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Tagebuch c.
2010-08-12 18:05
Creep

Was hat mir der gestrige Tag gebracht? Einen Haufen schlechte Fotos, eine Menge Selbsterkenntnis und Zerstörungswut, gegen die ich mich zu wehren versuche. Damit hat sich die Foto-Frage auch eh erledigt. So einfach kann’s sein.

Heute musste ich des Öfteren an dich denken, Maya, und an einen Satz, den ich in den letzten Tagen bei dir gelesen habe. Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, wenn ich diesen Satz hier zitiere. „Du versteckst dich hinter deiner Offenheit.“ Mir kam der Gedanke, dass man das auch durchaus über mich sagen könnte.

Ich meine, ich hatte gestern einen tollen Nachmittag und Abend mit meiner Freundin. Erst haben wir geredet, dann gekocht, dann waren die Fotos an der Reihe. Sie und ich, wir kennen uns schon ewig. Wir sind zusammen aufgewachsen. Vor ihr ist mir nichts peinlich und sie kennt mich vielleicht so, wie mich viele nicht kennen. Einfach weil es uns schon ein Leben lang im Leben der anderen gibt.

So war es auch gestern…Es war nicht klar, wann sie kommen würde und so war ich noch nicht fertig, als sie dann kam. Niemandem sonst würde ich diesen Blick auf mich und die Wohnung gestatten. Selbst im letzten Schlampenoutfit, das einen wunderbaren Blick auf die frisch verunstalteten Beine freigab. Die Wohnung nicht so aufgeräumt, wie sie hätte sein können. Aber es war egal. Bei ihr ist mir das egal.

Sie darf Seiten von mir sehen, die sonst niemand sehen darf. Und sie war auch die einzige, mit der ich überhaupt solche Bilder machen konnte. Und wir hatten schon eine Menge Spaß dabei. In den Vorbereitungen.

Aber andererseits dachte ich auch an etwas, was das Ding über mich und die Kontrolle gesagt hat und ich glaube, ich muss ihm da recht geben.

Meine Freundin hat sich wirklich bemüht, schöne Fotos von mir zu machen. Aber man sieht ihnen allen an, wie unwohl ich mich eigentlich fühle. „Was machst du eigentlich hier?“ Diese Frage steht mir ins Gesicht geschrieben, die Frage kann man an jeder einzelnen Pose ablesen.

Es ist nicht so, dass mir das Fotoding an sich unangenehm war. Ich habe es ja selbst schon gemacht. Es ist auch nicht so, dass ich mich vor meiner Freundin schämte, so in Dessous. Das war ok, das war völlig entspannt.

Es war mehr dieses….sich jemand anderem anzuvertrauen, jemand anderem die Kontrolle abzugeben. Ich glaube, deswegen mag ich auch Bilder mit Selbstauslöser nicht, weil ich das Ergebnis nicht kontrollieren kann. Die Bilder, die ich mit Selbstauslöser mache, sind die schrecklichsten, die es von mir gibt. Aber auch da ist es so….ich fühle mich nicht wohl, wenn ich nichts in der Hand habe. Wenn ich einfach „posen“ soll, mich einfach von der Kamera einfangen lassen soll. Ich stehe bei Selbstauslöserbildern wie ein Depp da, mit hängenden Armen, was dann im Ergebnis überdeutlich macht, was für eine schlechte Haltung ich doch habe. Ich bin so was von schief, das ist unglaublich. Dazu dann noch ein Blick zum Abgewöhnen…nee…Bilder mit Selbstauslöser, das ist eine ganz schlechte Idee. Das wird nichts. Das Ergebnis ist einfach nur zum Kotzen. Denn plötzlich fühle ich mich so unbeholfen. So völlig auf mich reduziert. So verletzlich. So schutzlos. Es passiert etwas mit mir, ich werde fotografiert, ich fotografiere nicht selbst.

Vielleicht liegt es daran, dass ich mich schon beim Gedanken an den Selbstauslöser unwohl fühle und entsprechend unentspannt an die Sache herangehe. Vielleicht ist es das. Aber am Ende ist es doch so…nichts bringt meine empfundene Monstrosität so gut zu Tage wie Bilder, die ich mit Selbstauslöser schieße.

Da ziehe ich jedes Spiegelbildfoto tausendfach vor. Davon habe ich in letzter Zeit auch einige gemacht. Für den Musiker. Das Problem dabei…Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen sind sie immer recht dunkel, egal wie viele Lichtquellen ich heranschaffe. Durch den Blitz geht mir oft das Gesicht verloren. Ohne Blitz werden die Bilder unscharf. Auch nicht super, aber ich fühle mich damit so viel besser. Allein schon weil ich etwas in der Hand haben kann, während ich das Foto mache. Und komischerweise bin ich dann auch gleich gar nicht mehr so schief. Hm.

