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2007-08-23 06:25
Gedanken
Es ist noch keine 6.00 Uhr morgens. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen; das einzige Licht wird von meinem Notebook ausgestrahlt. Kalt fällt sein Licht auf die Tastatur, über die meine Finger huschen. Die Terassentür neben mir ist auf, nebem dem Plätschern des Regens ist weit entfernt die Autobahn zu hören. Im Keller wäscht die erste Wäsche, meine Frau ist arbeiten. Ich habe für den Rest der Woche einen Krankenschein. Ach, an diese Hausmannstätigkeiten könnte ich mich schon gewöhnen. Mein Kaffee neben mir dampft und beschlägt beim Trinken meine Brille.
Wer weiß, vielleicht geschieht das ja schneller, als ich denke. Immerhin hat meine Frau die Pille abgesetzt. Ich konnte allerdings wieder einmal eine Frist aushandeln. Im Oktober wollen wir nach Irland, dahin, wo ich ihr den Antrag gemacht habe. Ich möchte nicht, dass sie da schon Schwanger ist. Sie sagt, so schnell würde es wohl nicht klappen.

Wie auch immer. Plötzlich bekam ich so eine Art von... Angst. Oder war es Panik? Ich wußte, dass dieser Tag kommen wird. Damals, als wir in einem Irish Pub in Braunschweig bei einem Guinnes uns immer näher kamen, hatten wir auch dieses Thema angesprochen. Sie teilte mir unmisverständlich mit, dass sie unbedingt Kinder haben möchte, und wenn ich dazu nicht bereit sei, sehe sie für uns keine Zukunft. Das hört sich jetzt so knallhart an, war es aber nicht. Es wurden Zukunftsträume und -wünsche geäußert. Da mußte ich mich entscheiden. Nun, mittlerweile sind wir verheiratet, die Entscheidung ist gefallen. Doch bis vor Kurzem war das noch so abstrakt, genauso weit entfernt wie mein eigener Tod. Verdrängung ist ein natürlicher Vorgang.

Nun stehe ich wieder einmal vor einem Schritt, der mein bisheriges Leben komplett auf dem Kopf stellen wird. Ein Kind. Mein Kind. Nichts ist damit vergleichbar! Eine riesige Verantwortung, aber auch... eine Erfüllung, eine in die Realität gezogene Sehnsucht, oder anders ausgedrückt: eine Wirklichkeit gewordene Möglichkeit meines Lebens, die ich vielleicht schon als Kind erhofft hatte, als ich für die Schule einen Stammbaum meiner Familie erarbeitete. Ich sehe mich immer noch da sitzen, den Blick auf all die vielen Namen unbekannter Menschen gerichtet, sehe die Jahreszahlen 1866, 1904, 1939... Was haben sie alles in ihrem Leben durchmachen müssen? Krieg, Armut und Elend. Aber sicherlich auch sehr viele schöne Momente. Mit sehr viel Liebe haben sie ihre Kinder in deren Zukunft geführt, ehe sie von der Bühne des Lebens traten und sich in die Reihen der Namenlosen einreihten. Nichts von ihnen ist mehr übrig, nicht mal ihre Namen, die ihre Eltern riefen, um sie zum Essen zu holen.
Nein, so ganz sind sie nicht verschwunden. In jeder Zelle von mir ist ein Stück von ihnen... von jedem einzelnen. Und wie von ganz weit entfernt meine ich ihre Stimmen zu hören... ich erkenne einige Gesichter im Dunkeln... mein Vater... sie sind alle da. Ich wäre heute nicht hier, wäre nicht dieser Mensch mit diesen Gedanken, wenn sie alle nicht gewesen wären...

Der Kaffee ist kalt. Draußen dämmert es langsam, die Schatten ziehen sich zurück und die letzten Regentropfen fallen zur Erde.

Ja, ich glaube, ich muß was tun, bevor ich mich einreihe...

http://www.youtube.com/watch?v=R3y6pBXY8I8&mode=related&search=

Kommentare


unbekannt
14:21 26.08.2007
du musst gar keine so große angst haben, lieber charlie....wenn der krümmel erst einmal da ist, wird es dir gefallen, da bin ich mir sicher...und du verpasst dadurch nichts...im gegenteil, es kann einen menschen sehr bereichern, sein kind groß werden zu sehen

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2007-08-23 06:25