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2005-09-06 02:38
wahl-los 05
am sonntag abend schaute ich mir mit einem freund das kanzler-kandidatinnenduell an, nur aus spaß an der freud, nicht etwa als hilfe für die wahlentscheidung oder um irgendwelchen wetten zu folgen, wer denn nun „gewinnen“ würde (was gewinnen, nebenbei? gibt es punkte und einen hauspokal?)
tatsächlich amüsierten wir uns auch ganz gut, da die journalistInnen sich lustig versprachen und die diskutiantInnen in der tat diskutierten, mehr, als wir erwartet hatten.
aber dennoch fiel mein blick immer wieder auf den schriftzug in der rechten oberen ecke des bildschirms. „wahl o5“ stand da. sollte da stehen. für mich sah es auf den ersten blick anders aus: wahl oS.
gelesen, was mein inneres auf meine netzhaut projizierte?
was sollte das heißen?

wahl los – die wahl geht los
wahl-los: ein los, mit dem der ausgang der wahl gelost wird
wahllos: ohne wahl
wahllos: einfach so reingegriffen, irgendwas rausgesucht, egal was.

das fernsehen hatte mich also doch verstanden? eine kritische mitarbeiterin des senders hatte ihre subversive botschaft vor die augen von millionen zuschauerInnen geschmuggelt?

eher wohl doch nur sehen, was in meinem kopf ist.
am donnerstag lag mein stimmzettel im briefkasten. ich war noch nie vorher so verzweifelt beim blick auf die entscheidungsmöglichkeiten. brüllte zu meinen freunden: ‚das ist doch alles scheiße! das kann man doch alles nicht wählen!’
danach entschuldigte ich mich. ich erkannte mich nicht wieder. habe ich mich nicht vor einigen jahren noch über die nichtwählerinitiativen aufgeregt, behauptet, die legten ihre verantwortung aus der hand? habe ich nicht gesagt, ich verstünde die protestwähler nicht?
nun verspürte ich auf einmal den drang, einfach ein kreuz bei einer dieser überhaupt nicht ernst zu nehmenden kommuistischen parteien zu machen. scheiß drauf. wenigstens so richtig rot, wenn auch nix sinnvolles.
keineR meiner freundInnen konnte mir helfen. sie wählen entweder fdp oder cdu (oje oje... für beide). nur einer steht noch traditionell solidarisch bei den grünen – das kann ich leider auch nicht mehr wirklich nachvollziehen.
ich rief meinen vater an, um von ihm ein paar argumente zu hören, warum es wirklich eine schnapsidee sei, die fdp wählen zu wollen, denn ich hatte das in erwägung gezogen, aus irgendwelchen taktischen gründen, an die ich mich nicht mehr erinnere. mein vater half mir bei der selbstanalyse (er erklärte mich für verrückt).
ich fand heraus, daß ich einfach keine lust hatte, immer dasselbe verzweiflungkreuz bei derselben etablierten partei zu machen. nur, weil es das einzige war, das mir einfiel, nicht mehr aus echter überzeugung heraus. es fühlte sich schon wie simple gewohnheit an. deshalb farbe wechseln, mal was anderes?
es gibt wirklich wenig, mit dem ich so sehr gar nichts zu tun habe, wie mit dem fdp-programm. verrücktheit kuriert.

was nun, wieder halbwegs klar denkend, immer noch planlos?
auch wenn ich mich am ende einfach darauf besonnen habe, die bande zu wählen, deren prioritäten zumindest noch entfernt den meinen ähneln –

joseph von westphalen schreibt in der taz vom wochenende: „...eine neue Möglichkeit: das stöhnende Engagement. Zähneknirschend mithelfen...“, „ein geseufztes ‚Ja’“ –

ich will nicht, daß das hier mein fazit ist. ich habe es noch leicht. ich stecke nicht in einer dieser miseren, die mit realer politik, steuern, arbeit, etc. zu tun haben, ich kann auf basis dessen wählen, was ich NICHT für partikularinteresse halte wie viele andere: grundsätze+weitblick+vernunft=ökologie

ach, was rede ich. ich glaube, jedeR kann auf einer solchen basis wählen, aber wenn wir das tun wollen, wen wählen wir guten gewissens, gerade mit solchen kriterien?
ich treffe wieder eine notwehrwahl und erzähle meinen freundInnen, sie sollen die parteiprogramme lesen.
„did you ever realize that nothing changes? everything stays the same.” (nevermore)
es wär schon ganz schön, mal so richtig wählen zu können. nicht zwischen denen zweien, die ja doch für eine große koalition werbung machen bei ihrem tollen duell. ihren anhängseln, entweder wirtschafts- oder machthörig. und und und...
oft genug gehört, ja, aber: alternativen? echte? neue denkweisen außerhalb von ‚sozial ist, was arbeit schafft’ (mir wird wirklich übel, und schwarzrotgelbxxx vor augen)?

ich weiß gar nicht mehr. mir fehlt die pointe.

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Kommentare

01:58 07.09.2005
von meinen persönlichen vorstellungen her, bin ich wohl auch eher liberal, eigentlich schon fast radikalliberal. so wenig staat wie möglich.
leider stehts so auch nicht im programm. wird meinerseits wohl trotzdem aufs kreuzchen dort hinauslaufen. unabhängig von den aktuellen protagonisten. ich wünsch dir eine gute wahl, nicht wahllos!
Good luck!
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
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2005-09-06 02:38