Mit den Bildern gestern war es ähnlich. Ähnlich unangenehm. Intim. Zu intim. Ich konnte mich an nichts festhalten. Es lag nicht an dem Outfit, das war es nicht, aber ich hatte trotzdem das Gefühl, mich ihr völlig zu entblößen. Völlig nackt da zu stehen, aber nicht mit nacktem Körper, sondern mit nackter Seele.

Es lag tatsächlich nicht am Outfit. Ich habe kein Problem damit, mich vor ihr nackig zu machen. Zum Teil stand ich nur noch im Slip vor ihr. Und gestern gab es so viel Nähe, körperliche. Als sie mir mit den Korsagen half, die Dinger schnürte, indem sie mir ihr Knie in den Rücken stemmte und zog….Wie man es aus Filmen kennt….Nicht eine Spur von Schamgefühl war da. Als wir gemeinsam meinen Busen in Form rückten…Keine von uns war in diesem Moment peinlich berührt…Oder als sie mir die Strümpfe an den Strapshalten in Form zog und da irgendwo zwischen meinen Beinen herumhantierte…Wir hatten sehr viel Spaß dabei, haben viel gelacht, aber Scham, Peinlichkeit, die gab es nicht in dem Moment.

Die kam erst, als ich für die Fotos posieren sollte. Und zwar von meiner Seite aus. Erst da fühlte ich mich so entblößt. Wahrscheinlich wirklich, weil ich ab da die Kontrolle abgeben musste. Sie war nun verantwortlich für die Fotos. Ein, zwei gute Bilder sind dabei. Der Rest ist einfach Mist, weil man so sehr sieht, wie unwohl ich mich fühle.

So viel zu dem Punkt mit der Kontrolle. Das mit der Offenheit…Wir waren uns da ja gestern körperlich wirklich sehr nah, meine Freundin und ich und wie gesagt, ich stand da zeitweise im Slip vor ihr und es war ok. Kein Thema. Kein Problem.

Aber als wir dann mit den Bildern fertig waren, da kam das Problem. Für mich. Ich stand da, mit der Kamera in der Hand und wollte mir die Bilder anschauen. Sie stellte sich direkt hinter mich, beugte sich herunter (sie ist ein ganzes Stück größer als ich) und legte mir ihren Kopf auf die Schulter, um auch etwas von den Bildern sehen zu können. In dem Moment musste ich mich so zusammenreißen, um sie nicht wegzustoßen. Es war nur eine kleine Geste, aber obwohl wir uns so gut  kenne, obwohl sie mich im absolut ranzigen Outfit sehen durfte, obwohl sie die teilweise ranzige Wohnung sehen durfte, obwohl sie an meinem Körper herumdrücken und ziehen und zupfen durfte, war diese einfache Geste der Vertrautheit zu viel. Ich merkte richtig, wie ich verkrampfte und nur noch aushielt und schnell die Bilder durchklickte, damit ich aus der Situation herauskomme. Ähnlich war es vorher am Nachmittag, als sie mich einfach mal so in den Arm nehmen wollte. Kurze knappe Begrüßungsumarmungen, die halte ich ja gerade noch so aus. Aber mal ne Umarmung einfach so, die dann auch noch länger dauerte, als üblich…Das war ganz schwierig. Solche Umarmungen erwidere ich auch nicht und man merkt eigentlich, wenn man halbwegs sensibel ist, dass ich bei so etwas eigentlich nur verkrampfe und aushalte.

Tja…und da fiel mir auch wieder ein, warum ich eigentlich nur auf lauter skurrile Geschichten zurückblicken kann.

Ich kann sehr offen über mein Innenleben berichten. Allein die jahrelange Schreiberei hier war eine gute Übung dazu. Verbal kann ich den Leuten, die einmal mein Vertrauen haben, eigentlich ganz gut einen Blick auf meine Seele gestatten.

Und ich bin absolut imstande, mich in lieblosen Situationen zu entblößen. Lieblos. Sachlich. Nüchtern. Sowohl seelisch als auch körperlich. Aber wichtig ist wohl, dass die Situationen tatsächlich völlig sachlich, nüchtern oder gar lieblos sind.

