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Tagebuch c.
2017-04-02 21:01
#storytime - Teil 3: Mister Silvester
Kommen wir nun zum letzten der drei Erzählstränge in meinem Leben, die jetzt noch immer so präsent sind wie vor einem halben Jahr und dem Teil, der leider auch am schmerzhaftesen ist: Mister Silvester.

Zuletzt schrieb ich, dass er von alten Freunden erzählte, die er schon sein Leben lang kennt und die beide wohl mehr an seiner Freundschaft hängen als er an ihrer. Damals fragte ich mich schon mit Schrecken, wann es mir wohl ähnlich ergehen würde. Nun ist es wohl so gekommen. Und es tut weh.

Das ist die eine Sache, die mich tatsächlich belastet und wegen der auch der Italiener noch eine gewisse Wichtigkeit für mich hat. Denn wenigstens interessiert der sich noch für die Vorgänge in meinem Leben.

Ich weiß nicht, was eigentlich passiert ist. Im Prinzip fing es schon im Sommer an, dass sich Mister Silvester zurückgezogen hat. Es ging ihm schlecht und ich konnte nichts tun. Also habe ich mich für eine Zeit zurückgezogen, weil ich das nicht mehr mit ansehen wollte. Ich weiß nicht, was er vom Italiener gehalten hat. Es war eine Überraschung für ihn, Mister Silvester, als ich ihm erzählte, dass ich da irgendwie mit irgendwem in einer Art Romanze verbunden bin.

Er ist im September ein zweites Mal an der Schulter operiert worden, Mister Silvester. Und seit Ende September, tatsächlich sogar seit dem katastrophalen Wochenende mit dem Italiener, haben wir schon nicht mehr richtig miteinander geredet. Da war er noch ein letztes Mal für mich da, um die Scherben des Wochenendes gemeinsam mit mir aufzukehren.

Danach … ich habe es versucht, an ihn heranzukommen. Ich habe versucht, ihm Freiraum zu geben. Ich habe mich gemeldet. Ich habe mich nicht gemeldet. Ein einziges Mal habe ich um ein Telefonat gebeten in der Zeit und zwar, als die Jobsituation besonders unerträglich war und ich mich gerne mit ihm darüber ausgetauscht hätte.

Er war nicht dazu bereit. Und wir sind ein wenig aneinandergeraten. Weil es mich aufregte, dass ich ihn schon nur noch mit Samthandschuhen anfasste und bemühte, mich so wenig, wie möglich zu melden (was tatsächlich dann nur noch einmal die Woche statt täglich war) und es einfach nicht verstehen konnte, warum er dann nicht umgekehrt auch mal einen, wenigstens einen kleinen, Schritt auf mich zugehen konnte.

Irgendwann war es für mich fast zur Religion geworden, seine Facebookseite ständig anzuschauen und seine Posts zu verfolgen. Zu schauen, wann und wie er im Messenger online war. Denn es gab Momente, da war ich echt in Sorge, dass er sich völlig zerstört und irgendwann gar nicht mehr aufsteht oder nicht mehr aufstehen kann.

Anfang Dezember habe ich dann meinen Account vorübergehen deaktiviert, weil ich das einfach nicht mehr konnte. Ihn und seine Seite nur zu entabonnieren wäre keine Option gewesen, ich musste ganz raus.

Vor Weihnachten hatten wir wieder etwas mehr Kontakt über WhatsApp. Ich erzählte ihm auch von dem Unglück mit dem Italiener und schließlich auch von meiner Entscheidung, doch an Silvester nicht zu dem Italiener nach München zu fliegen. Und auf einmal kam zum ersten Mal seit Wochen und Monaten das Angebot von Mister Silvester, doch mal wieder zu telefonieren.

