Tag 11: Kinder wie die Zeit vergeht
Manchmal frage ich mich, wie es sein kann, dass die Zeit nur so dahin rast. Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich dass ich das letzte Mal was geschrieben habe und trotzdem sind schon wieder 3 Tage wech... Und da soll Frau nicht nervös werden, wenn es heißt "noch 67 Tage" ? Neulich waren es doch noch 72...

Aber rumgesessen habe ich während der letzten 3 Tage ganz sicher nicht. Im Moment haben wir ja Besuch von Schnullis Tochter. Es ist interessant und anstrengend zugleich.

Freitag sind wir in aller Herrgottsfrühe los, 500km von Hamburg nach Meißen um dann nach nur 1,5 Stunden dort die gleiche Strecke wieder zurück zu fahren. Ich hab zwar nur daneben gesessen, aber ich war abends echt einfach nur hinfällig. Nervig hoch 10...
Na egal, dafür habe ich eine Tonne Kindersachen mitgenommen - einkaufen brauche ich jetzt nur noch ein paar Mützchen, vielleicht ein paar Fäustlinge für draußen und das sollte es dann schon fast gewesen sein. Den Rest habe ich jetzt genug. Da ich mich demnächst noch mit einer Kollegin treffe gehe ich mal davon aus, dass ich dort sicher auch noch das eine oder andere kriege und dann reicht es aber auch wirklich.
Zusätzlich gab es noch so einen Wipper und ein Stühlchen, dass man neben dem Tisch mit aufbauen kann. Zwar brauche ich das alles erst später, aber es ist irgendwie auch beruhigend, wenn man sich darum nicht mehr kümmern braucht.

Gestern waren wir mit dem Fahrrad los an der Nordsee radeln. Friedrichskoog ist super dafür geeignet. Das Problem ist allerdings, dass an einem Samstag doch recht viele Leute in diese Richtung wollen und der Elbtunnel damit zum echten Nadelöhr wird. Aber wir haben es geschafft. Von Friedrichskoog sind wir nach Friedrichskoog Spitze gefahren. Das ist eine recht überschaubare Strecke, wie ich finde. Es hätte gern mehr sein dürfen, aber wenn man a) nicht weiß, was man selbst noch auf die Reihe bekommt und b) einen recht ungeübten Fahrradfahrer dabei hat, der noch dazu bei jeder noch so kleinen Anstrengung stöhnt, ist es vielleicht wirklich ratsam, klein anzufangen.
Innerhalb dieser Woche, werden wir das Pensum ggf. noch ein bisschen steigern. Wollen doch mal sehen, was alles so machbar ist.
Den Trischendamm sind wir auch langspaziert. 2,2km rein in die Nordsee. Leider war die gerade nirgends zu sehen, weil die Ebbe recht fortgeschritten war. Aber es ist schon ein wirklich fantastisches Bauwerk, wenn man bedenkt, wie viele Tonnen Steine dafür benötigt wurden. Die Sonne versteckte sich zusehends hinter den Wolken, weshalb Spiegelungen in den Wasserlachen leider auch ausblieben. Nichts desto trotz, die Luft war toll und es bekam uns allen ziemlich gut.

Heute wollen wir in den Wildpark Schwarze Berge. Nicht zuletzt deshalb, weil ich glaube, dass es an der Alster - unserem ersten Gedanken in Sachen Fahrrad fahren - heute vermutlich recht voll sein dürfte. Es ist Sonntag, das Wetter ist einigermaßen und was liegt da näher, als diese Oase aufzusuchen? Aber wir haben keine Lust uns in die Riege der Massen einzugliedern, deshalb wollen wir lieber ein paar Tiere anschauen gehen. Mal sehen, was V. alles kennt oder was ihr so einfällt. Heimatkunde sozusagen.

Geographie hatten wir gestern und es ist erschreckend, wie wenig die Leute heutzutage in der Schule wissen müssen um aufs Gymnasium zu gehen... Aber vielleicht begreift sie ja irgendwann noch, dass Wissen nicht einzig und allein dazu da ist, sein Abitur zu bestehen, sondern, dass Wissen auch Spaß machen kann. Dass Lesen keine lästige Pflichtübung ist, sondern dass Geschichten dazu da sind, sich fallen zu lassen. Dass Sachbücher keine Quälerei sein müssen, sondern man etwas lernt, was man später sogar brauchen kann...

Na ja und nicht zuletzt frage ich mich ab und zu, was an einer virtuellen Welt so viel toller ist, als an der realen. Reale Freunde, mit denen sie ins Schwimmbad geht oder ins Kino oder einfach nur mal Eis essen - Fehlanzeige. Dafür hat sie auf irgendeiner Seite im I-Net den Status Supermodel erreicht. Fraglich ist nur, ob ihr das jemals irgendwas bringen wird.
Neue Dinge probieren - Nein danke... Lieber erst mal "Neee, das kann ich eh nicht" motzen, statt es zu probieren. Etwas versuchen, was man vorher noch nicht versucht hat? Wozu denn, das konnte ich noch nie, da werde ich es auch jetzt nicht können... Etwas kosten, was sie noch nie gegessen hat? Ach wat, was der Bauer nicht kennt, isst er nicht, ganz einfach.
Es ist wirklich traurig zu beobachten, wie sehr sie sich selbst im Weg steht. Man sieht ihr im Gesicht an, dass sie irgendeine Frage hat. Diese zu stellen, kommt ihr aber irgendwie nie in den Sinn. Spricht man sie drauf an, schüttelt sie einfach nur den Kopf und meint, ihr wäre alles klar. Wie kommt man an so ein Mädchen ran?
So oft stelle ich mir diese Frage...

Und hin und wieder wundere ich mich, wie wenig Liebe und Zuwendung sie in ihrem Leben bisher bekommen haben muss. Neulich stehe ich mit Schnulli in der Küche und wollte einfach nur mal in den Arm genommen werden. Es gibt so Tage, da brauche ich das, weil ich nur fertig bin. Da kam sie dazu und meinte "Lass doch mal den Papa los, den brauchen wir noch" - ähm, und? Ich mach ihn ja nicht kaputt... Aber ich denke, mal in den Arm genommen zu werden, ist für sie so ungewöhnlich, dass es ihr peinlich ist, so etwas zu sehen. Selbst wenn es ihr schlecht geht, kann sie es nicht ertragen, wenn sie einfach jemand trösten will und sie dazu in den Arm nehmen will.
Das macht mich unendlich traurig, weil ich glaube, dass Kinder, denen so viel Liebe und Geborgenheit fehlt, immer das Gefühl haben werden, dass sie lediglich funktionieren müssen. Aber mehr auch nicht.
Hin und wieder glaube ich auch, dass sie denkt, dass sie nicht liebenswert genug ist und wenn sich jemand um ihre Belange kümmert und sich dafür interessiert, was sie möchte, dann findet sie das seltsam und benimmt sich entsprechend. Von daher hoffe ich, dass der Tag kommt an dem sie lernt, dass sie es wert ist, dass sie da ist.

So, jetzt wollen wir Richtung Wildpark starten. Mal sehen, was der Tag so bringen wird...