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Tagebuch c.
2011-10-02 21:17
Am Tag danach...

In der vergangenen Nacht habe ich habe schlecht geschlafen, unruhig geschlafen, viel geträumt, von ihr besonders. Ungreifbar war sie im Traum, immer mal wieder da und wieder weg und so kommt mir die ganze Geschichte vor, ungreifbar. Wie eine Geschichte. Als wäre es nicht das Leben, meines, ihres, sondern etwas, wovon ich irgendwo gelesen habe. Es ist so unwirklich.

 

Genau aus diesem Grund mache ich es. Genau aus diesem Grund frage ich Tante Google ab und an nach den Leuten, die einst meinem Herzen sehr nahe standen. Ich möchte wissen, ob es ihnen gut geht, hoffe in der Regel auf Hinweise, dass sie mehr oder minder zufrieden ihr Leben leben. Zu wissen, dass es ihnen gut geht, macht mich froh. Und doch, insgeheim habe ich mich immer davor gefürchtet, dass so etwas einmal passiert. Dass in ihrem Leben etwas wirklich Schlimmes passiert und ich erfahre es auf diese Weise, irgendwann, Monate später, weil ich einfach nicht mehr Teil ihres Lebens bin und unter diesen Umständen natürlich auch niemand daran denkt, dass jemand wie ich vielleicht zu informieren gewesen wäre.

 

Nun ist es ja nicht so, dass wir, im Gegensatz zu diversen anderen Kontakten, jegliche Kommunikation abgestellt hätten, die Polizistin und ich. Aber wir fanden im Leben der anderen einfach nicht statt, entfernte Bekannte, so wären wir wohl am ehesten füreinander zu bezeichnen.

 

Eigentlich weiß ich ja kaum etwas über sie, über ihr Leben, von den Eckdaten mal abgesehen. Vielleicht kommt mir das alles auch deswegen so unwirklich vor. 2009, Bad Pyrmont, Psychosomatische Klinik….ein paar Tage sind ja seitdem doch vergangen. Sie war die letzte Person aus der Klinikzeit, mit der ich überhaupt noch so etwas wie Kontakt hatte. Wahrscheinlich auch deswegen, weil sie so ziemlich der einzige Grund ist, warum ich trotz allem gerne an die Zeit in der Klinik zurückdenke.

 

Verdammte, blöde Bezugstherapeutin. Dass so eine geballte Unfähigkeit tatsächlich immer noch dort arbeiten darf, blöde Kuh mit ihrem Psychoblick. Nein, so ganz habe ich dieses Erlebnis immer noch nicht hinter mir gelassen. Es hat mir jegliche Lust am Experiment Psychotherapie genommen.  Vertrauen futsch. Und ich finde es immer noch absolut unverschämt, dass sie mir da am Ende dieses „So gesund wie Sie möchte ich auch mal sein.“ mit auf den Weg gab. Wäre bei mir alles so super beneidenswert in Ordnung, hätte ich mich über die Jahre nicht dahin gebracht, wo ich bin, aber gut, das ist eine andere Geschichte.

 

Für die Polizistin war Bad Pyrmont am Ende auch eine Erfahrung, auf die sie lieber verzichtet hätte. Lange hatte sie damit noch zu kämpfen, mit den Schäden, die die gute Frau Z angerichtet hat. Noch vor einem Jahr war nicht klar, ob sie ihren Job behalten darf. Alles nur, weil Frau Z der Meinung war, die Polizistin sei für den Polizeidienst nicht geeignet. Berufsunfähig. An den Schreibtisch verbannt. Und dass, wo sie ihren Job so geliebt hat, für ihn gelebt hat.