Wir haben es dann doch nicht getan aus verschiedenen Gründen. Und trotzdem … ich habe es völlig falsch interpretiert und dachte wirklich, dass der Rückzug von Mister Silvester mit meiner verkorksten Romanze mit dem Italiener zu tun hatte. Und wer weiß, vielleicht war das auch irgendwie ein Teil des Grundes. Ich weiß es nicht.

Im Januar war ich krank. Gleich zum Jahreswechsel. Ich war zu viel Laufen, auch, als ich schon Halsschmerzen hatte und ich bestand auf meinen Silvester- und Neujahrslauf. Beides hätte ich besser gelassen, denn daraufhin hatte ich die Bronchitis meines Lebens und war zwei Wochen lang krankgeschrieben. Ein toller Start ins Jahr.

Diese zwei Wochen zu Hause waren auch deswegen besonders giftig, weil ich in der Zeit ständig alte Nachrichten von ihm und mir von Anfang 2016 gelesen habe. Damals schien alles so magisch zu sein und wir waren beide so voller Hoffnung, ineinander einen Neuanfang gefunden zu haben. Wie sich das so drastisch ändern konnte, ich habe es nicht verstanden.

Im Januar hat Mister Silvester dann noch einige Male ein Gespräch angeboten. Einfach so, weil wir so lange nichts voneinander gehört hatten. Ich habe abgelehnt. Erst, weil es zu wehtat, all die alten Gefühle vom vergangenen Jahr. Dann, weil ich entschied, mich voll auf die Jobsuche zu konzentrieren.

Mein genialer Plan war es, mich erst wieder bei Mister Silvester zu melden, wenn ich ihm die Nachricht überbringen kann: Ich habe einen neuen Job. Möglicherweise habe ich mich auch deswegen ein Stück weit in die Suche so reingekniet, weil ich danach dann endlich all das Chaos mit Mister Silvester angehen wollte und schauen wollte, ob wir noch eine Chance haben.

Ganz kontaktlos waren wir dann doch nicht bis zu meiner Kündigung. Er meldete sich immer mal wieder und irgendwann, als es schon recht gut aussah, erzählte ich ihm auch, dass ich vielleicht einen neuen Job in Aussicht habe.

Bei meinem letzten Vorstellungsgespräch (die Bewerbung für meinen neuen Job sah drei Gespräche vor, alle drei Runden habe ich gemeistert), fragte er, wann der Termin ist und kurz vorher wünschte er mir viel Glück. Ich ging wie auf Wolken in das Gespräch und glaube, ich war auch ein wenig deswegen so gut, weil ich wusste, dass er gerade an mich denkt und mir die Daumen drückt.

Auch danach, er blieb interessiert und fragte, wie es weitergehen würde und an dem Tag, an dem ich voraussichtlich eine Antwort kriegen sollte, fragte er auch nach. Ich hatte gerade den Anruf mit der Zusage bekommen und er war tatsächlich dann die zweite Person nach meinen Eltern, der ich die guten Nachrichten mitteilte. Ich war noch unterwegs, als ich seine Nachricht las, ein einfaches „Und?“. Und ich rief ihn auf der Stelle zurück, noch aus dem Einkaufszentrum.

Das war das erste Mal seit einem halben Jahr, dass wir tatsächlich miteinander sprachen und ich war fast ein wenig schockiert darüber, wie sehr mich nur seine Stimme innerlich zum Beben brachte. Er hat sich so für mich gefreut. Aber wir hielten das Gespräch kurz und wollten am Wochenende eigentlich noch mal ausführlich reden. Eigentlich.

Schon lange hatte ich mit dem Gedanken gespielt, einen neuen Job unbedingt mit ihm feiern zu wollen, ihn zum Essen einladen zu wollen. Weil er für mich so eine wichtige Rolle in meiner Wandlung im letzten Jahr gespielt hat. Ohne ihn wäre nie der Stein ins Rollen gekommen, wegen dem ich mich so sehr zum Positiven verändert habe und wegen dem ich, jetzt, schlussendlich, auch endlich den beruflichen Neuanfang hatte, den ich mir schon so lange gewünscht hatte. So dachte ich wenigstens.

