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Tagebuch c.
2010-08-10 22:58
I like it when it hurts

Vielleicht bin ich auch nicht paranoid, vielleicht bin ich einfach nur leicht beeinflussbar. Es war völlig ok, als er letzte Woche fragte. Ich schränkte es zwar ein:  „Ich werde nicht extra nur dafür zu meiner Wohnung fahren. Ich schick dir die Bilder nur, wenn sie mir auch gefallen.“ Aber es war völlig ok. Die erste Einschränkung war mehr in dem Gedanken begründet, nicht gleich springen zu wollen, wenn er „Hüh“ ruft. Die zweite Einschränkung hat mit mir selbst zu tun. Finde ich mich selbst einfach nur abstoßend, kann ich das unmöglich mit anderen teilen, das würde es nur noch schlimmer machen.

Aber ansonsten war es ok. Ich war mir sicher, kommt etwas dabei raus, was mir gefällt, dann würde ich es ihm schicken.

Und dann kamen die anderen. Mit ihren Bedenken. Von einigen Seiten hieß es: „Solche Bilder würde ich nie aus der Hand geben. Wer weiß, was damit passiert.“ Oder: „Bist du dir sicher? Du kennst den Typen doch gar nicht. Gerade du solltest wissen, wie viele Fakes es im Internet gibt.“

Und dann war ich mir plötzlich nicht mehr sicher. Ich lasse mich so leicht verrückt machen. Mir fiel ein Film ein, ein toller von RTL natürlich höchstwertig produzierter Fernsehfilm, der irgendwann in den letzten drei Jahren noch mal im Fernsehen zu sehen war. „Die Mädchenfalle. Der Tod kommt online.“ Da hatte irgendein merkwürdiger Mensch einem schmucken Jüngling das Foto abgeluchst und hatte ihn wohl auch, wenn ich mich recht erinnere, für Telefonate bezahlt oder so. Ich weiß es nicht mehr.

Aber gerade ich muss eigentlich gar nicht so weit gehen. Ich brauche mich nicht von schwachen Trash-Filmen verunsichern lassen. Ich muss nur an Sven denken. Icq-Sven. Das Paradebeispiel für Fakes im Internet. Spann er sich da damals seine Geschichte rund um Sven zusammen, samt den dazugehörigen Bildern, die er von irgendeiner Internetseite klaute. Lullte irgendwelche Mädels via Icq ein und war stolz über jede Eroberung, die er dazu brachte, ein paar Fantasien mit ihm auszutauschen.

Und in Wirklichkeit saß er zu Hause mit seiner ahnungslosen Freundin und war von „Sven“ wirklich meilenweit entfernt.

Ich meine, ich mochte ihn sehr, meinen Icq-Sven und wir beide hätten uns wohl zum Ende unseres drei, vierjährigen Kontaktes wohl tatsächlich als Freunde bezeichnet. Aber durch ihn habe ich quasi das Dasein eines Internetfakes backstage mitbekommen.

„Gerade du solltest doch wissen, wie viele Fakes es im Internet gibt.“

Bla. Bla. Ich hasse es, wenn ich so beeinflussbar bin. Wenn mich andere zum zweifeln bringen. Ich zweifle aus eigener Kraft schon oft genug, aber so ist das so unnötig. Da macht man sich verrückt, sieht Gespenster an allen Ecken, wird etwas paranoid und das nur, weil andere ihren Senf hinzugegeben haben. Dabei war es doch eigentlich ursprünglich mal völlig ok.

Es ist mir gleich, was er mit den Bildern anstellen würde, solange er sie nur nicht verbreitet. Warum mache ich das, werde das morgen machen? Ich will wissen, was dabei herauskommt. Ob sich wirklich Bilder schießen lassen, auf denen ich mir so gefalle. Und ich finde es schön, genau das FÜR jemanden zu machen. Es ist…dass ich mich selbst in vielerlei Hinsicht ziemlich scheiße finde, ist ein offenes Geheimnis. Die Bilder von letztens, die Brillenbilder…Ich weiß, dass die gut sind. Aber es ist….Ich habe immer nur von meinen Eltern gehört, sei es nun Aussehen oder Leistung: „Du könntest so gut/so toll/so hübsch sein, wenn du dich nur mehr anstrengen würdest.“ Niemals: „Du bist…“ Immer nur: „ Du hättest das Potential, aber du machst nichts daraus.“ Immer. Schon immer.

Die Bilder sind so zu sehen. Idealbilder. So könnte ich idealerweise tatsächlich immer aussehen. Aber eigentlich sind es nur günstige Momentaufnahmen, die Wirklichkeit ist monströs verzerrt. In meinem Blick. Die Mängelliste ist ellenlang und ich weiß, manches würde sich ändern lassen, aber die wesentlichen Dinge, die kann ich nicht ändern, diese furchtbare, furchtbare Asymmetrie, die mir schon immer ein Dorn im Auge war, die werde ich nie ändern können und ich werde mich vermutlich immer mal wieder daran festbeißen. Egal, wie sehr ich mich anstrenge, ich werde nie mein Idealbild erreichen. Das weiß ich.

