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Tagebuch c.
2010-11-21 23:57
Dasselbe in Grün
Wahrscheinlich ist es mitunter ein wenig ermüdend, hier immer nur „meine Eltern dies, meine Eltern das“ zu lesen. Aber das ist im Moment so ziemlich das einzige der Themen, über das ich mich öffentlich auslassen möchte. Alles andere ist…Dem Gefühl nach nichts für die Öffentlichkeit und nicht mal etwas für ein 4-Augen-Gespräch mit Freunden. Ob das so gut ist, das alles mit sich selbst ausmachen zu wollen, weiß man auch nicht, aber im Moment ist es am besten so. Scheint mir.

Deswegen schreibe ich jetzt also erneut über meine Eltern. Über mein Vater speziell. Auf der einen Seite erzählt er immer, dass er möchte, dass ich mal endlich auf eigenen Füßen stehe, auf der anderen Seite kriegt er das mit dem Loslassen aber echt nicht auf die Reihe. Und es nervt mich. Und ich schweige. Und trotzdem…Dieses „Wir-machen-jetzt….“….Das nervt mich einfach nur.

Und dann…Heute sollte ich etwas an seinem PC schauen. Er hatte noch das Outlook mit einer Email von den französischen Freunden geöffnet. Und was schreibt die olle Französin???? (Auf Französisch, nicht auf Deutsch, aber verstanden habe ich es trotzdem.) „Ich hoffe deiner Tochter geht es gut und sie nimmt endlich ihre überflüssigen Kilos ab.“ Ich stand da und dachte, ich sehe nicht richtig. Wie unverschämt das eigentlich ist, dass da mein Körper einfach so im Bekanntenkreis diskutiert wird. Es schockiert mich immer wieder aufs Neue. Und in diesem Fall…Ich kenne die Frau nicht mal, hab sie nie persönlich kennen gelernt. Ich kann das einfach nicht glauben. Das ist so….grotesk. Im Grunde unvorstellbar. Wenn ich jetzt acht Jahre alt wäre….Aber ich bin 28 geworden.

Ich weiß nicht wie, aber ich muss endlich weg, ganz weit weg. Ich brauch einen Plan. Das gehört im Moment zu den unausgesprochenen Dingen, die mich beschäftigen. Mal sehen, ob ich zu einer Lösung gelange.

Denn ich merke, wie mir das langsam die Luft zum atmen nimmt. Ich kann das nicht mehr. Aber ich kann auch noch nicht explodieren, kann nicht mal sachlich meine Meinung sagen, in Schranken weisen. Noch nicht. Hoffentlich nur „noch nicht“.

Ich merke, wie ich unsicherer werde, sobald ich die Schwelle zum Haus übertrete. Ich habe fast das Gefühl, mit Betreten des Hauses zu einem Fleischberg, ähnlich groß wie der berühmte Titanic-Eisberg, zu mutieren.

Ich habe, aus Lust und wegen so wundervollem Feedback aus ganz besonderer Richtung, im Sommer ein wenig meine Garderobe umgestellt, einige Kleider dem Kleiderschrank hinzugefügt. Unter anderem ein echt schönes Strickkleid in meiner Lieblingsfarbe Petrol. Wochenlang habe ich es nicht bei meinen Eltern angezogen. Dann wagte ich es mal. Fühlte mich schon automatisch unwohl. Beim zweiten und dritten Mal ebenso. Beim dritten Mal am schlimmsten. „Läufst du auch so durch die Stadt mit dem Kleid? Das geht aber gar nicht.“ Das war der Kommentar meiner Mutter letzte Woche. Am Freitag erklärte mein Vater mehr oder weniger nebenbei, dass er ja nicht hoffe, dass ich das unmögliche grüne Kleid zu möglichen zukünftigen Vorstellungsgesprächen anziehe.

Spätestens da stand für mich fest, dass ich das Kleid nicht mehr anziehen werde, wenn ich meine Eltern besuche.

Ich mag es eigentlich. Ich mag es an mir. Aber letzte Woche, als ich es zuletzt in Beisein meiner Eltern trug, hätte ich mich nicht unwohler fühlen können, wenn ich völlig nackt gewesen wäre. Ja, ich würde sagen, ich fühlte mich in dem Kleid auf einmal nackter als ich es nackt je sein könnte. Ich fühlte förmlich, wie ich in meinem Bewusstsein wuchs und wuchs und wuchs und schließlich dort saß, ein riesiger Klotz Fleisch elefantösen Ausmaßes.

So geht es immer. Sie machen mir irgendwie einfach immer jeden kleinen Fortschritt in Richtung Selbstakzeptanz kaputt.

Wenn ich alleine bin, ist das anders. Ich bin ja absolut spiegelfixiert. Bei so viel Unsicherheit sollte man das nicht meinen, aber gerade deswegen ist es wohl so. Ich kann an keinem Spiegel, keiner Spiegelfläche vorbeigehen, ohne hineinzuschauen und mein Äußeres abzuschätzen. Gerade in der Stadt bei den ganzen Schaufenstern fällt mein Urteil über mich selbst da gnädiger aus las man meinen könnte. So im direkten Vergleich zu anderen Menschen, die sich ebenfalls in den Schaufenstern spiegeln, da denke ich dann schon das ein oder andere mal: „Hm, na sooooo unerträglich abstoßend breit bist du ja gar nicht.“

Es gibt auch Dinge, die ich wirklich an mir mag. Wenn ich angezogen bin. Hüfte, Taille. Stehe ich frontal vor einem Spiegel, mag ich manchmal den Schwung in den Körperformen ganz gerne. Oder meinen Arsch…Ich mag meinen Arsch von der Seite….In schwarzen Stoffhosen mag ich ihn wirklich, finde ihn recht gelungen, den Übergang von Hintern zu Bein.

