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2010-12-05 08:41
Der weinende Clown - 131
Donatello hatte sich auf Brunos Wohnzimmercouch gelümmelt. Er war neugierig und wollte jede Kleinigkeit wissen, alles, was in den letzten Tagen vorgefallen war. Geduldig gab Bruno Auskunft.
„Mensch Junge – ich freue mich für dich!“ rief Donatello, als er erfahren hatte, dass Sarah Brunos Heiratsantrag angenommen hatte. „Das sollten wir wirklich ausgiebig feiern!“
„Du meinst, wir sollten so etwas wie eine Verlobungsfeier veranstalten oder wie?“
„Genau – eine Verlobungsfeier! Das ist es!“
„Ich weiß nicht ...“, entgegnete Bruno etwas behäbig. „Ich bin doch schon zu alt dafür.“
„Sag mal, spinnst du??“
„Und ich weiß zudem nicht, ob Sarah damit einverstanden ist. Schließlich ...“ Er zögerte. „... Schließlich ist ihre Mutter doch vor kurzem erst gestorben und ich glaube nicht, dass ihr jetzt schon zum Feiern zumute ist.“
„Frag sie einfach.“
„Ok.“
„Ich könnte mir nämlich vorstellen, dass es für sie eine Ablenkung ist – und außerdem: Wenn das kein Grund zum Feiern ist, was dann?“, meinte Donatello und sah ihn gespielt streng an.
„Ist ja gut, Junge, jetzt echauffiere dich nicht weiter, ich regle das – außerdem habe ich noch ein ganz anderes Problem.“
„Und welches?“
„Sarah will endlich Gottfried kennen lernen. Sie besteht darauf.“
„Wer in drei Teufels Namen ist Gottfried?“
„Ach so, richtig. Du kannst natürlich nicht wissen, wer das ist, klar.“
„Ich denke, du wirst es mir gleich erzählen.“
„Sehr ungern“, entgegnete Bruno.
„Also los jetzt. Wir sind Freunde und die haben normalerweise keine Geheimnisse voreinander.“
„Ich hab dir doch erzählt, dass meine Inspirationen für diesen Roman direkt von oben kommen“, begann Bruno etwas zögernd.
„Ja und? Ach so – du meinst deine Telefonate mit oben, wie du dich immer ausdrückst.“ Donatello grinste süffisant.
„Gottfried ist Gott.“
„Sag mal, caro Amico, hast du noch alle Tassen im Schrank?? Bist du jetzt völlig übergeschnappt, he?“ Donatello tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn.
„Nein – ganz sicher nicht.“
„Du willst also allen Ernstes behaupten, du sprichst mit Gott? Vermutlich sogar noch mit ihm persönlich – ich glaub’s ja einfach nicht! Giammai!“

„Es ist so. Die Telefonate sind völlig real. Und ich hatte die Auflage, darüber absolutes Schweigen zu bewahren. Ich kann dir das nur deshalb erzählen, weil ich vorher die ausdrückliche Erlaubnis eingeholt habe. Und überleg doch mal: Woher hätte ich sonst all die Informationen über dich? Dass sie haargenau stimmen, hast
du mir doch persönlich bestätigt.“
„Ja, es ist alles richtig, was du geschrieben hast. Es ist wahr.“
„Na siehst du. Und du bist der einzige Mensch, der es nun weiß.“
„Das ist vermutlich auch ganz gut so, denn wenn du das publik machen würdest, würden sie dir aufs Dach steigen – wegen Blasphemie, mein Lieber! Zudem hättest du sofort die Kirche gegen dich aufgebracht, denn es kann nicht sein, was nicht sein darf.“
„Ja, das könnte durchaus zutreffen“, gab Bruno zögernd zu. „Zumindest würden die Leute glauben, ich sei übergeschnappt – oder so.“
„Nicht mal Sarah weiß es – das heißt ...“
„Das heißt was?“
„Sarah hat Gottfried schon einmal gesehen – nur weiß sie es nicht mehr.“
„Wie das denn?“
„Er hat ihr die Erinnerung genommen. Das heißt es.“

