Eine äußerst dämliche Frage dafür, daß das Jahr erst angefangen hat. Wenn wir uns um meine Mutter Sorgen machen, dann ist die Frage gar nicht mal so unberechtigt. Erst jetzt wird mir so richtig bewußt, was der Arzt gestern gesagt hat. Wenn man sich nicht um das Herz kümmert, kann man davon ausgehen, daß sie nur noch ein Jahr zu leben hat, im schlimmsten Fall ist es sogar nur ein halbes Jahr. Das ist ungefähr so, als sei jemand schwer an Krebs erkrankt. Und dann ist ein Jahr ein Witz. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das ohne meine Mutter sein wird. Natürlich hoffe ich, daß man die Sache ganz schnell in den Griff kriegt und daß sie länger lebt wie nur ein Jahr. Die Angst bleibt aber trotzdem. Mir ist klar, daß wir nicht ewig leben, doch wenn man so eine Nachricht bekommt, dann wünsche ich mir genau das. So einfach ist das. Mir laufen wieder die Tränen und wenn es nach mir ginge, würde ich mich in eine dunkle Ecke setzen und einfach nicht mehr raus kommen. Nutzt das was? Natürlich nicht. Immerhin habe ich meine Verpflichtungen. Verpflichtungen, mein ganz persönliches Unwort. Wer weiß, vielleicht läßt mich mein Chef in Ruhe, wenn ich am Montag kaum ansprechbar bin. Wenn er mit kriegt, was in den letzten Tagen bei uns abgegangen ist, erzählt er mir ein Knopf ans Ohr und genau das vertrage ich nicht. Wenn ich das meiner Kollegin erzähle, ist das voll und ganz genug.