Leere
Heute morgen war sie aufgewacht und hatte sich eigentlich gar nicht so schlecht gefühlt. Sie hatte mal wieder von ihm geträumt, von Jungen, den sie so gerne mochte und irgendwie hatte es sie diesmal nicht traurig, sondern eher glücklich gemacht. Im Fernsehen sah man auf jedem Programm nur Berichte der Flutopfer. Schreckliche Bilder, Menschen, die einem unendlich Leid taten. Sie hatte auch Geld dort hin gespendet. Schließlich hatte sie ja genug, vor allem an Weihnachten bekommen und es wäre einfach ungerecht gewesen, alles für sich selber zu behalten. Trotzdem kam ihr der Betrag viel zu klein und sie sich selber geizig und egoistisch vor, als sie mal wieder diese Dinge sah. Deshalb zwang sie sich auch dazu ihre Sorgen zu vergessen, die verglichen mit diesen schrecklichen Dingen doch überhaupt nicht der Rede wert waren. Sie wollte jeden Tag fröhlich und dankbar darüber sein, dass sie eine Familie hatte und, dass es ihr so gut ging.

Erst jetzt am Abend konnte sie ihre Gefühle wieder nicht zurückhalten. Diese Einsamkeit und diese Wut, die sie in sich trug. Und diese Fragen: Wieso sie niemanden hatte, den sie ihre Sorgen erzählen konnte? Wieso ihre Freundin sie mit ihrem Egoismus so sehr enttäuschen musste und warum sich einfach niemand für sie interessierte und sie in dieser Einsamkeit zergehen ließ.
Außerdem hatte sie Bauchschmerzen und das Leben schien ihre mal wieder sinnlos und irgendwie leer. Sie wünschte sich so sehr, dass jemand von ihren "Freundinnen" anrief; wissen wollte, wie es ihr ging. Doch davon konnte sie wohl nur träumen. Und trotzdem hatte sie keine Wahl. Sie musste weitermachen und versuchen dankbarer und optimistischer zu sein für das, was sie hatte und nicht verlieren wollte.
Vielleicht lag es auch einfach nur am Winter, den sie noch nie besonders gemocht hatte. Im Frühling, wenn die Blumen und Vögel wiederkamen... vielleicht würde dann auch ihre Lebensfreude wiederkehren und ihrem Leben einen Sinn machen.