Alex, mein romantischer Bruder
Ich habe heute gebacken, Kokos und Walnussmakronen, meine Lieblingsplätzchen, auch die einzigen, die ich esse. Morgen muss ich auf meinen kleinen Bruder aufpassen, meine Eltern fahren weg. Es stört mich nicht, er wird sich vor die X-Box setzen und mich den ganzen Tag nicht stören, dass ist immer so.
Heute Abend ist wahrscheinlich nichts los, es kümmert mich nicht. Mir geht es wieder besser, ich habe meine depressive Stimmung überwunden und bin jetzt beinahe zufrieden mit mir selbst und meinem Leben. Ich meine, was will man mehr? Ich habe jetzt einen Job, werde gutes Geld verdienen, ich bin nicht allzu schlecht in der Schule, ich habe Freunde!
Aber das Leben macht natürlich mehr aus, dennoch, ich kann mich eigentlich glücklich schätzen. Denn ich bin auf dem Weg nach oben, raus aus dem tiefsten Loch in dem ein Mensch nur stecken kann.
Ich denke an Stefan und zum ersten Mal, ist mein erster Gedanke nicht Trauer und mein Herz zieht sich nicht sofort zusammen. Er war ein wunderbarer Mensch und ich bin dankbar, weil ich Zeit mit ihm verbringen durfte.
Alex hat mich heute angerufen, er möchte mit mir essen gehen, weil er etwas wichtiges zu besprechen hat. Ich weiß, was er mir sagen wird, er wird mir mitteilen, dass er Jessika einen Heiratsantrag machen möchte. Er liebt sie, sie liebt ihn, sie sind schon lange zusammen, es war absehbar, vielleicht war auch Stefans Tod ausschlaggebend, wer weiß das schon. Angesichts des Todes überdenkt man sein Leben, andere Dinge werden wichtig.
Ich glaube er möchte ihr zu Weihnachten einen Antrag machen, dass würde zu ihm passen, Alex ist ein hoffnungsloser Romantiker und Weihnachten ist schließlich das Fest der Liebe. Ich freue mich für ihn, dennoch ein kleiner Teil in mir, möchte nicht das Alex heiratet. Dass ist der Teil, der fürchtet ihn zu verlieren, was sehr egoistisch ist, finde ich und so schäme ich mich ein bisschen.