181 Tage
Wenn ich mir überlege, wie lange ich nichts mehr geschrieben habe, dann deutet dies wohl unleugbar darauf hin, dass meine Therapie zumindest für dieses halbe Jahr absolut erfolgreich war.

Anfänglich habe ich Stunden gezählt, später Tage und heute zähle ich - wenn überhaupt - nur noch Monate.

Für nichts, aber auch gar nichts brauche ich Zigaretten. Das Völlegefühl nach dem Essen geht auch ohne Ziggis wieder weg, ich habe auch nicht mehr das Gefühl ständig zuzunehmen (obwohl ich nicht wirklich zufrieden bin, was das angeht), ich habe nicht das Gefühl, dass ich in Stress-Situationen rauchen müsste, damit es leichter wird. Ja, ich denke noch nicht mal wirklich daran, rauchen zu wollen.
Und trotzdem ist da immer noch der Gedanke, dass mir irgendwer mal erzählt hat, dass nach etwa einem halben Jahr noch mal ein Schub kommt, man von Zigaretten träumt, man einen Janker ohne Ende hat. Es ist fast so, als würde man täglich darauf warten, dass irgendwas passieren müsste, dass man plötzlich wieder da steht und zittert, wenn man nicht sofort eine Kippe kriegt. Ich glaube, das ist die Angst vorm eigenen Versagen. Aber ich will nicht versagen, ich will nicht rauchen und das sage ich mir immer wieder. Ich hoffe, dass es reicht.

Vorhin habe ich noch mal all die Einträge gelesen, die ich seit meiner letzten Zigarette geschrieben habe und ich konnte mich an jede einzelne Situation erinnern. Es war ein komisches Gefühl, denn heute, aus der Ferne betrachtet kann es eigentlich gar nicht so schlimm gewesen sein. War es aber doch und das muss und sollte ich respektieren, sollte nichts verniedlichen. Und sollte vor allem immer daran denken, erst nach einem Jahr, nach 365 Tagen darf ich sagen, ich habe es geschafft.
Und ich sollte dabei nie vergessen, dass es Leute gibt, die Jahre lang nicht rauchen und plötzlich sind sie wieder voll drauf. Warum? Die Frage können sie meist selbst nicht beantworten. Einfach, weil der Nikotinteufel immer noch lebt, weil dieses kleine Männchen im Kopf immer noch auf die neue Dosis wartet. Es ist klein und verkümmert, aber es lebt noch. Und es wird immer leben. Deshalb: Ich will nicht rauchen!

Ein Grund, der mir täglich wieder begegnet: Ich habe keine Lust mehr darauf, so zu stinken. Es mag für die Raucher um mich herum vielleicht ein Gefühl sein, wie ich würde die Nase hoch tragen. Tue ich aber gar nicht, nur jetzt nach einem halben Jahr, weiß ich, wie sehr Nikotin stinkt - wirklich stinkt. Es setzt sich überall fest und Du wirst es nicht los. Wie naiv war ich als Teenager, als ich glaubte, es würde reichen 1 Stunde bevor ich nach Hause ging die letzte Zigarette zu rauchen, damit meine Eltern nichts merkten. Heute weiß ich, dass sie jede einzelne Zigarette, jeden einzelnen Tag an dem ich geraucht habe, gerochen haben müssen - zumal mein Pensum schlagartig nach der ersten Zigarette nach oben ging. Wie schnell habe ich eine Schachtel am Tag geraucht? Wie schnell ging es, dass ich mehr als die geraucht habe? Sie müssen es gerochen haben, sie müssen es auch gerochen haben, wenn ich heimlich am offenen Fenster meines Zimmers mitten in der Nacht eine durchgezogen habe. Sie haben nichts gesagt, warum?

Ich bin dankbar dafür, dass ich diese Erkenntnis machen durfte, ich bin dankbar dafür, dass ich heute locker in der Kneipe sitzen kann und nicht rauchen muss. Ich bin dankbar für all die Menschen um mich herum, die mich nicht ausgelacht haben, als es mir schlecht ging und ich bin dankbar für den Zuspruch, den sie mir gegeben haben. Ich bin dankbar dafür, dass meine Mutter stolz auf mich ist - das habe ich mir so oft gewünscht - ich bin dankbar, dass mein Mann mich vorbehaltlos küsst, wenn ich es will. Ich finde es toll, dass meine Zähne nach einem halben Jahr immer noch nicht wieder braun auf der Innenseite sind, obwohl ich Roiboostee nach wie vor liebe. Ich könnte sicherlich 1000 Kleinigkeiten aufschreiben, die sich verändert haben, aber es mit einem Satz zu sagen, ohne dass man etwas vergisst: Ich habe 181 Tage nicht geraucht und ich bin stolz darauf.