was mir über viele Jahre unheimlich wichtig war, durch Zweifeln und Zögern und Ängste am Ende doch kaputt gemacht. Ich will nicht, dass mir das noch einmal passiert, auch wenn ich sicher tatsächlich noch nicht richtig absehen kann, wohin das mit dem Musiker führt. Aber das Gefühl ist da. Das Gefühl, dass es tatsächlich etwas Echtes werden könnte. So sehr, wie schon lange nicht mehr.

Ich will mir die Chance darauf nicht selbst ein zweites Mal durch Ängste und Zögern und Selbstzweifel kaputt machen. Irgendwie muss ich mit ihnen umgehen. Das Mittel der Wahl, andere Optionen offen zu halten, ist sicher nicht das beste Mittel. Aber es hilft mir. Es gibt mir Sicherheit. Sollte es schief gehen, werde ich nicht alleine sein, könnte ich mich sofort neu orientieren. Dust yourself off and try again.  Uneingeschränktes Vertrauen wäre sicher besser. Aber das schaffe ich noch nicht. Vertrauen genug, dass es zur Bereitschaft, ja, zum drängenden Wunsch auf ein Treffen reicht, Vertrauen genug, um den Weg zu einem Treffen wirklich anzutreten, das ist alles, was ich gerade aufbringen kann. Wer mich kennt, weiß auch, dass das mehr ist als in den ganzen letzten zehn Jahren zusammen. Ich weiß, ich spüre, uneingeschränktes Vertrauen kann erst mit einem Treffen kommen. Und wahrscheinlich ist das auch ok so. Wahrscheinlich darf das ruhig so sein.

Es macht gerade „pling“. In mir. In meinem Leben. Und das ist gut. Und das ist schön.

 

Kommentare

10:47 17.07.2010
ich kann das auch verstehen und bewerte das als nicht so schlimm, mit dem "warmhalten". du hast ja nichts versprochen und bist auch keinem versprochen.
ich arbeite gerade daran, die sichtweise zu wechseln: warum freut man sich nicht einfach nur über ein schönes treffen und dann ist gut. aber wie gesagt: ich arbeite noch daran.
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17:07 16.07.2010
danke :)

ich warte gespannt, auf was auch immer da kommt.
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12:09 16.07.2010
ich finds auch schön ...

die arschlochsache ist relativ. das kenn ich von mir auch und es ist noch garnicht so lange her, da standen sehr sehr ähnliche zeilen in meinem blog.
wahrscheinlich gehöre ich auch zu den warmhaltern, nur hab ich das bisher nie so gemerkt. manchen menschen wollen aber auch warmgehalten werden ... das drängt sich geradezu auf und ist manchmal sogar unangenehm.

allerdings finde ich das ganze garnicht so schlimm, solange man nicht mehrere beziehungen gleichzeitig führt und immer genau weiss für wen eigentlich das herz schlägt.

dummerweise ist es (zumindest bei mir) so, dass gerade diese person(en) das garnicht zu schätzen wissen oder aber schlichtweg kein interesse zeigen. das machts für die warmgehaltenen leicht...

himmel ich fasel ...

du hast nen wunden punkt erwischt
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2010-07-16 11:53