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2005-08-05 15:09
Persönlichkeitsrechte
Seit Jahren konnte ich in meiner Wohnung - zu meinem großen Glück letztlich - frei musizieren. Ich habe mich natürlich an die Ruhezeiten gehalten, also mittags von 13:00-15:00 Uhr und abends ab 20:00 (eigentlich ja 22:00 Uhr) und morgens erst ab 10:00 Uhr. Ich habe mir nie Gedanken darüber machen müssen, ob ich mit meinem Klavierspiel meine Nachbarn störe, da bisher nie größere Beschwerden an mich herangetragen wurden, auch nicht wegen Musizierens an Sonntagen. Da ich eine Zeit lang mal bei geöffnetem Fenster bzw. geöffneter Balkontür gespielt habe, kam es einmal zu einer nachdrücklichen Beschwerde. Seit dem schließe ich die Balkontür, wenn ich spiele. Ansonsten gibt es eher positive Resonanz, und ich habe auch schon mal Hausmusik gemacht und dazu einige Hausbewohner eingeladen.

Anscheinend hat sich aber nun doch Ärger bei dem über mir wohnenden Paar angehäuft. Allein durch die Kinder lebe ich natürlich in einem Haushalt mit höherem Geräuschaufkommen. Jedoch achten wir schon darauf, daß die Kinder nicht unnötig viel Lärm machen (soweit das Wort „Lärm“ hier adäquat ist), schon in eigenem Interesse. In Kombination mit meinem Klavierspielen ist das aber nun offenbar zuviel geworden. Nachdem immer mal wieder Klagen kamen, die Kinder sollen doch nicht so sehr springen usw., kristallisiert sich nun heraus, daß meine Nachbarn eine Art „Sonntagsruhe“ haben wollen. Als ich mich zuletzt mal an einem Sonntag ans Klavier gesetzt hatte, da polterte plötzlich ein Fuß von oben gegen die Decke. Da ich mir nicht sicher war, ob das mir galt, spielte ich weiter, woraufhin sich das Poltern verstärkte. Ich war erschrocken und hörte auf zu spielen.

Ich muß dazu sagen, daß ich normalerweise nie länger als eine Stunde spiele, meist weniger, und daß – was mir auch schon mein Nachbar sagte – ich auch gut spiele. Das macht das Klavier allerdings nicht leiser und Stücke, die sich durch das Üben immer von Neuem wiederholen, können natürlich auf die Nerven gehen.

Wie das ganze nun ausgeht, stelle ich dahin. Mir geht es jetzt eigentlich nur darum, daß mich das im Mark getroffen hat, daß mir nun das sonntägliche Klavierspielen verboten werden soll („Laut Hausordnung ist der Sonntag Ruhetag“ usw., man dürfe da auch nicht Rasenmähen und man wolle da auch nicht drüber verhandeln). Ich habe mich dann genauer kundig gemacht, die Rechtslage ist nicht so einfach, wie es mir meine Nachbarn wissen lassen wollten. Musizieren ist eben nicht Rasenmähen.

Die Sache ist nur die, daß es mich einfach getroffen hat. Mir das Musizieren zu verbieten, daß ist, wie mich in eine Zwangsjacke zu stecken. Ich habe schließlich nach ausführlicher Erkundigung einen Brief an meine Nachbarn geschrieben, ihnen sachlich meine Sicht der Dinge mitgeteilt und um eine Einigung gebeten, indem ich vorschlug, daß ich sonntags nur leise Stücke spiele und nicht zu Zeiten, wo sie auf jeden Fall Ruhe haben wollen und dies auch nur eine halbe bis maximal eine dreiviertel Stunde. Leider gab es bisher noch keine Antwort darauf, ich weiß also derzeit nicht, wie sich das weiterentwickeln wird.

Nur etwas in diesem Brief kommt bei mir immer wieder hoch, und im großen Ganzen geht es in diesem Eintrag genau darum. Und zwar hatte ich darin geschrieben, daß ich mich durch ein sonntägliches Musizierverbot „in meinem Persönlichkeitsrechten angegriffen fühle“. Immer wieder kommt das hoch und ich fühle dabei ein Unbehagen. Was sind das: „Persönlichkeitsrechte“? Sicher, grundgesetzlich ist das geschützt, Musik und Musizieren gehört zu den Persönlichkeitsrechten. Aber mich darauf zu berufen, das fühlt sich sehr komisch an.

Vielleicht ahne ich tief in mir, daß das zwar nette Worte sind, die auch sicher ihre Berechtigung haben, die aber eigentlich nur vor der nackten Wahrheit schützen sollen. Ich bin mir nicht sicher, inwiefern es so etwas a priori sozusagen gibt, irgendein Recht auf irgendetwas. Eigentlich fängt damit doch immer das Dilemma erst an, wenn man denkt, man hätte irgendwelche Rechte an irgendwas oder irgendwem. Ansonsten bin ich mit dem, was ich geschrieben habe, im Reinen. Nur mit diesem Passus fühle ich mich nicht wohl.

Michael

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2005-08-05 15:09