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Tagebuch c.
2011-03-19 19:09
Alles und nichts

Die wirklich interessanten Dinge passieren derzeit im Leben von anderen. Ich erlebe sie nur von außen mit, mal mehr, mal weniger intensiv.

 

Die Geburtstagsfeier in der letzten Woche war gut. Die Rede kam an. An allen Fronten. Auch meine Ma hat sich gefreut. (Ich hatte auch Bedenken, dass es übertrieben wirken könnte, aber alle waren doch mehr als angetan. Umso besser.) Ich wurde für meine Hightech-Zauberkünste von allen Seiten gelobt. Da sieht man mal, dass einen da doch schon Generationen trennen. Im Unileben heute könnte man gar nicht mehr bestehen, würde man PowerPoint nicht beherrschen und einen Vortrag nur mit Overheadprojektor bestreiten wollen. Was in meinem Lebensbereich Standartkönnen ist, wird also offenbar von einigen Personen, die so 30, 40 Jahre älter sind als ich, als Zauberkunst angesehen.

 

Ansonsten durfte ich genau das tun, was ich gerade so ungern tun: Mehr als einmal Rede und Antwort zu meiner derzeit misslichen Lebenssituation stehen. Aber auch so was überlebt man.

 

Das traurige Highlight gab meine ehemalige Erdkundelehrerin ab. In dem Moment war ich mehr als dankbar, ihr nicht am Montagmorgen in den Schulfluren wieder mit höflicher Distanz begegnen zu müssen. Die gute Frau war so was von hackestramm, das hab ich echt noch nie erlebt. Weder bei mir selbst, denke ich, hoffe ich, noch bei anderen. Sie schwankte zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Mal völlig exaltiert, mal lag sie heulend einer Kollegin in den Armen. Richtig gehen konnte sie am Ende des Abends nicht mehr und als sie sich von mir verabschiedete, konnte sie mich gar nicht richtig anschauen, schaute die ganze Zeit an mir vorbei, während sie redete, sentimental säuselte: „Ach Kind, ich find das ja alles so toll, was du gemacht hast und im Moment machst. Ich find das echt so richtig schön, ich bin so richtig stolz.“ Ja….Na ja….Ihr Handy hat sie an dem Abend wohl verloren und angeblich soll sie draußen vor der Tür mit dem Mann ihrer Kollegin geknutscht haben, was offiziell als Rauchpause deklariert wurde. Mein Dad will die beiden gesehen haben, als er sein Thrombosebein auf einen Spaziergang ausgeführt hat. Man weiß es nicht. Ich war jedenfalls doch etwas schockiert, zumal sie wohl immer so sein soll, wenn sie irgendwo eingeladen ist.

 

Ja, Alkohol ist eine böse Sache.

 

Vorgestern bekam ich elektronische Post aus Amiland. Danach hätte ich auf den Schock vielleicht ein Schlückchen vertragen können. Meine im November ausgewanderte Freundin ist mit ihrem dritten Kind schwanger. Das ist schon wirklich krass. Wahrscheinlich wird sie jetzt dann eben doch so eine typische amerikanische Soccer-Mum werden.

 

Ich hab ja so oft schon davon geschrieben, ich fasse es nicht, dass ausgerechnet sie ihr drittes Kind bekommt bevor irgendwer anders in meinem Freundeskreis auch nur sein erstes bekommen hat.

 

Ja, vielleicht lebt sie nun wirklich den Familienzusammenhalt, den sie selber nie hatte. Vielleicht hat es sie unterbewusst doch dahin getrieben. Oder bewusst. Oder wie auch immer.

 

Vielleicht ist es auch einfach die Art und Weise, wie sie ihr Leben nach außen transportiert.

 

Mal ganz im Ernst, ich würde nicht durch die Welt laufen und verkünden, wie finanziell toll es sich auf Kosten meines Mannes Leben lässt.

