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2011-05-24 14:47
Die Jugend von heute...

Wenn man etwas wirklich will, macht man manchmal auch wirklich ungewöhnliche Dinge, um es zu bekommen. So geschehen in meinem Leben vor zwei Wochen, als ich mir an einem schönen Sonntagvormittag die Wiederholung des DSDS-Finales anschaute. Als Vorbereitung auf das Vorstellungsgespräch, das heute vor genau zwei Wochen stattfand.

 

Tatsächlich würde ich mich wohl in den kommenden Jahren sehr intensiv mit den Helden der heutigen Jugend auseinandersetzen müssen, würde ich den Job bekommen. So war mir gar nicht bewusst, dass der DSDS-Gewinner von 2009, Daniel Schuhmacher, tatsächlich noch sehr aktuell und sehr beliebt innerhalb einer gewissen Altersgruppe ist. Wieder was gelernt. Eine Menge unnützes Wissen. Ob das tatsächlich Sinn des Lebens ist, kleine unbedeutende Nachrichtenfetzen über die Disney- und Nickelodeon-Stars zu verbreiten? Man weiß es nicht. Aber es ist definitiv mal etwas anderes.

 

Vor zwei Wochen habe ich mir also das Finale von DSDS angeschaut. An Fernsehformaten wie diesen kommt man ja heutzutage gar nicht mehr vorbei, selbst wenn man sie nicht regelmäßig verfolgt. Jedenfalls dann, wenn man bestimmte Emailprovider benutzt, die jede kleinste Kleinigkeit in großen Schlagzeilen auf ihren Startseiten verbreiten. Die Gesichter der Protagonisten des Finales waren mir also schon bekannt und auch, dass es sich um ein „Liebes-Finale“ handelte, war mir nicht ganz neu.

 

Aber was man daraus gemacht hat, das fand ich dann doch etwas übertrieben. Nicht mal Zwanzigjährige als Brautpaar zu inszenieren, Hochzeitsgerüchte schüren…Muss das wirklich sein, um heutzutage noch verkaufen zu können? Scheinbar gibt es wohl auch Recruitierungsprobleme bei „Deutschlands beliebtester Castingshow“, denn der Poptitan, Onkel Dieter, meinte wohl, mit den Geldscheinchen winken zu müssen. „Wenn es schlecht läuft, verdient der Gewinner eine halbe Millionen Euro. Aber so schlecht läuft es selten, es ist auch locker das Dreifache drin.“ So gesehen ist das ja nicht mal wirklich viel Geld. Mit schlechten Beratern und jugendlichem Leichtsinn ist das Geld schneller wieder verlebt, als einem lieb sein kann. Jedenfalls fand ich es doch bizarre, so offen mit den Verdienstmöglichkeiten für die kommende Staffel zu werben. Und eine weitere Staffel wird kommen, ihr Zehnjähriges will die Sendung ja mit Sicherheit schaffen. Und solange die Quoten stimmen…

 

Volksverdummung durch Castingshows, diese Meinung herrscht ja durchaus in manchen Kreisen vor. Sicherlich ist es so, dass gerade auf den privaten Sendern das Anspruchsniveau immer weiter in den Keller sinkt. Aber dass man nun auch dazu übergeht, für die so genannten Stars, die man im eigenen Haus hervorbringt, Leute mit…sagen wir mal wenig Substanz aussucht, das war mir neu. Wobei ich vielleicht auch zu vorschnell urteile, immerhin habe ich die Sendung nie verfolgt und erst im Finale einen Eindruck vom dem strahlenden, kleinen Gewinner-Italiener bekommen. Und doch, dass er beispielsweise Schmetterlinge für kleine Vögel hielt und diese Einschätzung mit „typisch Piedro, so verpeilt“ kommentiert wurde, hat mich schon….überrascht.