Als ich ihn dann fragte … erzählte er mir auch von den Neuigkeiten in seinem Leben. „Ja, ich bin nächste Woche erst mal in Kiew und vielleicht hat sich danach auch mein Leben für immer verändert.“

Es stellte sich heraus, dass er über Facebook eine neue Ukrainerin kennengelernt hat und die beiden mehr als nur Freundschaft zu verbinden schien.

Für mich ein Schock und ich war heilfroh, dass ich davon erst eine Woche nach meinem wichtigen Vorstellungsgespräch erfuhr. Eine Woche früher und es wäre mit Sicherheit anders ausgegangen.

Es war und ist nicht mal die neue Frau in seinem Leben, die mich so sehr stört. Sondern dass er mir nichts von ihr erzählt hat, bis er musste. Und dass er meine Frage, ob ich ihn als Dankeschön zum Essen einladen kann, so hinstellte, als hätte ich ihn gebeten, etwas Unmoralisches zu tun.

Denn er hätte nicht mal dafür nach Berlin fahren müssen. Ich wusste, ich würde noch Urlaub haben, ich wäre gerne noch mal für einen Kurztrip nach Hamburg gefahren. Hamburg ist für ihn eine gute Autolänge entfernt und er ist sowieso mehrmals im Monat wegen diverser Erledigungen in der Gegend. Man hätte sich da einfach auf einen Kaffee treffen können und niemand wäre in eine seltsame Situation gekommen. Eigentlich.

Wir verblieben so, dass er sich nach Kiew bei mir meldet und Bescheid sagt, ob das was wird oder nicht. Ich habe bis heute nicht wieder von ihm gehört. Und das tut so unglaublich weh.

Mein Facebook-Profil ist mittlerweile reaktiviert, weil ich es nutzen wollte, um mit Kollegen in Kontakt zu bleiben. Mister Silvester hatte ich aber schon entabonniert bevor ich von der Ukrainerin wusste, weil ich mir da schon dachte, es ist besser, nicht gleich in alte Gewohnheiten zurückzufallen. Wahrscheinlich ist dort zu lesen, dass er in einer Beziehung ist. Ich weiß es nicht. Ich habe seine Seite nicht mehr besucht.

Dass er mit der Ukrainerin zusammen ist, weiß ich über sein Profil auf dem Portal, über das wir uns kennengelernt haben. So oder so … gut möglich, dass er davon ausgeht, dass ich es weiß. Dank Facebook. Aber dennoch … die Abmachung war, dass er sich meldet. Und das er es nicht tut …

Bis zum letzten Sommer hat er mir immer wieder gesagt, dass er mit wenigen Leuten so eng befreundet ist wie mit mir. Dass es nur ganz wenige Leute gibt, deren Freundschaft ihm so wichtig ist wie die unsrige und dass er nie auf sie verzichten möchte. Das habe ich ihm geglaubt. Darauf habe ich vertraut.

Bei all den vielen gemischten Gefühlen für den Mann in meinem Kopf und den wahren Mister Silvester, war es dennoch unsere Freundschaft, weswegen er mir so enorm wichtig war. Er war meine Go-To-Person. Und als er es nicht mehr sein wollte … ich habe es nicht verstanden. Aber irgendwo noch immer darauf vertraut, dass das alles nur eine Phase ist. So hat er es schließlich auch gesagt. „Mir geht es gerade nicht gut. Ich muss gerade alleine sein. Es kommen aber auch wieder andere Zeiten. Hab einfach etwas Geduld und lass mir für den Moment meine Freiheit.“

Und das habe ich getan. Ich finde, schon im Herbst habe ich sehr viel Rücksicht auf ihn und seine Lage genommen und mich sehr viel seltener gemeldet, als ich es gewollt hätte. Aber spätestens ab dem Moment, ab dem ich mich bei Facebook abgemeldet habe, war ich nicht mehr übermäßig präsent in seinem Leben.