 

Aber das tat sie. Erzählte immer sehr ausführlich, welche finanziellen Vorteile man als Frau eines amerikanischen Soldaten hat. In Sachen Versicherung und überhaupt. Und mit Kindern sieht es noch viel rosiger auf. Sollte der werte Husband im Einsatz fallen, wird weiter gezahlt, für sie, für die Kinder, ohne dass man sich stressen muss. Sollte die Ehe dank eines Seitensprungs seinerseits scheitern, wird weitergezahlt.

 

Sagt sie. Ob das wirklich alles so ist, weiß ich nicht. Ist ja auch eigentlich egal. Aber irgendwie hänge ich doch der vielleicht zu romantischen Vorstellung hinterher, dass man als frisch verheiratete Frau nicht in erster Linie die finanziellen Vorzüge des Ehemanns lobt.

 

Was den Rest angeht, da hört man gerne mal ein: „So schlecht ist das auch nicht, dass er öfter mal ohne uns im Ausland stationiert sein wird, da geht man sich dann wenigstens nicht so auf die Nerven.“

 

Und dann immer diese widersprüchlichen Geschichten. Vor einem Jahr, im Mai, war sie zuletzt bei uns, um die Angelegenheit en für die Greencard zu klären und ihren Abschluss übersetzen zu lassen, um dann in Amiland direkt mit einer Arbeit anfangen zu können. So hat sie es jedenfalls gesagt. Jetzt schreibt sie, dass es ja gar nicht so schlimm ist, dass sie im Sommer ihr drittes Kind bekommt, weil ihr Zeugnis noch gar nicht übersetzt ist.

 

Alles sehr merkwürdig. Skandal. Skandal. Ja, tatsächlich, ihr Leben und ihre Lebensentscheidungen beschäftigen mich immer wieder. Weil das wirklich vor einigen Jahren niemand erwartet hätte.

 

Aber wenn man sie dann so mit ihrer Familie zusammen sieht: Ihr Mann vergöttert sie und die Kinder. Unübersehbar. Sie vergöttert ihre Kinder. An ihrer Hochzeit machten alle beide einen sehr verliebten, sehr glücklichen Eindruck. Und na ja: Wenn wir uns gesehen haben, war sie auch immer froh, mal wieder Deutsch sprechen zu können und hat sich die meiste Zeit mit mir auf Deutsch unterhalten, während er etwas blöd daneben saß. Auch das ist irgendwo nachvollziehbar.

 

Von daher passt das Bild, was die Familie nach außen abgibt nicht so wirklich zu dem Bild, was über Erzählungen transportiert wird.

 

Sehr seltsam, das alles. Drei Kinder. Krass. Aber warum nicht. Wenn man Geschmack daran gefunden hat…Und der wirklich tatsächlich unleugbare Vorteil an ihrer finanziellen Lage ist, dass sie tatsächlich so viele Kinder haben können, wie sie wollen, ohne sich darum sorgen zu müssen, ob sie ihnen finanziell gerecht werden können.

 

Ansonsten hab ich heute mal wieder einen langen Ausflug gemacht. In die Außenstelle des Konsulats. Der Passantrag ist nun, nach 28 ½ Jahren, endlich abgegeben. Nur für den Wählerausweis muss ich noch mal wiederkommen. Beim letzten Mal sagte man mir ja, ich müsse den gleichzeitig mit dem Pass beantragen. Dieses Mal hieß es, das ginge nicht, weil ich ja eben noch keinen Pass habe. Na ja. Gibt schlimmere Übel und ich hatte schon Komplikationen mit dem Pass befürchtet. Aber nein, das lief alles reibungslos. Und das ist ja schon mal gut so. Jetzt bin ich ganz gespannt darauf, das Ding in den Händen halten zu können. Nach etwa zehn Tagen Bearbeitungszeit wird es mir zugeschickt.

