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Tagebuch atropos
2005-05-17 18:31
kindlich sein
Ich habe beschlossen, ich würde gerne wieder die Bedürfnisse einer 6jährigen annehmen.
Ich möchte zu McDonalds gehen und denken, es handle sich um ein Vier-Sterne-Restaurant.
Ich möchte kleine Stöckchen über eine frische Lehmpfütze segeln lassen
und kleine Wellen mit Steinchen machen.
Ich möchte denken, dass Smarties besser sind als Geld, weil man sie essen kann.
Ich möchte unter einer großen Eiche liegen
und an einem heißen Sommertag mit meinen Freunden einen Limonadenverkauf betreiben.

Ich möchte zu einer Zeit zurückkehren, als das Leben einfach war.
Als alles, was ich kannte, Farben, Rechentafeln und einfache Schlaflieder
waren, was mich aber nicht gestört hat, weil ich nicht wusste,
was ich nicht wusste, und darüber auch nicht besorgt war.
Als Glücklichsein alles war, was ich konnte, weil ich nichts über all die Dinge
wusste, die einen beunruhigen und die einen aufregen würden.
Ich möchte denken, dass die Welt gerecht ist. Dass jede in ihr aufrecht und gut ist.
Ich möchte glauben, dass einfach alles möglich ist.
Irgendwann in meiner Jugend...
Ich wuchs auf und lernte zuviel.

Ich erfuhr von nuklearen Waffen, von Krieg, Vorurteilen, dem Sterben und von
misshandelten Kindern.
Ich erfuhr von Lügen, unglücklichen Ehen, Leid, Krankheit, Schmerz und Tod.
Ich erfuhr eine Welt, in der Männer Ihre Familien verließen, um für unser Land
zu kämpfen, und wie sie zurückkehrten und ihr Leben in den Straßen beendeten;
um ihre nächste Mahlzeit bettelnd.

Ich erfuhr eine Welt, in der Kinder wussten wie man tötet... und töteten!!
Was ist mit der Zeit geschehen, zu der wir glaubten, dass jeder ewig leben
würde, weil wir das Prinzip des Todes nicht begreifen konnten?
Zu der wir glaubten, dass das Schlimmste, was uns in dieser Welt passieren
konnte, wäre, dass uns jemand unser Springseil wegnehmen würde oder uns als
letzten in die Handballmanschaft wählen würde.

Ich möchte gleichgültig sein gegenüber der Verworrenheit des Lebens und wieder
überschwenglich erfreut sein an den kleinen Dingen.
Ich möchte zu den Tagen zurückkehren, als Lesen für Spaß stand und Musik rein war.
Als das Fernsehen dazu da war, Neuigkeiten zu übertragen oder zur
Familienunterhaltung, und nicht, um für Sex, Gewalt und Täuschung zu werben.
Ich erinnere mich, naiv gewesen zu sein und gedacht zu haben, dass jeder
glücklich war, weil ich es war.

Ich würde am Strand entlanglaufen und nur an den Sand zwischen meinen Zehen
denken, und an die schönste Muschel, die ich nur finden könnte.
Ich würde meine Nachmittage damit verbringen, auf Bäume zu klettern oder mit
meinem Fahrrad zu fahren.

Ich wäre nicht besorgt über Zeit oder Rechnungen oder darüber,
wie ich das Geld für die nächste Reparatur meines Autos auftreiben könnte.
Ich malte mir aus, was ich tun oder sein würde, wenn ich größer wäre, und
grübelte nicht darüber, was ich täte, wenn dies nicht klappen würde.

Ich möchte wieder einfach leben.
Ich möchte nicht, dass meine Tage aus Computerabstürzen,
Bergen von Akten und deprimierenden Nachrichten bestehen
oder wie ich mehr Tage überlebte, als dem das Geld auf der Bank,
Arztrechnungen, Nickeligkeiten,
Krankheit und Verlust von Geliebten entgegenstehen würde.

Ich möchte an die Kraft eines Lächelns, einer Umarmung,
eines netten Wortes glauben, an Wahrheit, Frieden, Träume,
an die Vorstellungskraft, die Menschheit und an die Kraft, die davon ausgeht,
im Liegen Rauschgoldengel in den frischen Schnee zu formen.

Ich möchte wieder sechs sein.

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