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2010-09-10 15:08
Mein Leben als Groteske

Seit Tagen schwirren da schon diese Gedanken durch meinen Kopf, erst ohne konkreten Anlass, jetzt mit einem.

Ich dachte häufig an letztes Jahr und ein Gespräch, was ich damals führte. Damals, als ich in der Klinik die Polizistin entdeckte und hin und weg war von ihr. Mit meiner Patenpatientin sprach ich darüber. Sie war die einzige, die es wusste. Und schon damals war es ein Gedanke, der mich beschäftigte: „Welche Rolle spielte die Unmöglichkeit des ganzen für diese unglaubliche Faszination, die die Polizistin auf mich ausübte?“

Schon damals fragte ich mich, ob sich mein Herz da nicht eine Situation mit tausend Sicherheitsnetzen ausgesucht hatte, um mal wieder schneller zu schlagen.

Ich halte es zwar bis heute für mehr als wahrscheinlich, dass die Polizistin doch eher an Frauen als an Männern interessiert war, aber Sicherheit bekam ich in dieser Frage nie. Das war schon mal das erste Sicherheitsnetz. Ein zweites war die Entfernung, ein drittes die unmögliche Situation, in der wir uns kennen gelernt hatten, ein viertes die Kürze der Zeit. Man könnte ewig so weitermachen. Es war schlichtweg von Anfang an ausgeschlossen, dass sich zwischen der Polizistin und mir auch nur ein kleines bisschen irgendwas entwickeln würde. Und trotzdem ging ich wochenlang wie auf Wolken.

Ich denke an die letzten fünf Jahre. Denke an Mr. Tattoos, Herrn Gerümpel, Li-La-Lasse…Kleinmädchenschwärmereien. Die Illusion von Gefühl mit der Sicherheit, die einem nur die Träumerei geben kann. Auch da…es wäre nie im Leben was geworden, mit niemandem von ihnen. Aber es ging mir doch eigentlich gut mit dieser Schwärmerei aus der Ferne.

Wenn ich im Gegensatz dazu an die Situation denke, in denen sich die Chance auf etwas Echtes bot, muss ich sagen, dass das ganz anders aussah. Angst, ja Panik, Chaos, Selbstsabotage und am Ende immer ein Scheitern. Ein selbst verursachtes Scheitern. Aus Angst.

Ich frage mich, ob nicht mein diesjähriger Sommer irgendwie auch von Sicherheitsnetzen getragen war. Ich frage mich, ob mir nicht doch insgeheim klar war, dass es nichts werden würde, werden könnte.

Eigentlich habe ich ein gutes Bauchgefühl, auf das ich mich viel öfter verlassen sollte. Am Tag vor Heidelberg hatte ich ein ganz seltsames Gefühl und überlegte noch, nachzufragen, ob es dabei bleibt, weil ich sonst die Fahrkarte noch umgetauscht hätte. Ich tat es nicht. Am Abend vor Heidelberg hatten wir ein merkwürdiges Gespräch. Darin deutete er an, dass er mich ja schon deswegen nicht versetzen würde, weil ich viel Geld für die Fahrkarte ausgegeben hatte und das ja dann umsonst gewesen wäre. Ich scherzte noch, ob er mich nur trifft, damit ich das Geld nicht umsonst ausgegeben habe. Es war seltsam. Wirklich seltsam. Am Heidelberg-Donnerstag selbst war ich so ruhig. So gelassen. Sämtliche Nervosität war wie weggeblasen. Ich weiß es nicht, aber ich frage mich, ob ich nicht insgeheim tatsächlich erwartete, dass Heidelberg nichts wird.

Ich weiß, dass ich in mir ein großes Bedürfnis nach Extremen trage. Ich weiß, dass ich mich nur in den Extremen so lebendig fühle wie nie. Ich weiß, dass ich sehr extrem empfinden kann, im Positiven wie im Negativen. Ich weiß, dass es irgendwie auch…kickt. So oft wabere ich in Gleichgültigkeit vor mich hin. Ein Level, eine Stimmung, tot. Ich spüre mich nicht. Aber erst durch solche Extreme fühle ich mich wieder lebendig. Vielleicht habe ich sie in diesem Sommer irgendwie provoziert. Vielleicht waren sie absehbar. Vielleicht genießt ein Teil von mir die Tiefpunkte ein wenig zu sehr.

Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass mich momentan die Frage beschäftigt, ob ich überhaupt beziehungsfähig, bindungsfähig bin.

Und ich weiß nicht, ob ich diese Frage überhaupt beantworten kann, denn letztendlich kann ich da auf keinerlei praktische Erfahrung zurückblicken. Es hat sich in dem Sinne nie ergeben. Es gab tatsächlich immer nur skurrile und schwierige Geschichte, wie ich letztens schon mal schrieb.

Alles, was hätte normal sein können, scheiterte in den Anfängen an meinen Problemen. Ich weiß, dass manche meiner Eigenarten schon ganz anziehend wirken können, dass man(n) sich für mich begeistern kann. Aber am Ende war dann die Selbstsabotage doch erfolgreicher, die Blockaden und Mauern zu groß, zu dick, als dass es wirklich jemand geschafft hätte, sie zu überwinden. Früher oder später haben sie noch alle aufgegeben. Die einen früher. Die anderen später. Aber selbst der Geduldigste verlor irgendwann endgültig die Geduld.

Das sind alles Ist-Dinge aus der Vergangenheit. Erlebtes. Immer wieder Erlebtes. Wiederholungen. Immer und immer wieder. Wie soll das Leben da weiter gehen? Eine endlose Aneinandereihung von Fehlstarts? Teenieschwärmereien für die Illusion von Gefühl und ab und an ein echtes Drama? Aussichtlose Geschichten, die  einem für einen Moment die Hoffnung auf so etwas wie Normalität geben, die dann aber irgendwann doch an den Umständen oder einem selbst scheitern?

Das kann es eigentlich auch nicht sein.

Aber kann ich es mir anders vorstellen? Ich kenne es anders nicht. Das ist so. Ich neige dazu, es anders abzulehnen. Ich kann es mir schwer vorstellen. Bekomme so etwas wie Beklemmungen. Fürchte um meine Freiheit. Um meine Eigenständigkeit. Will mich nicht abhängig machen. Hätte das Gefühl, mich abhängig zu machen. Aber das ist es wohl nicht, dass muss es nicht heißen. Sonst würde sich nicht ein Großteil der Menschheit auf Beziehungen einlassen, wenn Beziehungen immer nur Abhängigkeitsverhältnisse und Verlust des eigenen Willens, der Selbstbestimmtheit, der Freiheit bedeuten würden.

Diese Gedanken schwirren also schon seit ein paar Tagen durch meinen Kopf. Unbestimmt. Nicht festgemacht an irgendwas oder irgendwem. Einfach so ganz allgemein die Frage: Wie soll es weiter gehen, wo willst du hin?

Und dann, dann passiert dies und dann passiert jenes und auf einmal macht man diese Fragen dann doch wieder an einer konkreten Person fest. Und mal ganz im Ernst, bei diesem Drama in den letzten Wochen und Monaten möchte ich ja nun fast über mich selber lachen. Irgendwie ist es echt einfach nur noch lächerlich.

Ich würde mir ja gerne weniger Gedanken machen, aber ich fürchte, ich kann einfach nicht anders, ich bin so gestrickt, ich kann das stete Reflektieren einfach nicht sein lassen.

Es ist der Haarspraytöter, der mir jetzt Grund gibt, allgemeine Fragen an einer konkreten Person festzumachen, an seiner Person. Nachdem wir uns gestern dann mal etwas ausführlicher miteinander auseinandergesetzt haben….Sehe ich vielleicht Kleinigkeiten ein bisschen anders.

Für den Haarspraytöter bin ich, momentan, wohl tatsächlich Supergirl, weil ich scheinbar alles verkörpere, was er immer gesucht hat. Konkret Ausdruck fand es unter anderem in diesen Worten:

„Ich habe einfach von Anfang an gemerkt, dass du etwas Besonderes bist. So dermaßen tiefgründig und vielschichtig und mit wachem Geist und offenen Augen durchs Leben gehst und den gleichen Horizont teilst mit mir und das suchte ich vergebens bisher.“

Und mal ganz im Ernst, man müsste wohl kalt wie ein Eisblock sein, wenn einen solche Worte völlig unberührt lassen würden. Solche Worte oder ähnliche kamen von ihm gestern ständig und er verhält sich mir gegenüber ein bisschen so wie ein kleiner Junge im Bonbonladen, der mit großen Augen staunend all die vielen, vielen neuen Wunderdinger entdeckt, die er theoretisch alle haben könnte.