Aber dann kommt jemand wie der Musiker daher, der gerade so sehr von den Dingen angezogen wird an, die mich an mir selbst am meisten stören. Es tut gut, zu hören, dass er ausgerechnet das sehen will. Ihm diesen Gefallen zu tun, ist so unendlich schwer, aber es lohnt sich. Nicht nur, wegen der Bestätigung, die ich bekomme. Auch, weil es ein bisschen meinen eigenen Blick auf mich ändert. Wenigstens für einen kurzen Moment. Wenigstens kommt mir ab und zu tatsächlich einmal der Gedanke: „Du kannst auch ganz ok sein.“

Und gerade dieser Umstand führte heute zu einem richtigen Einbruch. Stimmungsmäßig. Denn ich reagiere wie eine Verdurstende auf ihn, den Musiker, bin wie eine Blume, die endlich wieder gegossen wird, ich blühe auf, aber es fühlt sich gerade so falsch an, so falsch, weil einfach zu viel virtuell ist und zu wenig real. Oder nicht?

Am Sonntag hatte ich Besuch. Von einer Freundin, mit der ich zur Schule ging. Natürlich habe ich ihr von den neusten Neuigkeiten berichtet. Ihr erster Kommentar bei meinen ersten Andeutungen: „Aha…ein neuer Mann? Virtuell oder mal real?“

Ich weiß, dass das absolut nicht böse gemeint war von ihr. Aber dieser Satz steckt dennoch seitdem wie ein Stachel in meiner Haut.

In gewisser Weise bin ich vielleicht tatsächlich eine mädchenhafte Unschuld. Denn es gab noch nie Normalität in meinem Leben was Beziehungen angeht. Ich habe mit fast 28 Jahren noch nie etwas geführt, was man als normale, beständige Beziehung bezeichnen könnte.

Ich war immer die mit den skurrilen Geschichten. Und ich kann hunderte verrückte Geschichten erzählen. Von Dönerbuden. Von Hinterhöfen. Von Telefonbeziehungen. Von Kellerlöchern. Von „Do-you-wanna-know-what-a-black-guy-looks-like“-Intermezzi. Von acht Jahren Hickhack auf die ganz große Dramatour. Von Bahnbekanntschaften noch und nöcher. Königin der Bahnbekanntschaften, so nannte ich mich einst. Das einzige, was in meinem Leben annähernd an eine „normale“ Beziehung heranreichte, war dann so was von verkorkst auf Grund von kulturellen Unterschieden, dass man im Nachhinein auch nur noch drüber lachen möchte. Und es gab so viele, viele verrückte Internetgeschichten in meinem Leben.

Ja, ich kann viele Geschichten erzählen und auf die verrücktesten unter ihnen war ich zeitweise auch durchaus stolz, machten sie mich doch auch irgendwie besonders. Aber irgendwie….ich kann es nicht mehr sehen, diesen skeptischen Gesichtsausdruck…Hochgezogene Augenbraue, gedehntes „Okaaayyyyy“…Hinter meinem Rücken verdreht man dann die Augen. Vielleicht. Es würde passen. Ich weiß es nicht.

Da hat sie schon wieder eine verrückte Geschichte am Start. Nur nie etwas Echtes. Nie etwas Normales. Natürlich sind die Wertungen verschieden, nicht jeder will zukünftig ein Reihenhaus mit weißem Gartenzaun, Apfelbaum, Hund, Mann, Kind. Aber mit zu großen Abweichungen von der so genannten Normalität wird man auf Dauer auch nur belächelt.

Ich hasse es, wie sehr mich die Meinung anderer beeinflussen kann. Ich hasse es, wie leicht ich mich manchmal verunsichern lasse. Ich hasse mich, blicke ich auf mein Leben und mein verworrenes Beziehungsgedöns zurückblicke. Wie oft habe ich mich in meinem Leben eigentlich schon unter Wert verkauft? Aber….ist man sich selbst nichts wert, kann man sich auch kaum unter Wert verkaufen...

 Vielleicht bestrafe ich mich ja selbst damit, mit dem ganzen Müll aus der Vergangenheit. Fliehe vor den guten Aussichten und stürze mich mit Vollgas kopfüber in die Scheiße. Normalität hast du eh nicht verdient, also gönn dir wenigstens ein bisschen Herzklopfen mit den skurrilsten Episoden. Mehr steht dir eh nicht zu. Groteske für die Groteske. Monster für das Monstrum. Wenigstens hast du dann ja noch eine spannende Geschichte zu erzählen. Whoohoo. Wenigstens das.

