In unbeschreiblicher Aufregung...
In unbeschreiblicher Aufregung verleben wir diese Tage der Entscheidung! Vorgestern wurde der deutschen Delegation die Antwortnote der Alliierten überreicht! Heute treffen die Gesandten in Berlin ein! Zuerst hatten unsere Feinde nur 5 Tage Frist bis zur Antwort der Deutschen gewährt, auf Antrag des Großen Rantgau wurden noch 2 Tage zugebilligt, sodaß spätestens bis Montag Abend unsere Antwort erfolgen muß. Unbeschreiblich ist die Erregung, wenn auch äußerlich Ruhe herrscht! Niemand weiß, was kommen mag, da keine Zeitungen über den Rhein kommen! Wir sitzen wie Gefangene hier, haben 2 Franzosen im Haus einquartiert, sodaß wir uns fürchten, ein lautes Wort zu reden. Gegenüber, am früheren Landrats-Amt, wo jetzt der frz. Kommandeur wohnt, weht seit Sonntag die Fahne blau, weiß, rot! Weder der erste Kommandant: Mr. De Job , noch der zweite Mr. Jouiller hatten diese frz. Flagge gehißt; der dritte Kommandant, de Villeroy-Galkan, ließ diese sofort anbringen! Man spricht seither wieder über die Ereignisse in Wallerfangen bei Ausbruch des Krieges.—
Die Franzosen benehmen sich freundlich, auch wir sind entgegenkommend, sodaß Friede in der Stadt herrscht, aber die Trauer im Herzen ist groß! Mein armer Mann leidet unsäglich unter dem unerhörten, empörenden Verhalten unseres Personals! Gestern waren diese rohen Menschen, sämtlich Spartakisten, zu Viert nach Saarbr. ans Tarifgericht gefahren, wo sie ihren alten Chef angeklagt hatten, wegen übermäßigen Lohnforderungen, die er abgelehnt hatte. Triumphierend kamen sie wieder und brachten seine „Verurteilung“ mit! Dabei darf er diese Verbrecher nicht einmal entlassen – es ist entsetzlich! Zu all diesen Leiden kommt nun heute Abend die Nachricht, daß man überm Rhein zum Kampf rüste! Das arme Volk, ohne Heer und ohne Waffen – jetzt, wo Alles verloren ist, durch diese unselige Revolution – wollen sie kämpfen und unsere Leiden noch vermehren!! O jammervolle Zeit!