 

Andererseits ist er natürlich wie es scheint ein guter Kandidat für Cinderella-Tellerwäscher-Millionär-Geschichten. Der Strasssteinchenkleber ohne (Haupt-)Schulabschluss wird Superstar. Solche Geschichten laden zum Träumen ein, wundersames Fernsehwerk, macht noch echte Helden, lässt Märchen wahr werden. Vielleicht vermittelt es ja dem Zuschauer auch das Gefühl, jemand aus dem Volk, ein Normalotyp, der Junge von nebenan, „jemand von uns“ hat es geschafft. Aber ist so ein Pietro Lombardi tatsächlich repräsentativ für das Gros der heutigen Jugend? Es wäre verdammt traurig, wenn es ist.

 

Pietro mit der Dieterfaust. Seine Performance erinnerte mich doch sehr, sehr stark an Modern Talkings beste Zeiten. Auch den Dieter selber hört man schon nach den ersten Takten des Liedchens überdeutlich heraus. Aber es scheint anzukommen. Erstaunlicherweise. Nicht nur die Chartplatzierungen belegen das. Letztens stand ich an der Bushaltestelle und beobachtete drei kleine Jungs, die vielleicht 13, 14 Jahre alt waren. Sie unterhielten sich mit glühenden Augen über den aktuellen Superstar und ahmten eifrig seine Gesten nach. Scheinbar ist tatsächlich ein neuer Held der heutigen Jugend geboren. Und sollte tatsächlich noch eine Zusage aus Bayern kommen, werde ich wohl dann auch fleißig daran mitarbeiten müssen, dass sein Stern noch lange nicht verglüht.

 

„Ist das wirklich das, was du willst?“ Heiße Diskussionen hatten wir schon darüber, mein Dad und ich. Er hat nicht ganz unrecht, die Thematik, die auf mich zukäme, entspricht mir so wirklich gar nicht. Aber das heißt ja nicht, dass man nicht eine Menge dabei lernen kann. Und tatsächlich ist es wahrscheinlich auch gar nicht so einfach, sich in ein Gedankenuniversum einzudenken, in dem die Information, dass Justin Bieber in einem vermutlich nicht abwendbaren fünften Teil von „Pirates of the Carribean“ möglicherweise als Johnny Depps verschollener Sohn auftreten wird, einen echten Wert für die Leserschaft hat.

 

(Manchmal sollte man aufhören, wenn es am schönsten ist. Ja, auch ich werde mir den vierten Teil von „Pirates oft he Carribean“ wahrscheinlich ansehen und es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass ich auch einen fünften Teil schauen würde, aber andererseits ist auch der ansprechendste Charakter irgendwann einmal ausgelutscht. Captain Jack bis zum Erbrechen muss auch nicht sein. Selbst ihm sollte man irgendwann einmal den verdienten Filmruhestand gönnen, ehe ein hässlicher Abstieg folgt. Es gibt mit Sicherheit noch genügend Seemannsgarn, was sich filmisch verarbeiten ließe, aber man kann das Rad nicht noch mal neu erfinden, irgendwann bieten die Filme wohl kaum noch ansprechende, neue Aspekte.)

 

Zurück zur Jugend. Die Redaktionsleitung versteht sich und ihr Produkt als Bildzeitung für Kinder. Das Niveau hat da Ergebnis in etwa auch. Andererseits steht es an dritter Stelle hinter dem Marktführer und das ist verdammt gut. Niemand sagt, dass man ewig in dem Segment bleiben müsste. Am meisten reizen mich die Kontakte, die sich in der Zeit knüpfen ließen. Heinrich Bauer, Panini, Gruner&Jahr, um nur einige zu nennen. Besonders der letzte Name gefällt….von der Jugend hin zur GEO, wo ich inhaltlich ja dann doch noch mein Studium einbringen könnte, das wäre schon was…Zukunftsmusik, natürlich. Noch habe ich ja nicht mal eine Zusage aus Bayern. Aber wenn in der heutzutage ein Strasssteinchenkleber Superstar werden kann….