 

Ich bin auch gespannt, wie mein Passbild rüberkommt. Diese biometrischen Dinger sind ja echt furchtbar. Furchtbar. Ganz furchtbar. Aber: Dieses Mal habe ich einen Automaten und nicht meinen Stammfotografen bemüht. Ein Automat mitten in der Galeria Kaufhof. Und die Dinger sind ja verdammt laut, wenn sie mit einem reden. Und wenn man da fünfmal ne Aufnahme neu macht, kriegt das auch das ganze Umfeld mit.

 

Aber ich finde, der große Vorteil an Passbildautomaten ist, dass man das Ergebnis selbst in der Hand hat. Man sieht sich, wie man vermutlich auf dem Bild aussehen wird. Und man kann vor dem Druck das Ergebnis beliebig oft korrigieren. Das ist schon nicht schlecht. Und so glaube ich, sind meine Bilder auch gar nicht so schlecht geworden. Es hätte schlimmer kommen können. Ja, doch.

 

Heute hab ich mich, mit  und ohne Navi, irgendwie ständig verfahren. Nach dem Konsulatsbesuch wollte ich zu meinem ersten Bewerbungsgespräch. Nichts Besonderes, eher eine ganz spontane Sache. Zufällig in der Zeitung gesehen: Bewerbungstag am Samstag. Und da ich eh am Samstag raus musste….Also bin ich bis fast zur ehemaligen Wohnung der Amilandfreundin gefahren und hab dort erst mal auf dem P&R Gedöns geparkt. Und zum ersten Mal seit so vielen Jahren habe ich die Ausfahrt an der Autobahn verpasst, bin durch ein Industriegebiet gekurvt und doch am Ende angekommen.

 

Auf der Rückfahrt zur Bahn hab ich die falsche Bahn genommen. Die wollte zwei Stationen vor meiner Haltestelle nicht mehr weiterfahren. Ja. Lesen müsste man können. Mitdenken müsste man können. Dann wäre man auch nicht so überrascht gewesen, als es da hieß: Endstation. Aber so hab ich dann wenigstens eine Weile in der Sonne gesessen, das war ja auch schön.

 

Und dann hat mein unverschämtes Navi mich in die Pampa geschickt. Da, wo ich den Bewerbertag vermutete, war dann nur ein leeres Feld und weit und breit nichts. Und das Navi sagte trotzdem: „Sie haben ihr Ziel erreicht!“ und wollte mich unbedingt zum wenden auffordern. Rechts rangefahren und festgestellt: In diesem Ort gibt es zwei Straßen, die nahezu gleich heißen. Beim zweiten Versuch hat es dann auch geklappt und ich bin angekommen. Ja, manchmal sollte man vielleicht ein bisschen besser aufpassen.

 

Das Gespräch an sich war wirklich ganz gut, dafür dass der Entschluss dazu so spontan fiel. Ich kann nicht klagen und wenn es mir eines gebracht hat, dann auf jeden Fall, dass ich nach langer, langer Zeit doch mal wieder in so einer Bewerbungssituation war. Ja, das ist wirklich lange her. Acht Jahre fast. Die Sachen, die danach kamen, nun, da bin ich so mit Glück und Vitamin B reingerutscht. Und es war auch nie so wirklich richtig wie eine Bewerbung.

 

Wenn ich da an den Nachmittag mit dem italienischen Dozenten denke…Hinterher bin ich wie auf Wolken aus dem Gebäude geschwebt. Und nein, wir haben natürlich nur zu 100% professionell über die Bib gesprochen. Aber trotzdem…Ja, ja, dieses Pseudogeschwärme für den italienischen Dozenten….das waren noch die Hochzeiten in meinem Studium, damals, damals. Lustig war’s. Schön war’s. Von mir aus hätte es ewig so weitergehen können.

