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2005-10-20 14:00
Die (nur gefühlte) Ohnmacht
Wenn ich so etwas wie zuletzt schreibe, dann ist das wie eine Blitzlichtaufnahme. Das ist ein Aspekt meines Daseins, daß ich plötzlich mit allen Dingen um mich herum auf Kriegsfuß stehe. Das kann etwas später schon wieder ganz anders sein, dann finde ich das Leben schön und lebenswert. Es ist nur so, daß sich diese Aspekte abwechseln. Ich finde eben nicht immer alles toll, oder immer alles furchtbar. Es ist mal so, und mal so. Was aber an den Extremen nichts ändert.

Woher kommt das mit dieser Ablehnungshaltung gegenüber der Individualität und der mit den Entscheidungen verbundenen Verantwortung?

Früher hatte ich morgens zum Aufstehen oder zum Frühstücken noch oft das Radio an. Ich habe das gerne angehabt, vielleicht kam mal ein bekanntes Lied oder ich wurde über ein paar aktuelle Entwicklungen unterrichtet und fühlte mich gut und unabhängig informiert: wie ein ordentlicher demokratischer Bürger. Ab und zu kam dann auch mal Werbung...

Heute kann ich das Radio nicht mehr einschalten, ohne mich sofort zu ärgern, weil ich mich manipuliert und (ich weiß nicht wie sehr gezielt) desinformiert fühle. Das gleiche mit Zeitungen und Nachrichten allgemein. Das schwächt mich alles nur noch. Ich höre und sehe, was hier schief läuft und fühle mich ohnmächtig, daran etwas zu ändern. Ich neige dazu, wenigstens mich und meinen kleinen Lebensbereich davon freizuhalten. Aber das klappt auch nicht. Man hat den Eindruck, daß alles, was im Großen schief läuft, über kurz oder lang bei einem selbst vor der Tür steht.

(Und zwar im wahrsten Sinne: ein Sozialhilfeempfänger im Nachbarhof hat oftmals nichts anderes zu tun hat, als vom Fenster im 4.OG alles anzupöbeln, was ihm unter die Augen kommt. Das sehr vulgär und auch bedrohend. Da hat er auch mit Kindern keine Probleme. Jetzt laufen Anzeigen etc.
Noch so eine Geschichte: der Mann vom Reinigungsdienst, der regelmäßig bei uns Haus und Hof säubert, ist gelernter Pumpentechniker und hat bis vor einem halben Jahr noch beim Berliner Stromwerk BEWAG gearbeitet. Die BEWAG wurde von dem schwedischen Konzern Vattenfall übernommen, angeblich ohne daß Arbeitsplätze dabei gestrichen wurden, wie jüngst wieder plakatiert. Der Mann wurde trotzdem zusammen mit 400 weiteren Mitarbeitern entlassen. Jetzt putzt er und verdient dafür die Hälfte).

Die Ex-DDR-Bürger müßten doch eigentlich ein grandioses De-ja-vu-Erlebnis bekommen, angesichts dessen, was hier vor sich geht. Ich war damals zu Zeiten der Mauer einen Tag in Ostberlin, es war an einem 1. Mai. Da hingen überall Plakate über den Fünf-Jahres-Plan und über die Arbeiter, von denen der ganze Einsatz zum Wohle des Volkes verlangt wurde usw. Völlig befremdlich war das damals für mich, und natürlich "typisch DDR". Aber was ist denn heute viel anders? Da stehen Sprüche wie "Nicht der Mensch ist für den Staat da, sondern der Staat für den Menschen", Zitat Albert Einstein (ausgerechnet Einstein), am Bundeskanzleramt, noch weit entfernt von der S-Bahn aus zu lesen. Wie zum Hohn steht das da. Was stimmt denn überhaupt noch von dem, was einem tagtäglich gesagt wird? Was ist nicht durch irgendwelche Interessengruppen beeinflusst?

Das Gefühl, das ich damals bei dem DDR-Besuch hatte, stellt sich bei mir heute im wiedervereinigten Deutschland genauso ein. Grundlegende Dinge werden nicht mehr diskutiert. Man ist im Recht, da demokratisch legitimiert. Und man kann am Beispiel DDR gut sehen, daß die Entscheidungsträger niemals einen Irrtum eingestehen würden. Sie würden auch dann noch einen falschen Kurs fortsetzen, wenn er sich offensichtlich als falsch herausgestellt hat. Sie sind irgendwann zum Lügen gezwungen (darüber hatte ich schon einmal geschrieben). Und es kann dann nur noch von anderen Seiten etwas getan werden.

Aber was? Gute und verlässliche Internetseiten lesen ist schon einmal hilfreich. Sich informieren ist hilfreich. Aufklärung tut not. Und immer weiter machen, immer weiter. Es gibt genug Menschen, die beginnen, sich zu wehren. Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt, heißt es. Und nur der ist auch der Freiheit wert, der täglich sie erkämpfen muß. Das ist wohl mein Grunddilemma, daß ich um Freiheit nicht kämpfen möchte. Das ist eine komische Freiheit, die ich mir erkämpfen und verteidigen muß. Aber anders scheint es nicht zu gehen.

Und nicht die ganze Straße auf einmal ansehen, sondern Stein für Stein fegen.

Michael

Kommentare

08:12 23.10.2005
Das ist ja lieb von euch. Vielen Dank für die Glückwünsche! Ich hatte einen schönen Tag. Wir haben einige Hausbewohner mitsamt Kindern zu einer 'Hausparty' eingeladen, meine Frau E. hat ein tolles Buffet gemacht und ich habe auf dem Klavier was zum Besten gegeben (die Mozart-Variationen, war sozusagen Premiere). Und gelacht haben wir alle sehr viel. Es war richtig nett mit den Leuten. Ich danke euch nochmal für die Glückwünsche und wünsche euch einen schönen Sonntag. Grüß, Michael
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unbekannt
20:14 22.10.2005
...ein beeindruckender Text...werde beizeiten mal mehr hier lese...vorerst: einen schönen Geburtstagsabend noch...und Freiheit, die beginnt im Kopf... )

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16:14 22.10.2005
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, lass Dich heute feiern.
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unbekannt
15:54 22.10.2005
Herzlichen Glcükwunsch

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13:21 22.10.2005
Alles liebe zum Geburtstag!
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unbekannt
12:27 22.10.2005
Von mir natürlich auch nur die besten Wünsche und weiterhin schöpferische Muße .


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11:25 22.10.2005
Alles Gute zum Geburtstag
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2005-10-20 14:00