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2008-08-31 19:44
glücklich


veranda aus holz. die weiße farbe blättert schon seit längerem ab. und mit ihr alles, was mich an der zivilisation noch reizt. wenn ich über die grünen hügel blicke, entspannt sich mein geist. reckt und streckt sich, als hätte er eine lange reise hinter sich. die berge am horizont schimmern in den schönsten herbstfarben. das, was mir in meinem leben am wichtigsten ist, steht gerade in der küche und macht kaffee. ich sehe durch das offene fenster, wie ihre roten locken im westwind wehen. sie lächelt verschmizt. träumst du wieder? ich zucke mit den schultern. was sollte ich darauf antworten. sie kennt die antwort besser als ich. ohne sie wäre ich jetzt ein verdammt wohlhabendes, aber seelenloses arschloch. dank ihr kann ich meine gedanken wieder frei schweifen lassen. wir haben uns durch zufall vor einigen jahren kennengelernt. es begann mit einem brief von ihr. eigentlich von einer freundin, die in ihrem namen an mich geschrieben hatte. ich antwortete neugierig, wunderte ich mich doch darüber, dass mir eine vermeintlich wildfremde person schreibt. das wiederum hat ihr interesse geweckt. was darauf folgen sollte, ist mein bisher intensivstes erlebnis, worte, text, literatur - meinen lebensinhalt betreffend. wir haben uns nicht mit profanen frage-antwortspielchen aufgehalten. gleich der zweite brief begann mit einer halbseitigen beschreibung eines weines, den wir ihrer meinung nach zusammen genießen sollten. genuß. vielleicht die alles überragende überschrift, die sie meinem leben gegeben hat. unsere briefe wurden immer lyrischer, begannen literarisches niveau anzunehmen. hatte ich vorher stundenlang an einem brief gesessen, brauchte ich schon nach einigen wochen ganze tage zum verfassen. und obwohl wir uns in immer kürzeren abständen schrieben kam es vor, dass ich seitenweise entwürfe in meinen papierkorb entsorgte. ich hatte in ihr nicht nur eine ebenbürtige gegnerin gefunden, was ausdruck, form und sprache betrifft. sie war auch der einzige mensch in meinem leben, den ich als seelenverwandt akzeptieren konnte. jemanden, der verstand, was ich ausdrücken wollte. nein, das würde ihr nicht gerecht werden. jemanden, der empfand, so wie ich empfinde. bis in die tiefsten regionen meiner seele. äußerlichkeiten wurden dadurch nebensächlich. zum ersten mal habe ich mich in einen menschen verliebt, den ich noch nicht gesehen hatte. sie hat mich dann irgendwann auf ihren geburtstag eingeladen. ich könne ruhig freunde mitbringen, falls es mir unangenehm sei, alleine zu kommen. ich kam allein. selbst meinen einzigen besten freund und blutsbruder hätte ich nicht dabei haben wollen, wenn es schief gegangen wäre. heute frage ich mich, ob überhaupt jemand mitgekommen wäre. die wochen davor war ich sicher unausstehlich. trotz zehn stunden in der uni habe ich jedesmal bis morgens vier, fünf uhr an den briefen gesessen und war tags darauf entsprechend gelaunt. natürlich ist meine neue selbstzertstörerische passion niemandem entgangen. aber derart intensive gefühle hätte mir trotzdem keiner zugetraut. so waren dann auch die meisten negativ überrascht, als ich regelmäßig angebote zu gemeinsamen unternehmungen ausschlug...weil ich noch schreiben musste. viele argwöhnten, dass ich meine neue bekanntschaft nur als vorwand als nutzte , mich interessanteren menschen zu zuwenden. letztlich hatten sie recht, wenn auch anders als erwartet.