Bei liebevollen, vertrauten Gesten dagegen mache ich dicht. So war es gestern, bei diesen kleinen Miniaugenblicken. So war es früher.  In dieser einen Nacht, wo man(n) mit mir in liebevoller Umarmung einschlafen wollte. Ja, ich weiß, die Situation damals war auch unvorstellbar schräg, aber es lag nicht nur daran, dass ich mich damals ganz weit weg wünschte, als er seinen Arm um mich legte.

Tatsächlich komme ich wohl ganz gut damit zurecht, wenn ich mich den Leuten als Objekt zur Verfügung stelle. Wenn ich mich benutzen lasse. Aber damit, dass man auf mich eingeht, mich zum Subjekt macht, damit komme ich gar nicht gut klar.

Auf eine Art und Weise zeige ich mich der Welt ganz weit offen. Ich werde oft dafür bewundert, dass ich meine Probleme und Macken so gut formulieren kann. Aber trotz all der Offenheit bin ich am Ende niemandem so wirklich nahe. Die emotionale Nähe, die versage ich mir selbst. Warum ist das nur so schwer, sie auszuhalten? Warum ist es so schwer, sich jemandem tatsächlich zu öffnen? Sich zu entblößen, einen (Seelen)Strip vor jemandem hinzulegen ist dagegen so viel einfacher.

Diese ganzen Überlegungen führen nicht gerade dazu, dass ich mich aus meinem Stimmungstief in Bezug auf den Musiker wieder hocharbeiten kann. Im Gegenteil. Ich habe heute, zwar zum ersten Mal, aber dafür überwältigend stark, das Bedürfnis, die ganze Geschichte einfach abzubrechen. Ohne ein Wort. Einfach zu verschwinden. Natürlich hat er meine Nummern. Vielleicht würde er es tatsächlich ein paar Mal versuchen, mich zu erreichen, wenn ich einige Tage lang verschwunden war. Aber jeder Mensch mit einem Funken Stolz im Leib wird es, trotz offener Fragen, irgendwann bleiben lassen und den Kontaktabbruch akzeptieren. Und da er mich ja nicht mal gesehen hat, kann ich mir nicht vorstellen, dass der Musiker wirklich lange hinter mir her telefonieren würde. Die paar Male, die lassen sich aushalten. Und dann ist es vorbei.

Ich mache so etwas oft…Aus einer Laune heraus die Leute aus meinem Leben schmeißen. Weil es mir aus irgendwelchen Gründen nicht gut geht mit dem Kontakt zu ihnen.

Natürlich tut mir der rein virtuelle Kontakt mit dem Musiker nicht gut. (Das Telefon zähle ich in diesem Fall auch als ein virtuelles Mittel.) Aber es ist vielmehr so, dass ich mich gerade selbst nicht wirklich gut leiden kann. Meine ganze Verkorkstheit steht mir im Moment überdeutlich vor Augen. Ich habe nur einen Blick dafür, was ich alles nicht kann, was alles falsch ist, was ich nicht auf die Reihe kriege.

Und…die logische Konsequenz, wenn für mich liebevoll gezeigte Zuneigung und Gesten voller Vertrautheit so schwer aushaltbar sind, ist doch, dass das mit dem Musiker eh nichts geben kann. Warum also sollte man sich das antun, warum so weit gehen und es sich auch noch beweisen lassen? Warum soll man sich in seiner absoluten Unfähigkeit noch bestätigt wissen? Das muss doch nicht sein. Wirklich nicht.

Das Bedürfnis, das alles mit dem Musiker kaputt zu machen, ehe es richtig anfängt und sowieso kaputt geht, das Bedürfnis ist gerade übergroß. Der alte Fluchtinstinkt. Die alte Geschichte. Lieber gehe ich, bevor du mich verlässt.

Ich komme im Moment wirklich gar nicht mit mir selbst klar. Ich finde mich gerade selbst so richtig, richtig zum kotzen. Und ich finde den Weg noch nicht da raus. Ich denke, ich werde es vermeiden, auch heute, im MSN online zu gehen. Ich weiß, bin mir sicher, im Moment würde ich mit Sicherheit etwas tun, was ich später bereuen könnte.

Einmal habe ich den Selbstzweifeln nachgegeben, mich dem Selbsthass wirklich voll hingegeben. Damit habe ich so viel kaputt gemacht. Wissentlich, ja, bewusst, gewollt auch vielleicht sogar irgendwie, weil es mich ja am Ende auch bestätigt hat. Aber ich habe es später so sehr bereut. Es hätte damals so anders laufen können mit Filipe, wenn ich früher die Kurve gekriegt hätte, wenn ich mich nicht wochenlang im Selbsthass eingegraben hätte.