 

„Wenn man schon für die Jugend schreibt, kann man sie nicht dabei ein bisschen an die Hand nehmen, ihnen Hilfe in ihren Problemen anbieten? Was ist mit Scheidungskindern und Hartz4-Familien, kann man darüber nicht mal eine Zeitschrift herausbringen?“ Fragt mein Dad. Und ich sage „Nein.“ Ich glaube nicht, dass eine Zeitschrift das geeignete Medium ist, um sich mit solchen Themen zu befassen. Jedenfalls nicht in Form eines Ratgebers. Zumal man sich das Problem ja auch erst einmal eingestehen müsste. Und nicht nur das, mit dem Kauf einer solchen Zeitschrift würde man sich öffentlich dazu bekennen. Ich glaube nicht, dass das jemand will, erst recht niemand, der gerade mitten in der Pubertät ist. Nein, eine Zeitschrift, die sich nur mit Problemthemen beschäftigt und als Ratgeber versteht, würde sich wohl nie verkaufen.

 

Eine Zeitschrift wie diese kauft man, weil man unterhalten werden will, sich vielleicht auch ablenken möchte. Viel Unterhaltung, viele Bilder, wenig Information. Und was interessiert heutzutage? Noch immer ist Amiland der Richtwert, 90% der „Stars“ stammen von dort, viele waren mir bis vor kurzem gänzlich unbekannt. Ehemalige Castingshowkandidaten, die „Katze“ und hin und wieder mal eine etablierte Band, das sind die deutschen Gesichter, die sich finden lassen. Musik, Kino, Film sind die Sparten, aus denen die Leute kommen. Serienstars  gibt es eher weniger, jedenfalls keine deutschen. Wenn überhaupt Disney- und Nickelodeon-Serienproduktionen.

 

Das finde ich interessant in Hinblick auf die Frage, wie sehr die deutsche Medien- und Fernsehlandschaft tatsächlich Einfluss nimmt. Genau wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei. Wer gibt die Meinung vor, die Medien oder die Zielgruppe. Von Seiten der bayrischen Redaktion heißt es ganz klar: Die Zielgruppe. Die Jugend erfinde sich jedes Jahr neu, man müsse ein Gespür dafür haben, was gerade aktuell angesagt ist und aktuell gibt es gerade keinen richtigen Hype zu vermelden, nicht so wie mit Twilight oder High School Musical oder ähnlichem. Andersherum könnte man als Laie von außen behaupten, dass es genau umgekehrt ist. Die Leute, über die man viel berichtet, sind auch entsprechend „in“. Die Medien machen die Stars.

 

Die Jugend, die Jugend, ein seltsames Völkchen. Ob das wirklich so meine Welt ist? Bis vor einem Jahr habe ich Youtube selbst nur dazu genutzt, um mal gelegentlich ein Musikvideo in meine Einträge einzubinden oder ein Lied zu hören, was ich selbst nicht in meiner Musiksammlung hatte. Dass es da so viel mehr gibt, Community, Interaktion, Web 2.0, das ging doch eher an mir vorbei. Wäre ich zehn, fünfzehn Jahre jünger, wäre ich vermutlich selber mittendrin, wäre möglicherweise eine der Userinnen, die es durch ihr Abonnement einem Phänomen wie den „Außenseitern“ ermöglicht, auf Platz eins der meist abonnierten Kanäle aufzusteigen. Da fragt man sich doch, warum, was ist das für eine Jugend.

 

Seit einem halben Jahr verfolge ich selbst die Entwicklungen von manchen der beliebten Gurus, die sich bei Youtube tummeln. Besonders der Herr Slimani/Herr Tutorial fasziniert mich. Im Rahmen des kleinen Fernsehspiels strahlt das ZDF derzeit fünf Filme zum Thema „Bodybits – Analoge Körper in digitalen Zeiten“ aus. Der eine, „Egal was ich tue, sie lieben es“ beschäftigt sich mit dem Phänomen „Internetstars“. Auch der Mensch hinter dem Projekt „Herr Tutorial“ wird vorgestellt. Allerdings hat es nicht wirklich dazu beigetragen, dass er mir sympathischer wird. Mit zunehmender Professionalität wird er mir unsympathischer.

