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Tagebuch Bunny_Hop
2007-09-13 15:45
Anthrazit mit Nadelstreifen
Die Stadt in die ich in 15 Tagen ziehen werde, ist eigentlich viel mehr ein Städtchen. Ländlich gelegen, eine gute halbe Stunde von einer Autobahnauffahrt entfernt und jeweils eine Stunde von umliegenden Städten, die diesen Namen verdient haben. Vielleicht bin ich auch einfach verwöhnt. Seit ich denken kann lebe ich in einem Vorort der Großstadt. Zwanzig Minuten mit dem Auto und man hat alle nur erdenklichen Möglichkeiten, die Welt liegt einem zu Füßen. Es wird eine neue Erfahrung, definitiv. Keine Kinos mit 8-20 Sälen, keine Diskotheken, außer natürlich die Dorfdisko und kein H&M und Zara, eigentlich gar keine großartigen Einkaufsmöglichkeiten. Es sei denn man braucht Apotheken und Reformhäuser, die es an jeder Ecke zu geben scheint. Es ist eine Kurstadt. Klein, aber sehr beschaulich. Man wird sich so besser auf das Lernen konzentrieren.
Selbstverständlich übertreibe ich (hoffnungslos). Die Stadt ist klein, aber immerhin groß genug um eine angesehene Business School und einen McDonalds zu beherbergen, dass ist doch schon mal was?!
Leider gibt es aber keinen Subway, der wäre mir persönlich ja lieber gewesen.
Mein Zimmer ist in einem achtstöckigen Wohnheim. 28 qm, Küchenzeile, Badezimmer, voll möbliert. Außerdem in unmittelbarer Nähe zum Krankenhaus... Definitiv ein Bonus, wenn ich die Neigung hätte gelegentlich aus dem Fenster zu springen...
Der Stundenplan der Uni ist, wie soll ich sagen, eher hart. Nicht zwei Stunden Mathe und dann zwei BWL, sondern neun Stunden Mathe, ein Tag und dann neun Stunden BWL am nächsten. Ich sehe es förmlich vor mir: Rauchende Köpfe, lauter fliegende Fragezeichen, entnervte Gesichter. Ich war nicht schlecht in Mathe, aber dass ist jetzt schon eine Weile her. Vielleicht hab ich alles vergessen...
O Gott, ich hoffe nicht!
Kurz um und alles Palaber in wenige Worte gefasst: Mein Leben wird sich radikal verändern!
Ich freue mich darauf, aber mir ist auch ein klein wenig mulmig. Die Untertreibung des Jahrhunderts!! Ich wohne schon lange alleine, aber anstatt höchstens 20 Minuten, brauche ich von nun an 3 Stunden um zu meinen Freunden zu gelangen. Ich werde neue Leute kennen lernen, neue Freunde finden, keine Frage, aber es ist dennoch ein großer Schritt.
Nicht mehr nur Halli-Galli und in den Tag hinein leben, sondern Verpflichtungen. Eine beinahe unüberschaubare Menge von Verpflichtungen.
Ich hänge den Business-Anzug, den ich mir heute gekauft habe auf seinen gepolsterten Kleiderbügel. Anthrazit mit Nadelstreifen. Sehr schick, sehr elegant. Er ist das Symbol für eine neue Ära. Eine Ära der Ernsthaftigkeit, des Fortschritts, des Erwachsenseins.
Vielleicht sollte ich zu diesem Anlass meinen Tagebuchtitel ändern. Nicht mehr "Sündentagebuch", sondern vielleicht "Die langweiligen Memoiren einer überforderten Studentin"? Na okay, so schlimm wird es bestimmt nicht werden..
Ein Businessanzug schließt nicht das Tragen von Korsagen und rauchblauer Satinunterwäsche aus und ist selbstverständlich auch kein Zeichen für mehr Vernunft. Er steht für mehr Ernsthaftigkeit, oberflächlich betrachtet. Er ist das Erkennungszeichen einer Berufsgruppe, aber was sagt das schon über den Menschen aus?
Außerdem, braucht nicht jeder Mensch einen Ausgleich?

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leben 

Kommentare

01:47 14.09.2007
naja, wo ein wille ist, ist sicher auch ein stündchen. schäfer gibt's überall
Good luck!
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23:02 13.09.2007
Für mich war das Wort "Wohnheim" und "Student" eigentlich immer symbolisch für noch mehr Sünden
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22:49 13.09.2007
aber hallo. das liest sich wirklich wie ernsthaftigkeit. so was hab ich mal ganz heavy eine seminarwoche mitgemacht, power learning day N night mit insead-profs in england - man kann sich dran gewöhnen
und die anderen packen es ja auch, sind sicher nicht alle so tough wie du!
aber für sünden scheint dann wirklich nur wenig zeit zu bleiben (kein wunder, dass du dich nochmal ein wenig ausgetobt hast)
na dann
Good luck!
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2007-09-13 15:45