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2009-05-09 09:13
bestattung eines fränkischen urgesteins
So, ein schlimmer Tag wäre geschafft - die Beerdigung meines Vaters und die meiner Kindheit. Ich erzähle einfach mal von Anfang an. Ich bin am Morgen aufgewacht mit Gliederschmerzen, Kopfweh und einer sehr regen Darmtätigkeit. Schweinegrippe - schoss es mir gleich durch den Kopf. Jedenfalls hab ich meinen Medikamentenschrank gleich mal nach Medizin durchgesehen, die ich auch während der Stillzeit nehmen darf.
Paracitamol und Kohletabletten sollten mir dann helfen.

Meine Tochter kam anschließend vom Schullandheim und wir machten uns fertig. Mit meinem Bruder verabredete ich mich telefonisch, dass wir uns am Friedhof treffen sollten.

Nun, als wie dort ankamen, legte ich erst noch mal meinen Kleinen im Auto an. (Sicherheitshalber hatte ich heißes Wasser und ne Flasche mit Milchpulver dabei. Kenn ja die alten Leute auf dem Land. Da wäre die Hölle los, wenn ich in der Kirche das Stillen anfange). Anschließend ging es zum Grab. Dort traf ich auch meinen Bruder und den Bürgermeister. Wir standen kurz beisammen und gingen dann zur Kirche. Ich hatte ziemlich Angst vor dem Zusammentreffen mit meinen anderen Brüdern. Feindseeligkeiten oder gar kaltes Schweigen wäre mir zuviel gewesen.

Jedenfalls war die Kirche wahnsinnig voll. Es waren sehr viele Leute gekommen. Der Chor sang und die Tränen flossen, sowohl bei mir als auch bei meiner Tochter. Rührend war der Kontakt von meiner Kleinen zu ihrem Cousin, dem sie immer wieder Taschentücher anbot. Sie hatte ihn ja lange nicht sehen können, nachdem mein Bruder auch den Kontakt zwischen den Kindern nicht mehr wollte.

Der Chor lud eine schwere in mein Herz, dass ich das Gefühl hatte mein Brustkorb würde zu eng werden. Die Gedanken kreisten um Papa, wie meine Zeit hier nun in meinem Heimatdorf zu ende geht, wie ich als kleines Mädchen genau in dieser Kirchenbank als Konfirmantin saß. Immer wieder dachte ich daran, dass mein Papa den Kleinen nicht mehr hat kennenlernen dürfen. Das ist so schade.

Die Rede des Pfarrers war schön (insofern man das bei einer Beerdigung sagen kann). Er erwähnte das Leben meines Vaters und das gemeinsame Gebet der beiden, bei dem Papa um seinen Tod bat. Ich denke der Pfarrer wußte auch von den Streitigkeiten zwischen uns Geschwistern und hat es aus Diskretion nicht erwähnt. Jedenfalls denk ich, Papa hatte es ihm erzählt. Denn auch wenn Papa mit der Auslöser für die Probleme war, es belastete ihn sehr. Der Pfarrer wünschte uns Kindern jedenfalls Friede ins Herz. Vielleicht bewirkte das etwas, denn wir standen bei der Beisetzung dicht beisammen und blieben auch nach der Bestattung noch beieinander stehen, unterhielten uns und sorgten für eine friedliche Atmosphäre. Vielleicht hat der Spuk ein Ende und wir versuchen es wieder miteinander (denn es wurden auch Aussagen getroffen, dass die Kinder meines Bruders mich in den nächsten Ferien besuchen dürfen). Ich hoffe es waren nicht nur leere Worte.

Gemeinsam gingen wir zum Friedhof und beim Blick zurück den Berg hinunter sah ich den nicht enden wollenden Trauerzug. Ich glaube mein Papa war sehr beliebt (nein, ich weiß es) und er war bekannt wie ein bunter Hund in seiner fränkischen Schweiz. Nun, er hat ja auch nie wo anders gelebt. Er wurde in dem Dorf geboren und auch begraben und hat einfach auch sehr viele Menschen gekannt. Hinzukam, dass er ein alter Stammtischbruder war und in den diversen Fussballvereinen aktiver Schreihals am Rand des Platzes war. 2 Leute hielten noch eine Grabrede, erzählten, dass ein Gespräch mit meinem Vater ein Ereignis war, dass man nicht vergaß und nicht nur ein normales Gespräch. Erwähnten ihn als jemand der gern feierte, selbst als er schon schwer krank war immer Leute bei sich zum Feiern hatte.
Auch war es sehr bewegend gestandene Bauern weinen zu sehen. Freunde vom Papa, die normalerweise keine Gefühlsregung zulassen.
Ich glaube die Beerdigung hätte ihm gefallen. Es waren endlos viele Menschen da. Sicher an die 300, aber genau sagen kann ich das nicht.

Tja, jetzt ist dieses Kapitel meines Lebens vorbei. Meine beiden Eltern sind tod und ich kann mich hinter keiner Schürze meiner Mutter hinter keinem Bein meines Vaters mehr verstecken, wenn ich Mist baue. Ich bin nun allein dafür verantwortlich, was ich tue. Natürlich war ich das vorher schon, aber es fühlt sich jetzt einfach anders an. Oh, ich beneide jeden, der seine Eltern noch hat, der seine Kinder von Oma und Opa lieben lassen kann. Ich wünsch mir so, sie sehen die Kleinen weiterhin, sind irgendwo und stolz auf uns. Es ist auch irgendwie erschreckend, dass ich nun die nächste Generation in unserer Familie bin, die ins Grab folgt. Solche Gedanken kommen einen da einfach.

Die Beerdigung war sehr wichtig für mich, denn nur so hab ich kapiert, dass mein Vater wirklich tot ist. Es war für mich vorher nicht wirklich fassbar. Erst dadurch wurde es mir möglich, die Trauer zu eröffnen, denn vorher war alles wie vom dichten Schleier bedeckt und nicht real.

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Kommentare

17:41 09.05.2009
Ich bewundere dich...du bist so stark!!
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
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2009-05-09 09:13