 

Und was bleibt? Für mich, von ihr? Fünf Kurznachrichten auf meinem Handy, eine Karte, Erinnerungen an die drei Wochen vor mehr als zwei Jahren und Bedauern über verpasste Chancen. Verpasst die Chance, mehr Kontakt zu haben, mehr als nur eine entfernte Klinikbekanntschaft daraus zu machen. An vier kleinen Worten lag es, hauptsächlich. „Halt die Ohren steif!“ Das stand in einer ihrer Nachrichten, die ich bekam, als ich gerade aus Bad Pyrmont zurück gekommen war. Vor und zurück, rauf und runter habe ich die vier Wörtchen interpretiert, überinterpretiert. Nach ihnen brach erst einmal der Kontakt ab. Zu unsicher war ich. Zu sicher war ich damals, dass sie heißen müssten: „Kümmer dich selbst um deinen Scheiß, du kommst schon klar, ich habe genug mit mir zu tun.“

 

 Umso mehr habe ich mich dann wie blöd gefreut, wenn nach Monaten meist von ihr dann doch mal wieder ein Lebenszeichen kam. Die Ostergrüße im letzten Jahr. Ihre Karte im Sommer. Besonders ihre Karte. Bis dahin wusste ich nicht, dass sie meine Postanschrift hatte. Das war so eine Überraschung. Wie blöd habe ich mich gefreut. Und damals, vor einem Jahr, da waren so schöne, unverhoffte Kleinigkeiten besonders wichtig, sie haben meine Laune kurzzeitig doch enorm gehoben.

 

Ja, es ist schon wirklich schade, dass ich mich nie mehr um diesen Kontakt bemüht habe. Eigentlich war er mir doch sehr wichtig und doch ist er eher eingeschlafen. Aufgrund von Unsicherheiten, aber auch einfach, weil es sich so ergeben hat. Man ist beschäftigt, schiebt die Dinge auf und schon ist jede Menge Zeit vergangen.

 

Nun werde ich also wirklich nur noch zurückdenken an die drei Wochen in Bad Pyrmont. Ich werde mich an ihr Lächeln erinnern und daran, wie sehr ihre Augen leuchteten, wenn sie lächelte. Ich werde mich daran erinnern, wie sehr mein Herz anfing zu klopfen, wann immer sie den Raum betrat. Diese wunderbare Mischung aus Aufregung und Erregung, wann immer wir zusammen saßen. Flugzeuge im Bauch, tausende Endorphine in der Blutbahn. Ich werde mich an ihre Sommersprossen erinnern, an ihren Machogang. An unsere gemeinsame Stretching-Stunde werde ich mich erinnern, furchtbarstes und gleichzeitig wundervollstes Erlebnis in meiner Zeit in der Klinik. 

 

Aber besonders und immer besonders, da werde ich dieses Lächeln und die leuchtenden Augen in Erinnerung behalten.

 

Zu gerne hätte ich gewusst, ob meine Gefühle einseitig waren oder ob da doch etwas war. Ich weiß es beim besten Willen nicht. Wäre sie ein Mann gewesen, ich hätte es vermutlich besser einordnen können. Nun werde ich es nie mehr erfahren. Aber das muss ok sein. Es ist ja schließlich nicht mehr zu ändern.

 

Wann immer ich nun „Jein“ hören werde, ich werde mit einem lachenden und einem weinenden Auge an sie denken. Mit einer kleinen Modifikation schwirrten mir damals in Bad Pyrmont schon immer diese zwei Zeilen durch den Kopf: „Kommt sie in den Raum wird mir schwindelig, sag ich,<i><b> ich will nichts von ihr</b></i>, dann schwindel ich…“ Ja…Das sind Momente, in denen möchte ich die Zeit zurückdrehen und die Dinge einen anderen Lauf nehmen lassen.

 

Und wenn ich so darüber nachdenke, dann frage ich mich, wie es den Leuten gehen mag, die tatsächlich ihr Leben mit der Polizistin teilten. Familie. Freunde. Partner(innen?). Wenn mir die Nachricht ihres Todes schon so nahe geht, wie mag es ihnen dann gehen? Denn wer bin ich schon, verglichen mit ihnen?

 

Die Polizistin und ich, wir verbrachten doch lediglich  knapp drei intensive Wochen in einer Ausnahmesituation miteinander. Für einen Großteil der Zeit sprachen wir über Klinikinterna und vor allem über die unmögliche Frau Z. Ich kann nicht mal mit Sicherheit sagen, ob wir in den Momenten dazwischen nun tatsächlich miteinander flirteten oder nicht. Und trotzdem werde ich sie vermissen.

 

Der Gedanke, dass sie einfach nicht mehr da ist, ist schlimm, unglaublich, ungreifbar. Niemand sollte so früh gehen müssen. Niemand.

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