traditionen
mache mir in letzter zeit so viele gedanken und hab dabei wieder einen ohrwurm... I'm just having thoughts... obwohls in dem lied um einen selbstmord geht, von einem ungewöhnlichen mädchen, das sich in einem hohlweg verkriecht, so traurig, daß ich jedes mal heulen muß, wenn ich es höre, und alles, was dann bleibt, ist I'm just having thoughts I said I'm just having thoughts...

und so siehts in meinem kopf aus. having thoughts, nicht so wie sonst, wenn die gedanken wie stummfilme irgendwo weit hinten ihr eigenes ding machen, sondern wie hintereinandergereihte kurzfilme, ein paar dramen, mit übertriebenen bildern und lauten geräuschen, wie tagträume, nur mit ein wenig kopfweh und schrill.

ich mache mir gedanken über mama und papa und über m. und über opa, ohne den wir dieses jahr zum ersten mal weihnachten feiern.
als Opa noch gelebt hat, haben wir uns immer beschwert, daß er so auf traditionen gepocht hat, aber in gewisser weise war er auch wie ein unerbittliches metronom, das alle jahreszeiten, erntezeiten, essenszeiten auf die minute einfordert, mit nachdruck und strengem blick, später mit klopfendem stock. und jetzt, wo er nicht mehr lebt, fehlt der taktgeber und diese schwer zu beschreibende wärme, die jemand hat, der sicher weiß, was richtig ist, auch wenn sich die anderen nicht so sicher sind. habe gestern mit mama telefoniert, und sie hat mich fast ängstlich gefragt, ob wir jetzt an weihnachten was anderes vorhaben. ich hab gesagt, ein bißchen tradition ist schon schön, auch wenns bedeutet, daß man die eklige weihnachtsobstsuppe essen muß. muß man für die tradition auch leiden? in kalten kirchen sitzen? von der suppe durchfall bekommen? und hinterher fühlt man sich irgendwie gut, weil alles seinen platz hatte.