Mal im Ernst, darauf kann man doch auch irgendwo stolz sein, oder? Mit meinen Geschichten könnte ich sicher höchst unterhaltsam ganze Bücher füllen. Das kann auch nicht jeder von sich behaupten.

Aber so ein bisschen Normalität, das wünscht sich ein Teil von mir doch manchmal. Nur ein ganz, ganz kleines bisschen Liebe. Wenn man sich mal überlegt, dass das einzige Wesen, was mir uneingeschränkte Liebe entgegenbringt, mein Hund ist, möchte man ja fast auch nur noch heulen.

Der Musiker…er war mein Versprechen auf Normalität, genau die Normalität, die ich brauche. Genau das richtige Maß zwischen Nähe und Distanz, sei es durch die tatsächliche räumliche Trennung begründet, sei es durch seine und meine Ansichten begründet.

Eigentlich „kennen“ wir uns gerade in bisschen mehr als einen Monat. Am 06.Juli hat er mich zum ersten Mal angeschrieben. Eigentlich ist das ja noch gar nicht so lange. Eigentlich ist das ja zeitlich alles echt im Rahmen. Eigentlich.

Uneigentlich sieht es in mir gerade etwas anders aus. „Nur virtuell, nicht mal real, nur virtuell, nicht mal real, nur virtuell, nicht mal real.“ Die Worte dröhnen heute Abend durch meinen Kopf.

Ich kann damit im Augenblick unheimlich schlecht umgehen. Es gab Zeiten, da ging das wunderbar, da hatte ich meinen positiven Effekt bei virtuellen Geschichten, da war das alles super, weil ich selbst nie daran dachte, dem ganzen jemals eine Realität zu geben. Weil ich mich zu sehr vor zerplatzenden Seifenblasen fürchtete.

Jetzt will ich eine Realität. Die zerplatzende Seifenblase fürchte ich immer noch. Aber irgendwie glaubt ein Teil von mir nicht, dass sie dieses Mal platzen würde. Und selbst wenn…dann wüsste ich das wenigstens auch. Besser als so. Alles besser als so.

Heute Abend verachte ich mich selbst dafür, dass ich wieder mal nur eine verworrene Internetgeschichte zustande gebracht habe. Ich verachte mich dafür, dass mir jemand, den ich nie gesehen habe, so gut tut. Das ist eine Schwäche. Eine verdammte Schwäche. Wenn man sonst nichts Vernünftiges im Leben zustande bringt, klammert man sich wohl an die winzigsten Strohhalme. Ich verachte mich, hasse mich heute so sehr für den Mangel an Normalität. Ich will das nicht. Ich meine, ich will das schon. Die Geschichte mit dem Musiker. Nur nicht so. Nicht mehr so. So, wie es im Moment ist, ist es doch quasi die Manifestation meiner eigenen Unfähigkeit. Wieder nichts auf die Reihe gekriegt.

Meinen Frust, meinen Hass, meine Wut, meine Trauer lasse ich heute Abend an mir aus. Wie immer. So ist das nun mal. Schließlich habe ich es ja auch verbockt. Schließlich ticke ich nicht richtig. Also habe ich es auch gar nicht anders verdient.

I like it when it hurts. Hm. Vielleicht ist es ja das.

Scheißtag. Warum, warum nur bin ich so leicht zu verunsichern? Dreck. Einfach nur Dreck.

 

Kommentare

08:47 11.08.2010
Es bleibt spannend.
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unbekannt
23:26 10.08.2010
Boah, wenn ich mir deine Gedanken zu dem Thema so durchlese, hab ich ständig das Gefühl, du redest von mir oder ICH schreibe diese Worte... Frea war/ist für mich das, was der Musiker für dich ist; mit dem einzigen Unterschied, dass ich ihn bereits real gesehen habe und weiß, wer er ist.
Aber ist es nicht auch wirklich so, dass es nicht nur Fakes gibt, sondern mindestens genauso viele Menschen, die sich genau so darstellen, wie sie wirklich sind - echter noch als in der Realität, weil man ihre SEELEN zu Gesicht bekommt und nicht die Maske, die man im Alltag aufsetzt?!
Frea fand auch all die "Stellen" an mir toll, die ich ganz besonders schlimm finde; damit kam ich anfangs überhaupt nicht zurecht und dann fand ichs wunderbar - es hat mir so gut getan! (Und das wünsche ich dir auch von Herzen!)
Du solltest den Musiker ganz dringend kennen lernen - und dann weißt du auch, ob es gut ist (oder war), ihm die Bilder zu schicken/zeigen. (Letztlich sehe ich persönlich nichts verwerfliches darin. Was soll er denn groß anderes damit anfangen als das, was du dir selber wünschst, wenn du sie ihm zuschickst?!)
Wünsch dir alles Gute!!!


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2010-08-10 22:58