Bloß weil es mir im Moment mit mir selbst nicht gut geht, muss ich ja nicht gleich alles wegwerfen.  Was las ich hier gestern?

„Wahnsinn ist, wenn man immer wieder das Gleiche tut, aber andere Resultate erwartet.“

Wie oft habe ich das eigentlich schon gemacht? Geflohen? Kontakte abgebrochen? Mich meinen Negativgedanken hingegeben? Hat es mich weitergebracht? Nicht wirklich. Eher im Gegenteil.

Und so versuche ich, mich nicht zu sehr in meine Negativgedanken hineinzusteigern. Ich versuche, nicht dem Bedürfnis nachzugeben, den Musiker aus meinem Leben zu verabschieden. Ich gebe mir solche Mühe, mich den „Er-ist-so-toll-ich-bin-so-schlecht-er-verdient-etwas-Besseres-er-wird-das-früher-oder-später-erkennen-ich-sollte-das-nicht-abwarten-sondern-lieber-gleich-gehen-Gedanken“ nicht hinzugeben. Ich versuche, mich wieder irgendwie…hm…normal werden zu lassen. Denn was hat es mir je gebracht, mich in all meiner Schlechtigkeit, mich in all meinen Fehlern zu suhlen? Ich versuche, mir genau das zu verbieten. Früher oder später wird der Blick schon wieder normal. Früher oder später kam immer der Punkt, an dem ich aus den ganz tiefen, schwarzen Löchern wieder herausfand. Und so wird es auch dieses Mal kommen. Warum sollte es dieses Mal anders sein?

Kein Lied beschreibt so gut wie ich mich im Moment fühle wie Radiohead’s „Creep“.

 

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Kommentare


unbekannt
22:53 12.08.2010
Hmm...
Was du beschreibst, ist Angst, im Besonderen die "Angst vor der Angst" (enttäuscht zu werden, zu versagen, whatever).
Deine Freundin kennt dich schon ewig, deshalb hast du kein Problem, dich ihr "hinzugeben". Beim Musiker ist das schon was anderes. Ich kann dich verstehen - deine Bedenken/Sorgen nachvollziehen.
Vielleicht war das bei mir damals auch so was ähnliches - warum ich das "Spiel" mit Frea abgebrochen habe, wo es doch eigentlich wunderschön war, aber... es war nicht wirklich real. Sich virtuell oder über die Entfernung "nackt" zu machen ist was anderes, als demjenigen dann gegenüber zu stehen, ihn zu berühren... wie auch immer, ist sehr schwer zu erklären, aber ich glaube, du weißt (zumindest in etwa) was ich meine.
"Du versteckst dich hinter deiner Offenheit", das hat Frea mir immer gesagt. Es ist die Methode, nicht verletzt zu werden, denn wenn ich schon "alles" preisgebe: wer will mir dann noch was anhaben können? Ich halte die Leute damit auf Distanz, denn sie können nicht tiefer eindringen, brauchen es nicht.
Was mir durch den Kopf ging, als du die Fotosession beschriebst:
Eigentlich ist so etwas etwas richtig Schönes. Ich würde das gerne mal machen.
Vielleicht ging es dir dabei (auch) nicht gut, weil du es nur oder hauptsächlich im Gedanken an ihn gemacht hast, weniger für dich?
Weißt du, ich mach manchmal Fotosessions nur für mich selbst. Wenns mir gut geht und ich durch die Wohnung tanze, dann halt ich die Kamera in der Hand und drück einfach drauf. Das Ergebnis ist einfach nur witzig. Manchmal seh ich darauf so dermaßen scheiße aus, dass es zum Lachen komisch ist; manchmal kommen dabei aber auch echt gute Bilder raus.
Ich hab das von Su; wenn ich mit ihr zusammen bin, machen wir öfter mal so Spaßfotosessions. Die strahlen dann auch echte Lebensfreude aus.
Vielleicht solltest du das mal mit diesem "Hintergrund" machen? Dir vorstellen, du seist ein Supermodel oder Star... wie man so schön sagt: "Tanze, als würde dir keiner zusehen!" Nichts gestelltes, sondern: so wie du bist!
Und dann kannst du entscheiden, was du damit anfängst...
Generell sag ich (mir): Tu nichts (was mit dir selbst zu tun hat) für andere, sondern nur für dich!
(Ui, das wurd jetzt aber ein langer Kommentar... sorry! ^^)


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c. Offline

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2010-08-12 18:05