Das ist auch sehr süß. Aber nicht neu. So oder so ähnlich habe ich schon andere über mich reden hören. Und am Ende habe ich sie doch alle an meinen Abgründen scheitern gesehen, scheitern lassen.

Es ist nicht so, dass ich dem Haarspraytöter gegenüber völlig abgeneigt bin. Im Gegenteil. Es fasziniert mich, bei wie vielen Dingen wir in ähnlichen Bildern denken. Es ist wirklich recht erstaunlich, dass er manches so formuliert, wie ich es selbst schon tat und hier oder sonst wo festhielt. Der zweite Eindruck nach gestern sagt, dass es da wohl tatsächlich einiges an gemeinsamer Basis gäbe, aus der man etwas machen könnte.

Hätte es nicht den Sommer gegeben, wäre ich jetzt wahrscheinlich nicht relativ nüchtern und abgeklärt. Hätte es den Sommer nicht gegeben, würde ich wohl jetzt vor Begeisterung im Dreieck hüpfen.

Der Sommer, der Musiker, hat mich begeistert. Auch wenn ich mich nach Kräften bemühte, die Begeisterung zu zügeln und das wohl auch streckenweise ganz gut hingekriegt habe.

Aber jetzt…zögere ich, der Begeisterung freien Lauf zu lassen. Denn tatsächlich schwirrt mir jetzt durch den Hinterkopf, dass er ja bei aller Begeisterung früher oder später auch feststellen würde, dass ich einfach zu kompliziert bin. Warum dann also das Spielchen bis zu diesem Punkt noch einmal treiben? Wenn das Ergebnis eh schon klar ist, warum soll man es dann tun?

Ich frage mich mal wieder, wie weit die eigene Verantwortung gegenüber anderen Menschen nun eigentlich reicht. Natürlich ist jeder für sich selbst verantwortlich und muss mit den Entscheidungen leben, die man selbst trifft. Aber…

Es stört mich ja schon, für ihn Supergirl zu sein, seine enorme Begeisterung für mich verunsichert mich und wenn er andeutet, dass er in Bezug auf mich gewisse Gedankenspiele in gewisse Richtungen entwickelt…Ja, es ist seine Entscheidung. Aber sollte man ihn da nicht ein wenig bremsen vielleicht?

Bin ich zu sehr Gutmenschin? Er schrieb von vielen Enttäuschungen in letzter Zeit, von denen er sich gerade wieder erholt hat. Und ich mag ihn. Und ich will nicht, dass er sich, mehr oder weniger sehenden Auges, in die nächste Enttäuschung stürzt, denn ich bezweifle, dass ich seinen Bedürfnissen gerecht werden könnte.

Ist das jetzt wieder mangelndes Selbstvertrauen? Fehlende Selbstliebe? Schon der Beginn des Prozesses, in dem ich mir immer wieder aufs Neue vorbete, dass jemand wie ich es nicht verdient hat, dass ihm etwas Gutes im Leben passiert? Die großmütige, selbstlose Geste, mit der ich ihn vor einem Unglück wie mir bewahren will?

Geht es mir um mich und meinen Wahn? Oder geht es mir um ihn?

Allein schon die Tatsache, dass ich schon jetzt das verkomplizierende Denken wieder anfange, sollte Warnzeichen genug sein. Lass es sein. Lass es sein. Lass es sein.

Und wenn man die Gedanken mal einfach abschaltet und alles auf sich zukommen lässt? Vielleicht hilft es ja, jetzt insgesamt ein wenig abgeklärter und kühler zu sein? Weiß man’s?

Ich möchte lachen. Lachen. Lachen. Lachen über mich. Ich fühle mich mal wieder so was von erbärmlich.

Mein Leben ist eine Groteske, in Perfektion umgesetzt.

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2010-09-10 15:08