als es dann soweit war ging natürlich alles schief. gemäß der form, die wir zur kommunikation wählten, wollte ich ihr blumen zum geburtstag schenken. dazu hatte ich mich mehrere tage lang in die sprache der blumen eingearbeitet, welche noch bis ins späte 19. jahrhundert angewandt wurde. damals war es aufgrund mangelnder anderer kommunikationsmöglichkeiten unter den wohlbehüteten verliebten nicht unüblich, dem oder der angebeteten nachrichten durch bestimmte blumenarrangments zukommen zu lassen. der strauß den ich zusammengestellt hatte, hätte einer kundigen empfängerin meine tiefste zuneigung mitgeteilt. aber auch den einen oder anderen wesenszug an mir, den manch einer als flatterhaft, ich hingegen als spontan und freiheitsliebend beschreiben würde. leider haben die unfähigen crétines von blumenverkäuferinnen aus dem geschäft meiner wahl meine kreation variiert, wodurch die nachricht zerstört wurde. angeblich waren die bestellten blumen nicht vorrätig. konsequenz: ich werde nie wieder blumensträuße am telefon ordern. das, was ich in die hände gedrückt bekam, gefiel mir ganz und gar nicht. und das war erst der anfang.
hätte ich damals schon von ihren wunderschönen dunkelgraublauen augen gewusst, deren farbe der himmel inzwischen angenommen hat...
sie sollte mich an jenem tag vom bahnsteig abholen. ich wartete am gleis, bis auch der letzte fahrgast richtung heimat oder sonstwohin aufgebrochen war. mir war langsam übel. von ihr war immernoch nichts zu sehen. auch nach einer gefühlten ewigkeit nicht, obwohl ich mich pünktlich für diesen zug angemeldet hatte. ich war kurz davor, aufzugeben. wieder heim zu fahren. zwar habe ich vor meiner abfahrt dank googlemaps den weg zu ihr auswendig lernen können.trotzdem kostete es mich einige überwindung, es dann doch auf eigene faust zu probieren. immerhin hatte sie geburtstag und um die zwanzig leute in die wg eingeladen. vielleicht war ihr etwas dazwischen gekommen? schlecht gelaunt war ich trotzdem. schon in der haupthallte des bahnhofs kam sie mir entgegen. nahm mich in den arm und küsste mich auf die wangen. ich war überwältigt. und sprachlos. wie konnte sich dieser empfindsame geist in so einer sinnlichen hülle verbergen? sie wohnte zum glück nicht weit. denn was danach folgte weiß ich nicht mehr. ich war wie weggetreten. mein bewusstsein setzte erst in tiefster nacht wieder ein. der geburtstag war sicher toll. viele nette menschen haben sich mit mir unterhalten - auch wenn ich mit sicherheit nichts sinnvolles beigetragen habe. aber im laufe dieser unterhaltungen war es so spät geworden, dass keine züge mehr fuhren und ich keinen vorwand brauchte, um bei ihr schlafen zu können. sie war den ganzen abend so beschäftigt, dass wir nicht wirklich dazu kamen uns zu unterhalten. was sie von mir hielt konnte ich höchstens erahnen. ich bin weißgott kein kind von traurigkeit und habe mir selten gedanken über eine frau gemacht. frauen kamen und gingen für gewöhnlich. aber das hier war etwas anderes. mir war schwindelig vor aufregung, alkohol und einem hormoncocktail der es in sich hatte. endlich hatte ich sie für mich alleine.
schatz...?
ich merke, dass der sommer vorbei ist. nachts wird es kalt auf der veranda. aber dieser sternenhimmel...unbeschreiblich.

ich hab dir was gekocht. du musst doch essen. ich hab noch nie etwas von einem guten schriftsteller gelesen, der hungrig war.

heute sitze ich hier und bin mit sicherheit der glücklichste mann auf dieser welt. das rezept hat sie extra für mich kreiert. in chillie gebratene scampi auf orangen. dazu einen weißwein der nach leben schmeckt.
ich liebe dich.

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