 

Bevor ich dann endgültig nach Hause gefahren bin, bin ich noch mal an der alten Wohnung der Amiland-Freundin vorbeigefahren und hab mal gewunken. Dort habe ich auch so viele schöne Abende verbracht. Sommerabende am offenen Fenster mit Zigarette in einem Aschenbescher, der so übervoll war, dass man sich fast schon davor ekelte. Das waren mit unsere besten Stunden.

 

Und die Stunden im TL. Auch der Filiale in ihrem alten Heimatort hab ich im vorbeifahren noch mal gewunken. Vor einem halben Jahr arbeitete der Inder noch immer da. Vor einem halben Jahr hab ich ihn ja noch mal zufällig getroffen. In unserer Stammfiliale des TL. Zufälle gibt es. Dass er ausgerechnet an dem Abend dort einspringen musste, als die Amilandfreundin zum definitiv letzten Mal dort war….Krasse Sache, das.

 

Ich denke daran und lache über mich selbst. Lache positiv, gut, irgendwie war es gut, irgendwie toll, auch wenn es mir im Nachhinein vielleicht doch ein wenig peinlich ist, dass die ganze Belegschaft damals Bescheid wusste. So offensichtlich war das gegenseitige Anschmachten.

 

Das waren noch Zeiten. Alles vorbei. Kommt nie wieder. Nie mehr. Schade drum.

 

Aber ich hab meinen Ausflug genossen heute. 105 Kilometer bin ich durch die Gegend gekurvt. Ich fahre ja gerne Bahn. In der Bahn immer die Kopfhörer auf den Ohren, immer ein Hörbuch dabei. Heute waren es der Rest von „Henry & June“ und der Anfang von „Delta of Venus“. Anaϊs Nin. Bahnfahren mit Hörbuch auf den Ohren ist so toll. Leute beobachten und gleichzeitig selbst irgendwo in ganz anderen Welten stecken. Ich liebe das, deswegen fahre ich gerne Bahn.

 

Aber ich fahre auch gerne Auto. Besonders bei so schönem Wetter. Da höre ich dann immer den Mainstreamsender 1Live. Da gibt es für mich immer die beste Musik zum Autofahren. Radio laut aufdrehen und mitsingen. Gibt so richtige Autofahrlieder. Ich singe ja wahnsinnig gerne, leidenschaftlich und unglaublich schlecht dabei. Deswegen singe ich auch eigentlich nur beim Autofahren. Da kriegt es dann keiner mit. Nur die Leute, die mich überholen, möglicherweise. Aber die müssen mich ja nicht hören. Ein großes Plus für sie.

 

Das war schon toll. Heute hatte ich das Beste von beidem. Bahn. Auto. Gute-Laune-Wetter. Gute-Laune-Musik. Alles zusammen, alles auf einmal. Ja, das macht Spaß. Wär der Sprit nicht so teuer, würde ich ja mal glatt öfters durch die Gegend cruisen.

 

Ach ja, Erkenntnis des Tages: Wenn mir das letzte Jahr was gebracht hat, dann wirklich die Vorliebe für Kleider. Fing zaghaft an mit einem kleinen Experiment, wurde dann ganz, ganz großartig toll wunderbar bestärkt und danach beibehalten. Ja. Wenigstens dafür war es gut. Sämtliche Spiegelflächen und alle geworfenen Schatten, mit denen ich heute zu tun hatte, sagten mir jedenfalls einstimmig: „Mensch, Mensch, steht dir das gut…!!!“

 

Und so geht das. Wieder eine Woche vorbei. Nicht viel passiert, nichts Großartiges zu erwähnen, aber sie endete mit einem Tag, der gute Laune machte. Das ist ja auch schon mal was. Eben gerade, während ich diese Zeilen schrieb, sah ich auch noch ne Mail ins Postfach flattern. Sicherlich noch ein Pusher für die Laune. Solche Samstag dürfte es öfter geben. So gehört sich das.

Kommentare

11:31 20.03.2011
hört sich nach einem tollen tag an!
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
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c. Offline

Mitglied seit: 05.06.2010
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2011-03-19 19:09