1915.

                            6. Jan. 1915

Bis heute hat uns das neue Jahr den ersehnten Hauptschlag gegen die Franzosen noch nicht gebracht, wohl aber schöne Teil-Erfolge! Überall wird gekämpft: In den Argonnen, um Reims, vor Verdun, im Elsaß (Sonnheim etc.), im Osten und besonders an der Yper! Dort soll seit 5 Tagen ein furchtbarer Kampf Tag und Nacht toben, wobei die armen Soldaten in den Schützengräben bis an den Leib im Wasser stehen! Wir haben seit dem 1. Dezember keine Nachricht von Albert, keine Anzeige, daß er die beiden 10 pfündigen Weihnachtspakete erhalten hat –

Keinen Neujahrsgruß! Nun haben wir an seine vorgesetzte Behörde geschrieben!

Von Metz hören wir schreckl. Berichte. Täglich werfen franz. Flieger Bomben auf die Stadt, jedoch ohne Schaden anzurichten. – Alle Hospitäler sind überfüllt, weil die Schwerverwundeten direkt vom Schlachtfeld nach Metz gebracht werden. – Die meisten Toten sollen an der Yper, in Flandern gewesen sein. Ein Armeekorps hatte 21,000 Tote und Verwundete! Wenn man ruhig diese gräßlichen Tatsachen überdenkt, könnte man verzweifeln. Von Offizieren wurde hier erzählt, der ursprüngliche Kriegsplan sei gewesen: Die Franzosen in das Ried-Tal hereinzulassen und dort zu zermalmen! Durch die allzu eiligen und stürmischen Angriffe der Bayern zu Anfang des Krieges, welche die Franzosen zu rasch zurücktrieben, habe sich die ganze Situation verschoben und die Bayern sind damals mit großen Verlusten zurückgekommen! Die betr. Leutnants sagten: Wenn dieser Kriegsplan geglückt wäre, würde der Krieg mit Frankreich schon längst beendet sein! –

Aber wie wäre es uns wohl ergangen? Wir hätten alle Schrecken des Krieges kennen lernen; unser Haus zerstört – wir hätten fliehen müssen und viel verloren. Gott wird wohl wissen, was am besten für uns war. Aber man bringt freudig alle Opfer, aus Dankbarkeit, daß wir vor dem Schlimmsten bewahrt blieben! –