 

Zur Marke ist er geworden, eine willkommende Marketingalternative sind die Gurus. Was sie empfehlen, verkauft sich gut. Produktproben zum Nulltarif, nicht das schlechteste. Für sie persönlich. Ihn speziell, den Herrn Tutorial, mag ich nicht, weil er mir zu penetrant immer wieder beteuert, wie normal und bodenständig er doch ist. „Ich liebe meine Fans, ich liebe euch, ihr seid mein Ein und Alles, ohne euch wäre das alles hier nicht möglich, für mehr Zuschauerkontakt, bla“…Recht hat er ja…Ohne die vielen, vielen Leute, die ihn abonnieren wäre er nicht da, wo er ist.

 

Was sind das für Menschen, Jugendliche, was macht den Reiz aus? Spielt da vielleicht die Illusion eine Rolle, dass er nicht völlig unerreichbar ist. Ein Star zum anfassen? Wie sonst  lässt sich erklären, dass jemand, der kaum älter ist als sie, mit Allgemeinplätzen um sich schmeißt und ihnen doch mit seinen Videos eine Hilfe ist. „Selbstbewusstsein“ und „Mobbing“ sind ja Themen, die er durchaus öfter aufgreift und das Feedback ist  erstaunlich.

 

Das sind so Momente, in denen ich mich plötzlich unglaublich alt fühle. Ich verstehe eine Jugend nicht, die einen niemand aus dem Nichts mit Nichts zum Internetguru erhebt. Ja, das Projekt „Herr Tutorial“, es fasziniert mich, aber vor allem, weil mir absolut unbegreiflich ist, was da passiert ist, warum dieses junge, wilde, durchgestylte Kunstprodukt zu so einem Erfolg werden konnte.  Natürlich kenne ich ihn nicht persönlich, vielleicht ist er ja im echten Leben eine total angenehme Persönlichkeit, man weiß es nicht, aber das, was ich sehe, empfinde ich als schrecklich aufgesetzt, durchgestylt und durchgeplant. Es stört mich nicht weiter, also ich bin in die Thematik nicht so weit involviert, dass ich mich als bashenden, mobbenden Hater bezeichnen würde. Ich verstehe nur einfach die Dynamiken dahinter nicht mehr, die so etwas möglich machen.

 

Wer ist sie, die Jugend von heute, die da Strasssteinchenkleber, die ewig gleichen Hochglanz-Abziehbild-Amiland-Teenager und Internetstars zu ihren neuen Helden erklärt?

 

Vielleicht bin ich also tatsächlich schon zu alt, um mich in nächster Zeit beruflich mit der Jugend auseinander zu setzen. Aber ich bin neugierig. Es interessiert mich, was da in den letzten Jahren passiert ist. Vielleicht finde ich ja eine Antwort auf die Frage, warum die Jugend von heute so ist wie sie ist. Spannend fände ich diese kleine Entdeckungsreise ja durchaus.

 

So oder so, die Entscheidung fällt unabhängig von meinen Interessen. Irgendwann. Wahrscheinlich. Heute vor zwei Wochen war ich um diese Zeit noch mitten im Gespräch. Heute in einer Woche weiß ich dann wahrscheinlich auch endlich, woran ich bin. Die Vorgängerin in der Stelle hat am Freitag ihren Abschied gefeiert. War auf der Facebookseite zu lesen. Langsam sollte also mal eine Entscheidung fallen. „Kommende Woche“ ist aber auch eine verdammt unpräzise und ungnädige Zeitangabe, wenn man von der Warterei gerade leicht zermürbt wird.

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