Letztendlich … kann man wohl sagen, dass ich schon bekommen habe, was ich wollte: Eine Klärung der Lage zwischen ihm und mir, jetzt, wo ich den neuen Job habe.

Aber dass es so gekommen ist, so kommen musste …

Rückblickend wirkt alles so falsch. Ich meine, er hat mir immer wieder versichert, wie wichtig ich ihm bin und wie wichtig ihm unsere Freundschaft ist. Die Worte sind ja tatsächlich gefallen, die habe ich mir nicht eingebildet. Und dennoch habe ich das Gefühl, dass es ihm eigentlich nur noch lästig war, dass er mir so wichtig war. Dass er mich eigentlich schon ab dem letzten Sommer aufs Abstellgleis gestellt hat.

Ich weiß nicht, ob es mein wachsender Erfolg ist, der ihn abgestoßen hat. Denn je mehr ich meine Probleme gemeistert habe, je kleiner meine Ängste wurden, umso mehr hat er sich zurückgezogen. Im Grunde war die Idee, den neuen Job mit ihm zu feiern, weil er die Entwicklung erst möglich gemacht hat, auch eine völlige Schnapsidee, weil ich alles, was ich im letzten halben Jahr vollbracht habe, aus eigener Kraft geschafft habe. Er wollte mich ja nicht unterstützen, egal, wie sehr ich ihn anfangs darum gebeten habe und alle Schritte in diesem Jahr bin ich völlig ohne seine Unterstützung gegangen.

Schon bevor ich wusste, wie seine Reise ausgegangen ist, war ich sicher, wir würden uns nicht treffen. Und die Erkenntnis, dass ich den neuen Job mehr mir als ihm zu verdanken habe, führte dann auch zu der Entscheidung, das Geld, was ich in einen Kurztrip nach Hamburg und ein Essen mit ihm investiert hätte, lieber in mich selbst investieren möchte: Ich habe mir gleich an meinem ersten Urlaubstag vor zwei Wochen mein zweites Tattoo stechen lassen.

Es ist nicht seine neue Beziehung, die mich stört. Es ist diese Sache, dass ich ihm so unwichtig geworden bin, dass er mir nicht mal persönlich davon erzählt, die so sehr wehtut. Und er wird mir auch für morgen keinen guten Start im neuen Job wünschen. Ich bin nicht mal sicher, ob ich überhaupt noch mal von ihm hören werde.

Ich trauere nicht um eine verpasste Chance auf eine Beziehung. Ich bin sicher, hätten wir uns getroffen, hätte ich wieder gemerkt, dass da im Grunde keine Anziehung zwischen uns ist und wir als Freunde besser dran sind. Ich trauere um die Freundschaft, die so besonders für mich war. Er war für mich fast wie Familie, fast wichtiger. Er hat mir in vielerlei Hinsicht geholfen und mich auf den richtigen Weg gebracht.

Dass es jetzt so enden musste … es ist fast ein wenig schmutzig, aber unglaublich traurig ist es allemal.

Ich verstehe es nicht. Ich akzeptiere es zwar, dass es jetzt so ist, wie es ist und werde nicht versuchen, etwas zu ändern. Aber ich verstehe es nicht. Und der Schmerz darüber, dass es jetzt so gekommen ist … auch der wird mich wohl noch eine Weile begleiten …

Kommentare

21:34 04.04.2017
boh. ich fühle mit dir. ich hab auch noch so was für mich ungeklärtes, das wird man dann auch nie ganz los, aber ich hab auch das gefühl, dass da noch was kommen wird. das leben ist lang.
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08:33 03.04.2017
Ich glaub ja, die Geschichte mit ihm ist noch nicht durch
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07:57 03.04.2017
Mir würde es da ähnlich gehen wir dir.
Man kann ohne Erklärung einfach wesentlich schlechter abschließen finde ich
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