Gut, in Dessous oder ganz nackt ist das wieder was anderes…Die ganzen fürchterlich schrecklichen Dellen und Hubbel….Kraterlandschaften auf meinem Hintern. Fürchterlich.

Aber es ist ja immerhin schon mal etwas, dass ich, wenn ich alleine und angezogen bin, Dinge an meinem Körper finde, die mir gefallen. Das hätte ich so auch nicht immer sagen können.

Nur ist es jedes Mal damit aus, wenn ich bei meinen Eltern bin. Da werde ich so unsicher auf einmal. Da gebe ich ganz genau darauf acht, wie ich mich bewege, was ich esse, wie ich mich setze. Ich fühle mich beobachtet, bewertet, abgeschätzt, beurteilt. Nie sonst habe ich so sehr das Gefühl, ein abstoßender, unförmiger Fleischberg zu sein wie dort. Da sind die Spiegelflächen auch plötzlich nicht mehr gnädig. Ich weiß nicht, woran das liegt. An meiner Wahrnehmung? An ihrer Anwesenheit?

Es muss sich ändern. Irgendwie. Sonst lande ich irgendwo, wo ich gar nicht hin will, führe ein Leben, was mich nicht glücklich macht. Ich muss mal endlich irgendwie mein Ding machen. Irgendwie. Ja, die große Frage ist nur wie.

Natürlich muss es sich ändern. Diese Wahrheit galt vor fünf Jahren nicht weniger als heute. Ich merke nur immer mehr, dass es sich nicht von selbst ändern wird. Dass man nicht auf glückliche Umstände hoffen kann. Wenn ich das „wir“ nicht wirklich selbst unterbinde, zeige, dass ein „ich“ es auch ohne „wir“ schaffen kann, wird das ganz böse enden.

Ich weiß doch, was mich diese jahrelange emotionale Abhängigkeit schon alles gekostet hat. Gerade der jüngste Fall…Denke ich ernsthaft darüber nach, könnte ich immer noch das große Heulen kriegen. Das wäre, zu mindestens nicht so und auf diese Art und Weise nicht passiert, wenn der ganze Mist nicht noch so arg in mir wirken würde.

Nee, also echt….Ich fasse das nicht….Der Gedanke an die Mail der Französin…Wie kommt man nur dazu, den Körper der Tochter mit Freunden und Bekannten zu diskutieren? Ich glaub’ das nicht. Ich glaub‘ das echt einfach nicht. Das ist doch irgendwie einfach nicht wahr.

Sie werden es nie akzeptieren, werden mich nie akzeptieren, nie einfach so lassen, wie ich bin. Damit muss ich mich langsam abfinden. Und ich sollte mich dabei trotzdem trauen, einfach „Ich“ zu sein, unabhängig davon, was sie darüber denken könnten. Mehr Spaß hätte ich dann an und in meinem Leben ganz sicher.

Kommentare

12:09 22.11.2010
Ich denke nicht, dass du dich damit abfinden solltest, dass dich deine Eltern nicht so akzeptieren, wie du bist. Denn du hast es VERDIENT, als den Menschen akzeptiert zu werden, der du bist!!!
Ich finde es gut, dass du versuchen willst, trotzdem du selbst zu sein, aber ich fürchte, das ist echt schwer, weil einem die Meinung der Eltern ja doch immer irgendwas bedeutet.
Insgesamt gesehen habe ich aber das Gefühl, dass sie dich oft unnötig herunterziehen. Du schreibst es ja schon selbst, sie schaffen es immer wieder, dein gerade aufgebautes Selbstwertgefühl zu zerstören. Sowas sollte nicht sein.
Ich weiß, dass man das nicht vergleichen kann, aber mir geht es so mit meiner Tante. Meine Tante hatte immer schon was an mir auzusetzen. Immer. Und ihre Kinder waren/sind ja immer so toll und perfekt und bla. Früher hab ich alles immer geschluckt, inzwischen kontere ich und hab mich innerlich so weit von ihr distanziert, dass ich innerlich nur noch müde lächele, weil ihre Anfeindungen so bescheuert sind. Wo es geht, vermeide ich es, mit meiner Tante aufeinander zu treffen.
Ich weiß nicht, ob ich genauso handeln würde, wenn es sich statt meiner Tante um meine Eltern handelte, aber irgendwann würde wohl mein Selbsterhaltungstrieb einsetzen. Und auch wenn's scheiße wäre, aber ich würde mich von meinen Eltern distanzieren, damit es mir wieder besser ginge.
Es heißt immer "das kannst du nicht machen, das sind deine Eltern"... ja, aber man sollte sich selbst nicht aus gesellschaftlich erwarteter Dankbarkeit den Eltern gegenüber vergessen!
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
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2010-11-21 23:57