Donatello legte den Kopf schräg und überlegte einen Moment. „Bene, aber das verstehe ich nicht. Weshalb?“
„So genau weiß ich das auch nicht. Vermutlich hätte sie mir ein Loch in den Bauch gefragt. Er wird schon wissen, weshalb. Tatsache ist jedenfalls, dass sie ihn sogar bekocht hat.“
„Das wird ja immer netter!“, entfuhr es Donatello.
„Doch. Es ist so. Er war bei uns zum Essen und es war ein wunderschöner Abend.“
„Also jetzt mach mal einen Punkt! Du verarscht mich“, rief Donatello leicht verärgert.
„Ich schwöre dir, es war aber so.“
„Schwer zu glauben, aber gut. Wie fing denn das alles an?“

Bruno begann zu erzählen – von seinen Selbstmordabsichten, dass er gebetet hatte, vom ersten Anruf, seiner anfänglichen Ungläubigkeit, die Sache mit der Kuh, auf welche Weise er Sarah kennen gelernt hatte – er ließ kein Detail aus, berichtete auch all jene Informationen, die er bekommen hatte und die Donatello und ihn gemeinsam betrafen. Donatello hörte gebannt zu, unterbrach ihn nicht, schüttelte nur ab und zu verwundert den Kopf. Erst als Bruno seine Geschichte beendet hatte, meinte er leise, fast ehrfürchtig: „Dann ist dir wirklich eine große Gnade widerfahren.“
„So sehe ich das aber gar nicht. Weißt du, ich kann mit ihm reden wie mit dir – wie mit einem Menschen. Und ob du es glaubst oder nicht, manchmal macht er sogar seine Witze. Die Gespräche sind meist locker vom Hocker – völlig unkompliziert, also ganz anders als ein kirchliches Gebet mit ,im Namen des Vaters, des Sohnes’ und so weiter. Gott macht keine salbungsvolle Zeremonie, sondern ist einfach nur da. Er kommt mir manchmal vor wie ein – wie soll ich es ausdrücken? Ja, wie ein guter Kumpel, verstehst du? Vermutlich betrachten ihn nur sein Bodenpersonal oder die meisten Menschen so bockernst. Und das Tolle daran ist, man kann ihn fragen, was man will, er hat stets sofort eine Antwort parat – und die trifft immer genau den Kern.“
„Du bist zu beneiden, weißt du das?“
„Ich glaube nicht, denn das, was ich kann, kann jeder Mensch.“
„Aha. Du meinst also, jeder könnte ihn per Telefon erreichen, wenn er nur die Nummer hätte, ja?“
Bruno lachte. „Nein, so sicher nicht. Da bin ich vermutlich eine Ausnahme. Zudem darf ich die Nummer unter keinen Umständen weitergeben. Aber ich weiß es: Er hört jedes Gebet und antwortet auch darauf – nicht direkt verbal, aber auf diese und jene Weise. Man muss nicht tausend Mal das gleiche Gebet herunterleiern – ihm genügt es bereits, wenn man einmal bittet. Meist kennt er die Fragen schon bevor man gefragt hat. Er lenkt die Dinge, leise, unauffällig, aber sehr wirksam im Sinne dessen, der da bittet. Seine Möglichkeiten sind nicht begrenzt, denke ich. Die Sache hat nur einen kleinen Haken.“
„Und welchen?“
„Man muss felsenfest an ihn glauben und ihm vertrauen. Er will es so.“
„Und genau damit tun sich viele hart – in unserer Zeit sowieso“, entgegnete Donatello.
„Richtig. Doch Gott ist ein Gentleman. Er zieht sich zurück, wenn man nichts von ihm wissen will, schon auch deshalb, weil er dem Menschen seine eigene Entscheidung lässt, das weiß ich. Er hat es mir oft genug gesagt. Aber wenn wir ihn aus dem Leben und der Welt verbannen, sollten wir auch nicht besonders erstaunt darüber sein, wenn die Welt eines Tages zur Hölle wird.“

Donatello nickte schweigend. Dann meinte er: „Genau das sollten wir verhindern. Zumindest in unserer eigenen kleinen Welt.“
„Worauf du dich verlassen kannst, mein Freund. Und wenn wir dazu noch einige Menschen finden, die ebenso denken, dann schaffen wir es auch. Selbst wenn wir all diese Menschen nicht persönlich kennen – es gibt so etwas wie ein kollektives Bewusstsein, das hat uns bekanntlich schon Carl Gustav Jung erzählt.“
„Gut, wir fangen gleich morgen mit der kollektiven Bewusstseinsveränderung an, aber bitte nicht zu früh, erst nach dem Frühstück“, flachste Donatello.
„Es ist nie zu spät und selten zu früh“, sagte Bruno und lachte.

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